Mai 2017

170509

ENERGIE-CHRONIK


 


Die Propaganda rechtspopulistischer und neoliberaler Kreise gegen das Gesetz blieb erfolglos

Schweizer Volksabstimmung bestätigt Ausstieg aus der Kernenergie

Die Bürger der Schweiz billigten am 21. Mai das neue Energiegesetz, das am 30. September 2016 vom Parlament beschlossen wurde und ab 2018 in Kraft tritt. Das Gesetz verbietet den Bau neuer Kernkraftwerke und nimmt noch eine Reihe anderer energiepolitischer Weichenstellungen vor. Dazu gehören vor allem die weitere Förderung der erneuerbaren Stromquellen und eine auf fünf Jahre befristete Beihilfe für die Betreiber der großen Wasserkraftwerke, deren Gestehungskosten über den Preisen für Importstrom aus der EU liegen.

Das Votum kam mit der klaren Mehrheit von 58,2 Prozent der abgegebenen Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von 42,4 Prozent zustande. Es bestätigt den atompolitischen Kurs der Regierung, die nach der Katastrophe von Fukushima beschlossen hat, die vorhandenen fünf Reaktoren nach Ablauf ihrer Betriebsdauer nicht durch neue Kernkraftwerke zu ersetzen (110504).

Sicher ist bisher nur die Stillegung des Kernkraftwerks Mühleberg

Wie lange die Reaktoren tatsächlich laufen, wird von ihrer Sicherheit abhängig gemacht und bleibt damit vorläufig offen. Sicher ist bislang nur die Stillegung des Kernkraftwerks Mühleberg, die der Betreiber bis Dezember 2019 angekündigt hat (160317). Die Regierung geht von einer maximalen Betriebsdauer von fünfzig Jahren aus. Dagegen verlangte ein Referendum, das vor einem halben Jahr scheiterte, eine Begrenzung der Laufzeiten auf 45 Jahre. Dies hätte zur unverzüglichen Stillegung von drei der fünf Reaktoren geführt (161106).

 


Nur in vier der 26 Kantone wurde die Mehrheit für das Energiegesetz nicht erreicht. Landesweit votierten 58,2 Prozent für ein Verbot des Neubaues von Kernkraftwerken und andere energiepolitische Weichenstellungen (siehe auch 161106).

 

Gegner des Gesetzes argumentierten mit angeblich horrenden Kosten

Die Volksabstimmung wurde durch ein Bündnis aus Rechtspopulisten (SVP) und Neoliberalen (FDP) erzwungen, denen das Energiegesetz aus unterschiedlichen Gründen ein Dorn im Auge ist. Im Zentrum ihrer Propaganda stand auch nicht die Kernenergie, die selbst von den Stromkonzernen inzwischen als Belastung empfunden wird (161107). Ihren gemeinsamen Nenner fand die bemerkenswerte Allianz vielmehr in den angeblich horrenden Kosten, die sich aus der von Parlament und Regierung unterstützten "Energiestrategie 2050" für die Bevölkerung ergeben würden. Ferner polemisierte das Bündnis gegen ein ab 2029 geplantes Verbot von Ölheizungen und andere Maßnahmen zur Senkung des Energieverbrauchs sowie die "Landschaftsverschandelung" durch Windräder und Solaranlagen.

"Die Schweiz hat heute eine bewährte, bezahlbare und sichere Energieversorgung mit Öl, Gas, Benzin, Strom und Holz", hieß es beispielsweise. "Diese soll mit dem neuen Energiegesetz zerstört werden." Die mit dem Gesetz verfolgte "Energiestrategie 2050" werde in den nächsten drei Jahrzehnten rund 200 Milliarden Franken kosten. Umgerechnet auf einen Haushalt mit vier Personen seien dies jährlich 3200 Franken durch höhere Kosten und Steuern für alle Bereiche der Energiversorgung, vom Strom über die Heizung bis zum Verkehr.

