Januar 2009 |
090108 |
ENERGIE-CHRONIK |
Der Kleinstaat Luxemburg ist dabei, sich im Energiebereich einen eigenen "nationalen Champion" zuzulegen, der zwar mehrheitlich drei ausländischen Energiekonzernen und dem Stahlkonzern Arcelor-Mittal gehören wird, aber immerhin den luxemburgischen Staat zum größten Einzelaktionär hat. Das neue Unternehmen unter dem vorläufigen Namen "NewCo" – inoffiziell kursiert auch die Bezeichnung "EnergyChampion" – wurde in mehr als zweijährigen Verhandlungen vorbereitet und soll noch im Sommer dieses Jahres seine Geschäftstätigkeit aufnehmen.
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Am 23. Januar stellte der luxemburgische Wirtschaftsminister Jeannot Krecké das Projekt gemeinsam mit Repräsentanten der beteiligten Unternehmen auf einer Pressekonferenz vor. Materiell entsteht die "NewCo" aus dem Zusammenschluß der Versorger Soteg, Saar Ferngas und Cegedel. Juristisch geht die Fusion so vor sich, daß die Aktionäre der beiden anderen Unternehmen ihre Anteile in die Soteg einbringen, die auf diese Weise über 96,88 Prozent an der Saar Ferngas und über 82,82 Prozent an Cegedel verfügt. Im Endergebnis wird der luxemburgische Staat direkt (28,3 %) und indirekt über die Staatsbank SNCI (10,8 %) insgesamt 39,1 Prozent an dem neuen Energiekonzern besitzen. Die übrigen Anteile entfallen auf den in Luxemburg ansässigen Stahlkonzern Arcelor-Mittal (25,3 %), die beiden deutschen Energiekonzerne RWE (19,8 %) und E.ON (10,8 %) sowie auf die GDF/Suez-Tochter Electrabel (5,1 %).
Das neue Unternehmen wird nach Angaben des Energieministers 164.000 Haushalte und Betriebe mit etwa 57 Terawattstunden Gas und 18 TWh Strom beliefern. Es verfügt über ein Stromnetz von 7.300 Kilometern und ein Gasnetz von 2.100 Kilometern. Der Jahresumsatz wird etwa zwei Milliarden Euro betragen. Die Gesamtzahl von 700 Beschäftigten soll auch nach der Fusion nicht verringert werden, versprach Krecké. Sitz des Konzerns wird in jedem Fall das Großherzogtum sein, doch steht der genaue Ort noch nicht fest.
Die luxemburgische Regierung begründete die Zusammenfassung der drei Unternehmen mit den Notwendigkeiten des liberalisierten Energiemarktes: "Heute verfüge nur noch integrierte Versorger mit einem bestimmten Gewicht über die kritische Größe, die ihnen die Unabhängigkeit ermöglicht", hieß es in ihrer Pressemitteilung. "Cegedel, Saar Ferngas und Soteg sind diesen schwierigen Marktbedingungen in besonderem Maße ausgesetzt, denn alle drei sind als relativ kleine Akteure auf einem angestammten Markt tätig, der vom Umfang wie vom Wachstum her begrenzt ist."
Bemerkenswert ist dabei der Optimismus, mit dem Luxemburg an die Schaffung eines eigenen "nationalen Champions" herangeht. Ob das neue Unternehmen die ihm zugedachte Rolle spielen und seine Unabhängigkeit längerfristig behaupten kann, scheint angesichts der Kapitalverteilung zumindest ungewiß. Der zweitgrößte Aktionär Arcelor-Mittal wird als Branchenfremder zwar kaum versuchen, seine Beteiligung noch zu vergrößern, könnte dafür aber um so mehr geneigt sein, sie an Energieunternehmen weiterzuverkaufen. Dann könnte nur der Einspruch der Kartellbehörden noch verhindern, daß RWE, E.ON oder GDF/Suez auch diesen Versorger übernehmen. Die jetzige Konstellation soll dagegen mit den luxemburgischen und deutschen Kartellbehörden bereits abgeklärt worden sein und keine Probleme aufwerfen.
