April 2021 |
210413 |
ENERGIE-CHRONIK |
Der unangekündigte Besuch eines Vertreters, der an der Haustür für den Abschluss eines Stromliefervertrags wirbt, stellt für sich noch keine unzumutbare Belästigung dar. Mit dieser Begründung hob das Berliner Kammergericht (Oberlandesgericht) ein vor zwei Jahren ergangenes Urteil des Landgerichts Berlin auf, das den betreffenden Stromvertrieb zur Unterlassung derartiger Haustürbesuche verurteilt hatte (siehe Links). Es bestätigte die Verurteilung der Firma nur insoweit, als ihr weiterhin unter Androhung eines Ordnungsgelds bis zu 250.000 Euro untersagt bleibt, ihre Werber als angebliche Mitarbeiter der Stadtwerke oder als Beauftragte der Hausverwaltung auftreten zu lassen (siehe Links).
Das Urteil wirkt insofern praxisfremd, als gerade die Haustürwerbung für Strom- oder Gaslieferverträge sehr häufig – wenn nicht in aller Regel – mit betrügerischen Praktiken verbunden ist. Das Kammergericht verwies selber darauf, dass in der juristischen Literatur die Haustürwerbung als noch belästigender als die Telefonwerbung gilt und deshalb eine ausdrückliche vorherige Einwilligung des Besuchten gefordert wird. Es machte sich aber die weniger verbreitete Ansicht zu eigen, wonach die Annahme einer unzumutbaren Belästigung mit Blick "auf den geringen Umfang und die hohen Kosten der Haustürwerbung sowie eine daraus folgende geringe Nachahmungsgefahr" zu verneinen sei.
Die auf die Vertretung kommunaler Belange spezialisierte Kanzlei Becker-Büttner-Held (BBH) widerspricht dieser Ansicht. "In der Praxis erweist sich gerade in der letzten Zeit diese Einschätzung als nicht richtig", schreibt sie in ihrem "Blog" vom 19. April. "Vermehrt berichten Stadtwerke in der ganzen Republik, dass (wieder) zunehmend Haustürwerber auf Kundenfang sind." Die Werber hielten sich auch keineswegs immer an die Vorgaben des Wettbewerbsrechts: "Tatsächlich verleitet der wohl hohe Aufwand der Haustürwerbung, verbunden mit einer eher geringen Erfolgserwartung und hohem Abschlussdruck, Haustürwerber immer wieder zu Aussagen, die schlicht falsch sind. Sie suggerieren dem angesprochenen Verbraucher, dass man es mit einem als vertrauenswürdig anerkannten Vertragspartner zu tun habe."
Beliebte Formulierungen, mit denen die Werber ihre Opfer zu umgarnen versuchen, seien beispielsweise:
"Wir kommen von den Stadtwerken",
"Wir arbeiten mit Ihrem Energieversorger zusammen",
"Es besteht eine Kooperation zwischen uns und den Stadtwerken",
"Ihr Energieversorger und wir werden ein Unternehmen"
Beliebt seien aber auch Falschbehauptungen, mit denen sie sich als günstigere Alternative empfehlen:
"Haben Sie schon gehört, dass die Stadtwerke die Preise erhöhen?"