Februar 2018 |
180213 |
ENERGIE-CHRONIK |
Ein unrealistisch hoher Zählerstand begründet auch dann noch keinen Zahlunganspruch des Stromlieferanten gegenüber dem Kunden, wenn die Überprüfung des Zählers ergeben hat, daß er technisch in Ordnung war. So entschied am 7. Februar der Bundesgerichtshof (Az. VIII ZR 148/17). Das Urteil betraf zwar einen konventionellen Stromzähler. Es ist aber auch und gerade für die "Smart-Meter" bedeutsam, mit deren Einführung die Netzbetreiber begonnen haben (170902) und die keineswegs so zuverlässig sind, wie die Propaganda glauben machen möchte, zumal sie durch die Anbindung ans Internet sogar völlig neuartige Möglichkeiten der Manipulation eröffnen könnten (170503, 170502).
Im vorliegenden Fall hatte die Oldenburger EWE von einem älteren Ehepaar 9.073,40 Euro für 31.814 Kilowattstunden verlangt, die angeblich im einjährigen Abrechnungszeitraum 2014/2015 verbraucht wurden. Das war ungefähr zehnmal soviel wie im Vorjahr und wie dem üblichen Verbrauch von Haushalten vergleichbaren Zuschnittes entsprochen hätte. Die beiden Eheleute bestritten auch, daß sie oder der Enkel, der zeitweise mit im Haushalt lebte, einen derart exzessiven Stromverbrauch verursacht haben könnten.
Trotzdem hatte das Landgericht Oldenburg am 4. November 2016 der EWE-Forderung stattgegeben und die beklagten Kunden zur Bezahlung der Stromrechnung verurteilt. Es stützte sich dabei auf die Bescheinigung einer staatlich anerkannten Prüfstelle, die den von EWE-Netz ausgebauten Zähler untersucht und für technisch in Ordnung befunden hatte. Damit war dem Prozedere Genüge getan, das nach § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 der Stromgrundversorgungsverordnung (StromGVV) bei ungewöhnlich hohen Stromrechnungen vorgesehen ist.
Das Oberlandesgericht Oldenburg sah das freilich anders und gab der Berufung gegen dieses Urteil am 19. Mai 2017 statt: Die "ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers" im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 der StromGVV könne sich auch aus einer enormen und nicht plausibel erklärbaren Abweichung der Verbrauchswerte von denen vorangegangener oder nachfolgender Abrechnungsperioden ergeben. Angesichts der Anzahl der im Haushalt vorhandenen Stromverbraucher und des eher bescheidenen Lebenszuschnitts der Kunden seien aber keine Anhaltspunkte dafür zu erkennen, dass die Beklagten die exorbitante Strommenge tatsächlich selbst verbraucht haben könnten. Es bleibe vielmehr rätselhaft, wie es zu der Anzeige des außergewöhnlich hohen Verbrauchs gekommen sei.
Damit wollte sich nun die EWE wiederum nicht zufrieden geben und legte Revision beim Bundesgerichtshof ein. Dieser hatte freilich an dieser Auslegung der StromGVV nichts zu beanstanden, sondern fand sie naheliegend. Insbesondere habe das Berufungsgericht – entgegen der Auffassung der Klägerin - nicht fehlerhaft einen unzutreffenden Maßstab angelegt, der zu Gunsten des Kunden zu großzügig war.
Die Bestimmung in § 17 der Stromgrundversorgungsverordnung beruhe zwar – ebenso wie die von ihr abgelöste Vorgängerregelung des § 30 Nr. 1 in den Allgemeinen Bedingungen für die Elektrizitätsversorgung von Tarifkunden (AVBEltV) – auf der Erwägung, dass die grundsätzlich zur Vorleistung verpflichteten Grundversorger keine unvertretbaren Verzögerungen bei der Realisierung ihrer Preisforderungen hinnehmen müssen. Der Verordnungsgeber habe es dadurch den Versorgungsunternehmen ermöglichen wollen, die Vielzahl ihrer häufig kleinen Forderungen mit einer vorläufig bindenden Wirkung festzusetzen und im Prozess ohne eine abschließende Beweisaufnahme über deren materielle Berechtigung durchzusetzen. Der Kunde werde dadurch aber nicht rechtlos gestellt. Ebenso werde der Versorger nicht der Darlegungs- und Beweislast für die Richtigkeit der Abrechnung enthoben. Vielmehr werde die Beweisaufnahme in den Fällen, in denen der Kunde nach § 17 StromGVV mit seinen Einwendungen ausgeschlossen ist, lediglich auf den Rückforderungsprozess des Kunden verlagert.
Sofern der Kunde allerdings – wie in dem hier verhandelten Streitfall – bereits die "ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers" aufzeigen könne, sei er mit seinem Einwand nicht auf einen späteren Rückforderungsprozess verwiesen. Vielmehr müsse sein Einwand, die berechnete Strommenge gar nicht bezogen zu haben, schon im Rahmen der Zahlungsklage geprüft werden. Der Versorger müsse dabei den tatsächlichen Bezug der in Rechnung gestellten Energiemenge beweisen können. Insoweit habe die EWE keinen tauglichen Beweis angetreten. Zudem habe sie den streitigen Zähler nach der Überprüfung auch noch entsorgt und damit einer nochmaligen Untersuchung entzogen.