Der Stahlkonzern Arcelor-Mittal verdankt seine starke Beteiligung an der "NewCo" vor allem der Saar Ferngas, die ihm der RAG-Chef Werner Müller 2007 gegen Verzicht auf die bisherige Arcelor-Beteiligung an der RAG recht günstig verkauft hatte (070607), nachdem der ursprünglich vorgesehene Verkauf an RWE (060505) am Einspruch des Bundeskartellamts gescheitert war (070304). Die Saar Ferngas gehört seitdem Arcelor-Mittal zu 96,88 Prozent. Der Rest liegt bei ein paar Kommunen in Rheinland-Pfalz und Saarland, die nun im Zuge des Fusionsprozesses wie die anderen verbleibenden Kleinaktionäre abgefunden werden. Außerdem besitzt Arcelor-Mittal bisher 20 Prozent am luxemburgischen Gasversorger Soteg.
Der Stahlkonzern Arcelor-Mittal entstand in seiner heutigen Form erst 2007 aus einer Fusion der Arcelor mit der Mittal Steel Company, die eigentlich mehr eine feindliche Übernahme durch den indischen Stahlbaron Lakshmi Mittal war. Im Unterschied zur ursprünglichen Arbed und auch noch zur Arcelor, die 2001 aus einer Fusion der Stahlunternehmen Arbed (Luxemburg), Aceralia (Spanien) und Usinor (Frankreich) hervorging, verbindet den fusionierten Konzern mit Luxemburg weit weniger, als der offizielle Firmensitz im Großherzogtum vermuten läßt.
Die Soteg entstand 1974 als Erdgasversorger für Luxemburg mit dem Staat (50 %) und dem Stahlkonzern Arbed (45 %) als Hauptaktionären. Seit 2005 ist sie auch in der Strombeschaffung für Großkunden und Verteiler tätig. Mit der russischen Gazprom vereinbarte sie 2007 die Errichtung eins Gaskraftwerks mit zwei Blöcken à 400 MW, das bis 2012 in Betrieb gehen soll. Die nicht börsennotierte Aktiengesellschaft gehörte zuletzt dem Staat (21 %), der Staatsbank SNCI (10 %), E.ON Ruhrgas (20 %), Arcelor-Mittal (20 %), Cegedel (19 %) und Saar Ferngas (10 %).
Die Cegedel ("Compagnie Grand-Ducale d'Electricité du Luxembourg") besteht als Stromversorger für das Großherzogtum schon seit 1928. Sie deckt direkt oder über kommunale Verteiler rund siebzig Prozent des Stromverbrauchs im Lande. Aktionäre des börsennotierten Unternehmens sind der Staat (32,8 %), die Staatsbank SNCI (11,9 %), die Luxempart-Enérgie S.A. (30,4 %), die Electrabel (7,8 %) und sonstige (17,1 %).
Die Cegedel-Aktionärin Luxempart-Enérgie wurde 1998 von der Finanzholding Luxempart (51 %) zusammen mit RWE (49 %) gegründet. Im Zuge der jetzigen Fusion übernimmt RWE Energy für rund 186 Millionen Euro den 51-Prozent-Anteil von Luxempart an Luxempart-Enérgie vollständig. Die Mitspracherechte aus der damit erworbenen Beteiligung von 19,8 % an der "NewCo" werden aber in der Praxis von der saarländischen RWE-Tochter VSE wahrgenommen.
RWE lieferte schon bisher Strom an Cegedel, ist am Pumpspeicherwerk in Vianden beteiligt und erbringt umfangreiche Dienstleistungen für das Luxemburger Strom-Übertragungsnetz. "Der Ausbau des Engagements in Luxemburg ergänzt die Position von RWE in den Niederlanden und Belgien nach dem vereinbarten Kauf von Essent", hieß es in einer Pressemitteilung des Konzerns. "Gleichzeitig stärkt RWE spürbar seine Position in Luxemburg und im Saarland."