Oktober 2019 |
191006 |
ENERGIE-CHRONIK |
Sechs Bürgermeister aus Rheinland-Pfalz, die ihre jeweiligen Stadtwerke im Beirat und teilweise auch im Aufsichtsrat des Kommunalkonzerns Thüga vertraten, haben die dafür erhaltenen Vergütungen als private Nebeneinnahmen behalten, anstatt sie an die Stadtkasse abzuführen. Erleichtert und sogar nahegelegt wurde ihnen diese unzulässige Bereicherung durch die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) beim Landesinnenministerium. Dort hat man angeblich nicht mitbekommen, dass die Thüga seit nunmehr zehn Jahren ein hundertprozentig kommunales Unternehmen ist (090801). Stattdessen verfuhr man wie früher, als die Thüga für den E.ON-Konzern rund 130 Minderheitsbeteiligungen an Stadtwerken bündelte (020809). Die in Rheinland-Pfalz geltenden Bestimmungen hätten es unter diesen Umständen den Bürgermeistern erlaubt, die Vergütungen für Beiratssitzungen und andere Nebentätigkeiten als private Einnahmen zu betrachten, sofern eine Grenze von jährlich 6.200 Euro nicht überschritten wird.
Die Empfänger der Gelder haben die Schlamperei der Mainzer Aufsichtsbehörde freilich unterstützt, indem sie es unterließen, auf die Veränderung der Eigentümerstruktur bei der Thüga aufmerksam zu machen. Nach Recherchen des Südwestrundfunks (SWR), der die Affäre im Juli ins Rollen brachte, kassierten so sechs der neun Thüga-Beiräte aus Rheinland-Pfalz mindestens 220.000 Euro, die eigentlich den Kommunen gehörten. Am meisten profitiert habe der frühere Koblenzer Oberbürgermeister Joachim Hofmann-Göttig mit mindestens 130.384 Euro, gefolgt von dem ehemaligen Bürgermeister Andreas Schwarz aus Frankenthal mit rund 30.409 Euro, dem früheren Oberbürgermeister Bernhard Matheis aus Pirmasens mit rund 25.266 Euro, dem Oberbürgermeister Christoph Burkhard aus Alzey mit rund 22.950 Euro und dem Oberbürgermeister Klaus Weichel aus Kaiserslautern mit 13.175 Euro.
Die Aufsichtsbehörde ADD im SPD-geführten Innenministerium schien die Affäre zunächst dilatorisch behandeln zu wollen, indem sie eine "Prüfung" ankündigte, wieweit eine Neuregelung erfolgen müsse. Wahrscheinlich wäre dabei bestenfalls eine für die Zukunft geltende Abführpflicht herausgekommen und auf die Rückforderung der zu Unrecht einbehaltenen Beträge verzichtet worden. Die rechtspopulistische AfD nutzte indessen die Gelegenheit zur Einbringung eines Antrags im Mainzer Landtag, über den das Plenum am 18. September debattierte. Der CDU-Abgeordnete Gordon Schnieder hielt dabei als Sprecher der größten Oppositionspartei "nichts davon, den Schlingerkurs einer Aufsichtsbehörde zu verteidigen". Er glaube, "dass wir in Teilen Aufsichtsversagen vorfinden können".
Der Abgeordnete Jens Guth als Sprecher der regierenden SPD machte es sich dagegen recht einfach, indem er den Rechtspopulisten vorwarf, "eine Neid-Debatte anzustoßen" und "mit Dreck zu werfen nach dem Motto 'Irgendetwas wird schon hängen bleiben'". Er warb sogar um Verständnis für die private Aneignung derartiger Vergütungen: "Es ist schwer nachvollziehbar, wenn ein Bürgermeister beispielsweise bei einem Unternehmen mit 49 Prozent kommunaler Beteiligung die Aufsichtsratsvergütung behalten darf. Wenn er sich dann in diesem kommunalen Gremium für eine größere kommunale Beteiligung einsetzt, dies auch erreicht und der kommunale Einfluß größer wird, die Kommune damit 51 Prozent an dem Unternehmen hält und der Private nur 49 Prozent, muss er sozusagen als Belohnung die Vergütung abführen. Da beißt sich die Maus in den Schwanz. Das lässt sich nach außen nur ganz schwer vermitteln".
Als Sprecherin der mitregierenden Grünen punktete dagegen die Abgeordnete Pia Schellhammer mit dem Hinweis, dass die beiden grünen Dezernenten der Landeshauptstadt Mainz ihre Nebeneinkünfte auf der städtischen Internetseite offengelegt hätten. In Gesprächen mit den kommunalen Spitzenverbänden müsse darauf gedrungen werden, dass solche Transparenz Schule macht. Andernfalls habe der Gesetzgeber für entsprechende Regelungen zu sorgen. "Mit unserer Veröffentlichung der Nebeneinkünfte sagen wir ganz klar, wir haben nicht zu verbergen; und die Bevölkerung kann sich eine Meinung bilden über unsere Nebeneinkünfte, über etwaige Abhängigkeitsverhältnisse oder über die Verteilung unseres Zeitbudgets als Abgeordnete."
Wegen des Aufsehens, das die Affäre erregte, musste die Landesregierung ihre anfängliche Haltung korrigieren. Am 10. Oktober teilte das Innenministerium mit, dass die Aufsichtsbehörde ADD inzwischen allen sechs Bürgermeistern Änderungsbescheide geschickt habe. Die bisherige Genehmigung der Thüga-Vergütungen als Nebentätigkeit im privaten Bereich wird damit aufgehoben – und zwar rückwirkend zum 1. Dezember 2009, als die Kommunalisierung der Thüga erfolgte.