Befristete Erhöhung des Erneuerbaren-Zuschlags

Daran stimmt allenfalls soviel, daß die in den nächsten Jahrzehnten anstehende Erneuerung des Kraftwerksparks und der Ausbau der Netze nicht kostenlos erfolgen können. Dasselbe gilt für andere Punkte der "Energiestrategie 2050", die aber erst später geregelt werden sollen. Aus dem jetzt gebilligten Energiesetz ergibt sich nach Angaben des "Bundesamts für Energie" lediglich eine einzige direkte Mehrbelastung: Das ist die Erhöhung des "Netzzuschlags", der mit der deutschen EEG-Umlage verglichen werden kann und der Förderung erneuerbarer Stromquellen dient. Bisher war dieser Zuschlag auf 1,5 Rappen pro Kilowattstunde begrenzt. Wegen Erschöpfung der damit zur Verfügung gestellten Mittel mußte die Förderung im vergangenen Jahr eingestellt werden. Nun wird der Zuschlag auf 2,3 Rappen bzw. 2,1 Cent erhöht. Für den Durchschnittshaushalt bedeutet das eine Mehrbelastung von etwa 40 Franken jährlich.

Diese Neuregelung des Förderzuschlags ist bis Ende 2022 befristet. Vermutlich wird der Topf aber schon lange vorher leer sein: Beim Netzbetreiber Swissgrid gehen im Monatsdurchschnitt über 1.000 Anträge ein. Ende März 2017 befanden sich 38.064 Anlagen auf der Warteliste. Zu 97 Prozent handelte es sich um Photovoltaikanlagen. Anspruch auf eine Vergütung haben nur solche Betreiber, die bis Ende 2022 eine Zusage erhalten.

Ein Viertel der Erhöhung dient der Stützung der großen Wasserkraftwerke

Außerdem soll ein Viertel dieser Erhöhung – also 0,2 Rappen pro Kilowattstunde – zur Stützung der großen Wasserkraftanlagen verwendet werden, deren Erzeugungskosten mit rund 7 Rappen pro Kilowattstunde über den Preisen für Importstrom liegen. Die Regierung will den Betreibern eine "Marktprämie" von bis zu 1 Rappen pro Kilowattstunde zukommen lassen, wenn sie den Strom unter Marktpreis verkaufen müssen. Nach Angaben der Energieministerin und Bundesratspräsidentin Doris Leuthard werden ihnen so in den nächsten fünf Jahren rund 120 Millionen Franken zur Verfügung gestellt. Damit hätten sie genügend Zeit, "um ihre Hausaufgaben zu machen". Für kleine Wasserkraftwerke mit einer Leistung unter 1 MW wird dagegen die Einspeisevergütung gestrichen.

Im vergangenen Jahr hat die Schweiz erstmals mehr Strom importiert als exportiert

Im vergangenen Jahr hat die Schweiz erstmals mehr Strom ein- als ausgeführt: Bei Importen von 38,0 Mrd. kWh und Exporten von 34,1 Mrd. kWh ergab sich ein Importüberschuss von 3,9 Mrd. kWh. Dagegen wurde 2015 noch ein Exportüberschuss von 1,0 Mrd. kWh verzeichnet. Dementsprechend wurde ein positiver Außenhandelssaldo von 234 Mio. Franken durch einen negativen Aussenhandelssaldo von 145 Mio. Franken abgelöst.

Dieser Importdruck dürfte sich noch verstärken, wenn die Schweiz ihren Strommarkt weiter dem der umgebenden EU-Länder angleicht: Seit 2009 können Endverbraucher mit einem Bedarf von mehr als 100 Megawattstunden jährlich ihren Stromlieferanten frei wählen. Nach anfänglichem Zögern haben sie davon auch zunehmend Gebrauch gemacht. Die Ausdehnung dieser Wahlfreiheit auf die kleineren Verbraucher der regulierten "Grundversorgung" hätte eigentlich schon erfolgen sollen. Sie wurde aber verschoben, wobei die Rücksichtnahme auf die Ertragslage der Wasserkraftwerke die wichtigste Rolle gespielt haben dürfte.

Die Schweiz hatte 2016 einen Stromverbrauch von 58,34 Terawattstunden. Den größten Anteil an der inländischen Stromerzeugung hatten Wasserkraftwerke (59 Prozent), gefolgt von den vier Kernkraftwerken (32,8 Prozent). Der Rest von 8,2 Prozent entfiel auf konventionelle Wärmekraftwerke sowie die erneuerbare Stromquellen Abfall, Photovoltaik, Biomasse und Windkraft.

 

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