Juli 2017 |
170709 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die neue nordrhein-westfälische Landesregierung, die Anfang Juli ihre Arbeit aufnahm, will den seit November 2015 geltenden Windenergie-Erlaß überarbeiten, "um den angemessenen Anwohner-, Landschafts- und Naturschutz sicherzustellen". Wichtigster Punkt der diesbezüglichen Koalitionsvereinbarungen zwischen CDU und FDP ist die Festlegung eines Mindestabstands von 1,5 Kilometer zwischen neuen Windkraftanlagen und Wohngebieten.
Typisch für neue Windkraftanlagen ist diese getriebelose Enercon mit einer Nennleistung von 3 MW, die Anfang 2017 ans Netz ging: Mit einer Nabenhöhe von 135 Meter und einem Rotordurchmesser von 115 Meter erreicht sie eine Gesamthöhe von 192 Meter. Damit überragt sie deutlich die 162 Meter des Ulmer Münsters, das als höchster Kirchturm der Welt gilt. In Bayern hätte sie deshalb einen Mindestabstand von 1,92 Kilometer zu Wohngebieten einzuhalten. |
Der Windenergieerlaß der rot-grünen Vorgängerregierung enthält keine klare Regelung für Mindestabstände, sondern hält die Prüfung des Einzelfalls für notwendig und verweist dazu auf die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts: "Beträgt der Abstand das Zwei- bis Dreifache der Gesamthöhe der Anlage, bedarf es regelmäßig einer besonders intensiven Einzelfallprüfung", heißt es in dem Erlaß. Bei noch kürzerem Abstand "dürfte die Einzelfallprüfung überwiegend zu einer dominanten und optisch bedrängenden Wirkung der Anlage gelangen".
Die landgestützten Windkraftanlagen, die 2016 in Deutschland neu errichtet wurden, hatten durchschnittlich eine Nabenhöhe von 128 Meter und einen Rotordurchmesser von 109 Meter. Daraus ergibt sich eine Gesamthöhe von etwa 183 Meter. Die Neuregelung würde somit mehr als viermal so hohe Anforderungen an den Mindestabstand stellen als die bisherige Praxis, die außerdem für Anwohner einen nächtlichen Lärmpegel von bis zu 40 Dezibel für zumutbar hält.
Die geplante Neuregelung übertrifft den Mindestabstand von tausend Meter, auf den sich vor einem Jahr die grün-schwarze Koalitionsregierung in Baden-Württemberg geeinigt hat (160509). Sie bleibt aber hinter Bayern zurück, wo die CSU-Landesregierung aufgrund einer von ihr durchgesetzten Sonderregelung des Bundesbaugesetzbuchs (140609) seit November 2014 einen Mindestabstand vorschreibt, der zehnmal so groß wie die Gesamthöhe der Anlage ist (160510).
"Der massive Ausbau der Windenergie stößt in weiten Teilen des Landes auf zunehmende Vorbehalte in der Bevölkerung", heißt es in dem Koalitionsvertrag, den am 26. Juni der designierte Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) und sein FDP-Partner Christian Lindner untzerzeichneten. Um die Akzeptanz für die Nutzung der Windenergieanlagen zu erhalten, wolle die Koalition den rechtlichen Rahmen zur Einführung von Mindestabständen voll ausschöpfen. Sie gehe davon aus, "daß bei Neuanlagen eine Abstandsregelung von 1.500 Meter zu reinen und allgemeinen Wohngebieten rechtssicher umsetzbar ist".
Ferner soll im Landesentwicklungsplan die Verpflichtung zur Ausweisung von Windvorrangzonen entfallen und die Privilegierung von Windkraftanlagen in Waldgebieten aufgehoben werden. Die Betreiber werden zur "bedarfsgerechten Befeuerung" von neuen sowie – mit Übergangsfrist – von alten Anlagen verpflichtet. Die Ersetzung von Altanlagen durch leistungsstärkere Neubauten (Repowering) soll die Anzahl neuer Standorte verringern helfen. Auf Bundesebene will sich die neue Landesregierung konsequent für die Abschaffung der baurechtlichen Privilegierung von Windenergieanlagen einsetzen.
Die Landes-CDU hatte den 120 Seiten starken Vertrag auf einem Landesparteitag einstimmig beschlossen. Bei der nordrhein-westfälischen FDP erbrachte eine Mitgliederbefragung eine Zustimmung von mehr als 97 Prozent. In der neuen Landesregierung besetzt die CDU neun und die FDP drei Ministerposten, wobei dem FDP-Politiker Andreas Pinkwart das Ministerium für Wirtschaft, Digitales und Energie übertragen wurde. Im neuen Landtag verfügen die Koalitionäre allerdings nur 100 von 199 Abgeordneten und somit über die hauchdünne Mehrheit von einer Stimme.