April 2017

170411

ENERGIE-CHRONIK


 

Beim Ausblick auf neue Kraftwerkskapazitäten spielt Kohle praktisch keine Rolle mehr. Die größte Leistung erreichen die 19 Erdgas-Projekte. Ihre Verwirklichung wird aber von den derzeit ungünstigen Rahmenbedingungen be- oder gar verhindert. Dasselbe gilt für die acht geplanten Pumpspeicher-Anlagen. Bei den 25 Offshore-Windparks, welche die jüngste BDEW-Liste erfaßt, handelt es sich dagegen nur um jene Projekte, die bereits nach der alten Regelung genehmigt wurden. Die Liste ließe sich hier sogar noch um etliche Vorhaben erweitern. Bei allen geplanten Windparks vor der deutschen Küste hängt die Verwirklichung inzwischen aber nicht mehr in erster Linie von den Investoren ab, sondern vom Flaschenhals der limitierten Ausschreibungen, durch den bis Ende 2021 gerade mal 3.100 MW passen.

Datteln 4 ist wahrscheinlich der letzte Bau eines Kohlekraftwerks in Deutschland

Der Steinkohle-Block Datteln 4 ist das einzige Kohlekraftwerk, das sich derzeit in Deutschland noch in Bau befindet. Außerdem wird er wahrscheinlich der letzte Neubau eines Kohlekraftwerks für die allgemeine Stromversorgung in Deutschland sein. Dies ergibt sich aus der neuesten Übersicht der in Bau oder Planung befindlichen Kraftwerke mit einer Leistung von über 20 MW, die der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) wie in den Vorjahren anläßlich der Hannover-Messe vorgelegt hat.

Das BoA-Plus-Projekt von RWE ist unrealistischer denn je

Im Januar erhielt der umstrittene Steinkohle-Block Datteln 4 (120609) die immisionsschutzrechtliche Genehmigung. Damit kann E.ON bzw. Uniper die vor zehn Jahren begonnen Bauarbeiten endlich abschließen. Ansonsten ist zumindest im Bereich der allgemeinen Stromversorgung nicht damit zu rechnen, daß neue Kohlekraftwerke ans Netz gehen. Daran ändern auch zwei Planungen nichts, die auf der BDEW-Liste genannt werden: Die eine ist das Braunkohle-Projekt BoA-Plus in Niederaußem, das RWE seit nunmehr bald zwanzig Jahren vor sich her schiebt. Es geistert bis heute auf der Liste herum, obwohl es unrealistischer denn je geworden ist. Das andere Vorhaben ist das Steinkohlekraftwerk, das der Chemiekonzern Dow in Stade plant. Hier handelt es sich um einen Sonderfall, da das Kraftwerk der Eigenversorgung mit Strom und Dampf dient. Zudem sollen neben Kohle auch Biomasse und der im Unternehmen anfallende Wasserstoff als Energieträger verwendet werden. Das Projekt tauchte schon 2009 auf der BDEW-Liste auf. Damals sollte es "vor 2014" den Betrieb aufnehmen. Tatsächlich befindet es sich noch immer im Genehmigungsverfahren.

Erdgas-Projekte leiden unter ungünstigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen

Bessere Aussichten haben die insgesamt 19 Erdgas-Projekte, von denen 13 für Kraft-Wärme-Kopplung konzipiert sind. Mit einer Leistung von 9.497 MW stellen sie den größten Teil der im Bau befindlichen oder geplanten Kapazitäten. Allerdings wollen nur sieben Betreiber eine konkrete Angabe zum Jahr der Inbetriebnahme machen. Im Bau befinden sich vier Anlagen mit einer Leistung von zusammen 780 MW. Diese sollen im kommenden Jahr in Betrieb gehen. Für nahezu alle der 15 geplanten Anlagen wurde dagegen noch keine Investitionsentscheidung getroffen. Nach Feststellung des BDEW liegt dies an den schlechten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die den Beitrag der Gaskraftwerke zur Abpufferung der fluktuierenden Einspeisung von Wind- und Solarstrom nicht ausreichend honorieren. BDEW-Hauptgeschäftsführer Stefan Kapferer forderte deshalb gesetzgeberische Maßnahmen, mit denen "die Politik klar macht, daß der Energieträger Gas und die Gasinfrastruktur eine politische Zukunft haben".

