November 2017

171102

ENERGIE-CHRONIK


 


Für das RWE-Kraftwerk Frimmersdorf ist der neue Stickoxid-Grenzwert kein Problem mehr: Pünktlich zum 1. Oktober gingen nun auch die beiden Blöcke P und Q (rechts) vom Netz. Damit sind bereits drei der acht Braunkohle-Blöcke abgeschaltet, die aufgrund des sogenannten Strommarktgesetzes bis 1. Oktober 2019 stillgelegt werden, aber jeweils vier Jahre lang eine millionenschwere Abwrack-Prämie dafür bekommen, daß sie angeblich noch als "Sicherheitsreserve" benötigt werden (160503). Den Anfang machte voriges Jahr das EPH-Kraftwerk Buschhaus (161009).

Foto: RWE

Bundesregierung akzeptiert neuen Grenzwert für Stickoxide aus Kraftwerken

Die Bundesregierung verzichtet auf eine Klage gegen den neuen EU-Grenzwert für Stickoxide aus Kraftwerken und anderen Großfeuerungsanlagen (170402)), obwohl diese Verschärfung gegen ihren Widerstand zustande kam und sie anschließend von den Ministerpräsidenten der Länder Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg in einem gemeinsamen Brief aufgefordert worden war, gegen den EU-Beschluß Einspruch zu erheben. Die Braunkohle-Branche will dagegen weiterhin den neuen Grenzwert kippen, indem sie mit einer Sammelklage vor den Europäischen Gerichtshof zieht.

Die Bundesregierung hätte bis 10. November Gelegenheit gehabt, Einspruch gegen die Neuregelung zu erheben. Das federführende Bundesumweltministerium, das bis zur Bildung einer neuen Regierung weiterhin von Barbara Hendricks (SPD) geleitet wird, ließ diese Frist aber ungenutzt verstreichen. Auf Anfrage des "Westdeutschen Rundfunks" bestätigte ein Sprecher des Ministeriums, daß dies durchaus absichtlich geschah.

Die Vertreter der EU-Staaten hatten am 28. April eine "Novelle für Technikstandards von Großfeuerungsanlagen" gebilligt, die unter anderem den Grenzwert für Stickoxid-Emissionen aus Braunkohle von bisher 200 Milligramm pro Normkubikmeter auf 175 Milligramm heruntersetzt. Die Verschärfung kam gegen den Widerstand von Deutschland, Polen, Tschechien, Bulgarien, Finnland, Ungarn, Slowakei und Rumänien zustande. Der Vorschlag der EU-Kommission wurde deshalb nur mit 65 Prozent der Stimmen verabschiedet. Die Neuregelung wurde am 17. August im Amtsblatt der EU veröffentlicht und muß nun noch in die nationale Gesetzgebung umgesetzt werden.

Braunkohle-Branche klagt beim Europäischen Gerichtshof in Luxemburg

Bereits vor dem Ablauf der Einspruchsfrist hat die Braunkohle-Branche von der Kanzlei Freshfield Bruckhaus Deringer eine Klage auf Nichtigkeitserklärung des EU-Beschlusses ausarbeiten lassen und beim Europäischen Gerichtshof in Luxemburg eingereicht. Kläger sind die beiden Dachverbände Association Européenne du Charbon et du Lignite (Eurocoal) und Deutscher Braunkohlen-Industrie-Verein (Debriv), die beiden EPH-Unternehmen Lausitz Energie Kraftwerke AG und Mitteldeutsche Braunkohlengesellschaft mbH (Mibrag) sowie der ostdeutsche Energieversorger eins energie in sachsen GmbH & Co. KG.

Die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Regelungen ergibt sich nach Ansicht der Kläger hauptsächlich aus dem Vorgehen der Kommission: Durch fristlose Einbringung einer Änderung zum Beschlußentwurf und die Herbeiführung einer sofortigen Abstimmung habe sie zwingende Fristen verletzt. Zugleich habe sie den Vertretern der Mitgliedstaaten die Möglichkeit versperrt, zum geänderten Beschlußentwurf angemessen Position zu beziehen. Ferner habe sie "durch ein offensichtlich taktisch motiviertes Vorgehen ihre Stellung als Ausschußvorsitzende mißbräuchlich und fehlerhaft ausgeübt".

EPH schickt die ostdeutschen Braunkohle-Verstromer vor – RWE läßt Dachverbände klagen

Es fällt auf, daß RWE Power als nach wie vor größter Braunkohle-Verstromer nicht zu den Klägern gehört, während der tschechische EPH-Konzern die ostdeutschen Braunkohle-Verstromer zusätzlich zu den Branchenverbänden nach Luxemburg schickt. Für den EPH-Eigentümer Kretinsky, der am laufenden Band Kohlekraftwerke gratis oder zum Spottpreis übernimmt (171001), wäre das Inkrafttreten des neuen Grenzwerts ab 2021 ein schwere Gefährdung seines Kalküls, das auf dem möglichst langen Weiterbetrieb der CO2-Schleudern beruht. Die Braunkohle-Blöcke, die EPH von Vattenfall übernommen hat, sind nämlich nicht oder nur mit unverhältnismäßig großen Kosten nachzurüsten. RWE hat diese Möglichkeit dagegen zumindest bei den beiden Boa-Blöcken am Standort Neurath und beim Block Q in Boxberg (170402).

Der RWE-Konzern darf sich aber auch über die beiden Dachverbände gut vertreten fühlen und würde in jedem Falle von einem Erfolg der Klage profitieren. Hinzu ist er Miteigentümer des Klägers "eins energie" : An diesem kommunalen Energie- und Wasserversorger sind die Thüga AG mit 39,9 Prozent sowie die Stadt Chemnitz und der Zweckverband Gasversorgung in Südsachsen mit jeweils 25,5 Prozent beteiligt. Die restlichen 9,1 Prozent hält die RWE-Tochter envia Mitteldeutsche Energie AG (enviaM).

 

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