Handlungsbedarf besteht auch bei den Pumpspeicherkraftwerken

Ähnlich ist die Situation bei den Pumpspeicherkraftwerken: Hier sind zwar acht Projekte mit einer Leistung von 4.660 MW im Genehmigungsverfahren oder in Planung. Da sie überschüssigen Wind- und Solarstrom gewissermaßen speichern, könnten sie den zunehmenden Anteil an fluktuierender Stromerzeugung noch besser als Gaskraftwerke abpuffern. Im liberalisierten Markt sind sie gegenwärtig aber nur als "Marktspeicher" einigermaßen wirtschaftlich zu betreiben (siehe Hintergrund, August 2014). Das verhindert die Verwirklichung solcher Projekte, die außerdem ein aufwendiges und langwieriges Genehmigungsverfahren durchlaufen müssen. Der BDEW sieht deshalb auch hier Handlungsbedarf: "Die Verunsicherung bei Investoren ist groß", erklärte Kapferer. "Die immer schwierigere Marktsituation bedroht mit Pumpspeicherkraftwerken ausgerechnet eine Kraftwerkstechnologie, die sich zum Ausgleich der stark schwankenden Einspeisung aus Erneuerbaren Energien besonders eignet."

Alle Offshore-Projekte müssen neuerdings erst durch den Flaschenhals der Ausschreibungen

Beim Vergleich mit der Liste, die der BDEW vor zwei Jahren veröffentlichte, ist der erwartete Kapazitätszuwachs in allen Bereichen geringer geworden (siehe Grafik). Das liegt normalerweise daran, daß mittlerweile etliche Projekte fertiggestellt oder abgeblasen wurden, ohne daß ein Ausgleich durch Neuplanungen stattfand. Bei der Offshore-Windkraft könnte die geplante Nennleistung von 8.023 MW jedoch mühelos um zahlreiche Projekte erweitert werden. Sie umfaßt nämlich nur solche Windparks, die entweder im Bau sind oder bis 2015 nach alter Regelung genehmigt wurden.

Die Auflistung aller bekannten Offshore-Vorhaben ergäbe indessen ein falsches Bild. Schon jetzt sind die hier angegebenen 6.733 MW für Anlagen im Planungsstadium insofern irreführend, als seit Anfang dieses Jahres alle Projekte durch den Flaschenhals des neu eingeführten Ausschreibungsverfahrens müssen. Dieser Flaschenhals ist überaus eng und läßt bis Ende 2021 gerade mal die Vergabe von 3.100 MW zu. Das ist weniger als die Hälfte jener Kapazität, die erforderlich wäre, um die in der BDEW-Liste aufgeführten Offshore-Windparks alle ans Netz zu bringen. Bei den folgenden Ausschreibungen, die ab November 2021 vorgesehen sind, wird der Flaschenhals weiterhin bestehen und jährlich nur 700 bis 900 MW durchlassen. Der Kapazitätszuwachs bei Offshore-Windstromerzeugung hängt somit nicht mehr in erster Linie von der Zahl der Projekte ab, sondern von den politisch-administrativen Vorgaben, die ihre Realisierung beschränken (siehe 170401).

 

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In Bau oder Planung befindliche Kraftwerke ab 20 Megawatt (MW)

(Quelle: BDEW)

Unternehmen Kraftwerk Leistung (MW) Energieträger Inbetriebnahme KWK Status
Iberdrola Offshore-Windpark Wikinger / Ostsee
350
Wind
2017
nein
im Bau
Northland Power Inc.(CAN) / Innogy Offshore-Windpark Nordsee One
332
Wind
2017
nein
im Bau
wpd AG Offshore-Windpark Nordergründe
111
Wind
2017
nein
im Bau
Vattenfall Europe Wärme AG GuD Lichterfelde A
300
Erdgas
2018
230 MWth
im Bau
Stadtwerke Kiel Kiel / Küstenkraftwerk K.I.E.L.
190
Erdgas
2018
192 MWth
im Bau
Kraftwerke Mainz-Wiesbaden AG BHKW Ingelheimer Aue (10 Gasmotoren)
100
Erdgas
2018
100 MWth
Genehmigung erteilt
EnBW Heizkraftwerk Stuttgart-Gaisburg
30
Erdgas
Ende 2018
30 MWth
im Bau
Uniper Datteln 4
1.052
Steinkohle
2018
380 MWth
im Bau
EnBW/Enbridge Inc. (CAN) Offshore-Windpark "EnBW Hohe See"
497
Wind
2019
nein
im Bau
Dong Energy Offshore-Windpark "Borkum Riffgrund 2"
450
Wind
2019
nein
Genehmigung erteilt
Partners Group (CH), InfraRed Capital Partners (UK), DEME (BEL), ADEME (F), GE Energy Offshore-Windpark "Merkur Offshore" 
396
Wind
2019
nein
Genehmigung erteilt
E.ON Climate & Renewables /Statoil Offshore-Windpark "Arkona" / Ostsee 
385
Wind
2019
nein
Genehmigung erteilt
Northland Power (CAN) Offshore-Windpark "Deutsche Bucht"
252
Wind
2019
nein
Genehmigung erteilt
Vattenfall Europe Wärme AG GuD Marzahn
260
Erdgas
2020
230 MWth
im Bau
Vattenfall Europe Wärme AG HKW Scharnhorststrasse / Berlin
12
Erdgas
2020
40 MWth
in Planung
Trianel / EWE AG Offshore-Windpark "Borkum 2"
200
Wind
2020
nein
Genehmigung erteilt
PQ Energy (Blackstone) Gaskraftwerk Gundelfingen
max. 1.200
Erdgas
früh. 2021
k. A.
in Planung
Stadtwerke Trier Schweich / PSKW Rio
rd. 300
Pumpspeicher
ab 2021
nein
Genehmigungsverfahren
RWE Power BoAplus Niederaußem/ Block L
1.100
Braunkohle
früh. 2022
ja
Genehmigungsverfahren
Dong Energy Offshore-Windpark "Borkum Riffgrund West 2"
240
Wind
2024
nein
Genehmigungsverfahren
Dong Energy Offshore-Windpark "OWP West"
240
Wind
2024
nein
Genehmigung erteilt
Dong Energy Offshore-Windpark "Gode Wind 3"
110
Wind
2024
nein
Genehmigung erteilt
Trianel Landkreis Gotha / Talsperre Schmalwasser
rd. 1.000
Pumpspeicher
ab 2025
nein
in Planung
Trianel Nethe /, Höxter
390
Pumpspeicher
2025
nein
Genehmigungsverfahren
RWE Power GuD-Kraftwerk Gersteinwerk / Werne-Stockum
max. 1.300
Erdgas
k. A.
nein
Genehmigungsverfahren
Trianel Karlsruhe / GuD-Kraftwerk Oberrhein
max. 1.200
Erdgas
k. A.
Wärmeauskopplung für Mineralölraffinerie Oberrhein
in Planung
Trianel Kraftwerk Krefeld Projektgesellschaft mbh & Co. KG Krefeld / Chempark Krefeld-Uerdingen
max. 1.200
Erdgas
k. A.
Wärmeauskopplung für Chempark Krefeld
Genehmigungsverfahren
OMV Power International Burghausen (Industriegebiet Haiming)
850
Erdgas
k. A.
bis zu 100 MWth Prozessdampfauskopplung
Genehmigung erteilt
Stw. Ulm (SWU) / Siemens GuD Ulm / Flughafen Leipheim
max. 600
Erdgas
k. A.
nein
in Planung
STEAG GmbH GuD / Chemiepark Leverkusen<, /td>
570
Erdgas
k. A.
Prozesdampfauskopplung
Genehmigungsverfahren
PQ Energy Gaskraftwerk Industriepark Griesheim
rd. 500
Erdgas
k. A.
k. A.
in Planung
EnBW Karlsruhe / Rheinhafen RDK 6S
465
Erdgas
k. A.
nein
Genehmigung erteilt
EDF Deutschland Premnitz
400
Erdgas
k. A.
Prozesdampfauskopplung
Genehmigungsverfahren
Vattenfall Europe Wärme AG GuD Klingenberg
300
Erdgas
k. A.
230 MWth
Genehmigung erteilt
Stw. Heidelberg BHKW (mehrere Gasmotoren)
20
Erdgas
k. A.
20 MWth
in Planung
RWE Power / KGG Gaskraftwerk Gundremmingen
k. A.
Erdgas
k. A.
k.A.
in Planu, ng
Schluchseewerke AG Atdorf
1.400
Pumpspeicher
k. A.
nein
Genehmigungsverfahren
Energieallianz Bayern (Zusammenschluss von über 30 KMU) Jochberg / Walchensee
700
Pumpspeicher
k. A.
nein
in Planung
Donaukraftwerk Jochenstein AG Jochenstein / Energiespeicher Riedl
300
Pumpspeicher
k. A.
nein
Genehmigungsverfahren
Stw. Mainz Heimbach
rd. 300
Pumpspeicher
k. A.
nein
Genehmigungsverfahren
EnBW Forbach (Erweiterung)
270
Pumpspeicher
k. A.
nein
in Planung
Dow Chemicals Stade
1.000
Steinkohle / Biomasse / Wasserstoff
k. A.
300 MWth
Genehmigungsverfahren
EnBW Offshore-Windpark "EnBW He dreiht"
rd. 900
Wind
k. A.
nein
Genehmigung erteilt
wpd AG Offshore-Windpark "Kaikas"
max. 664
Wind
k. A.
nein
Genehmigung erteilt
Northland Power Inc. (CAN) / Innogy Offshore-Windpark "Nordsee Three"
rd. 360
Wind
k. A.
nein
Genehmigung erteilt
WV Energie, Nordex SE, Innsbrucker Kommunalbetriebe, Stadtwerke Bad Vilbel Offshore-Windpark "Arcadis Ost 1" / Ostsee
348
Wind
k. A.
nein
Genehmigung erteilt
Blackstone / WindMW GmbH Offshore-Windpark "Nördlicher Grund"
320
Wind
k. A.
nein
Genehmigung erteilt
Northland Power Inc. (CAN) / Innogy Offshore-Windpark "Nordsee Two"
rd. 300
Wind
k. A.
nein
Genehmigung erteilt
Dong Energy Offshore-Windpark "Gode Wind 4"
rd. 300
Wind
k., A.
nein
Genehmigung erteilt
E.ON Climate & Renewables Offshore-Windpark "Delta Nordsee 1"
288
Wind
k. A.
nein
Genehmigung erteilt
Dong Energy Offshore-Windpark "Borkum Riffgrund West 1"
rd. 270
Wind
k. A.
nein
Genehmigung erteilt
E.ON Climate & Renewables Offshore-Windpark "Delta Nordsee 2"
192
Wind
k. A.
nein
Genehmigung erteilt
EnBW Offshore-Windpark "Albatros"
max. 116
Wind
k. A.
nein
Genehmigung erteilt
Vattenfall Offshore-Windpark "Nördlicher Grund; Teil Sandbank"
k. A.
Wind
k. A.
nein
Genehmigung erteilt
Summe  
25.332
       

 

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