Mai 2016

160502

ENERGIE-CHRONIK


Schäuble will selbstverbrauchten Solarstrom besteuern

Helle Empörung hat bei den Betroffenen der "Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Energiesteuer- und des Stromsteuergesetzes" ausgelöst, den Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) am 19. Mai vorlegte. Die Betreiber von Erneuerbaren-Anlagen sollen demnach künftig mit der Stromsteuer in Höhe von 2,05 Cent pro Kilowattstunde belegt werden, wenn ihr Eigenverbrauch mehr als 20 Megawattstunden jährlich beträgt. Besonders träfe dies größere Solaranlagen, deren Förderung bereits bis zum Anschlag zurückgefahren wurde und deren Zubau deshalb auf einem Tiefpunkt angelangt ist (151105). Sowohl der Bestand als auch der Zubau würden nun noch zusätzlich belastet. Bisher ist nach § 9 des Stromsteuergesetzes für den Eigenverbrauch von Strom aus Erneuerbaren-Anlagen keine Steuer zu entrichten. Befreit ist ferner generell der Eigenverbrauch aus Stromerzeugungsanlagen mit einer Leistung bis zu 2 Megawatt, zum Beispiel aus Blockheizkraftwerken. Auch dieses Limit will der Gesetzentwurf ändern und auf 1 Megawatt beschränken.

Schon mit Inkrafttreten des neuen EEG vor zwei Jahren wurde der Eigenverbrauch aus netzgekoppelten PV-Anlagen mit einer Leistung ab 10 Kilowatt der EEG-Umlage unterworfen (140601). Im Unterschied dazu würde die jetzt geplante Belastung nur größere Eigenverbraucher treffen, da 20 Megawattstunden fast dem sechsfachen Jahresverbrauch eines Durchschnittshaushalts mit 3500 Kilowattstunden entsprechen. Dennoch werden Schäubles Pläne als Anschlag auf die Energiewende empfunden, zumal sich die Besteuerung des Eigenverbrauchs jederzeit nach unten ausweiten ließe.

Kalkulation von Bestandsanlagen wäre nachträglich gefährdet

Das als "Diskussionsentwurf" bezeichnete Papier sieht die Erweiterung des Stromsteuergesetzes in § 8 durch eine Reihe von Unterparagraphen vor: Laut § 8e würde der Eigenverbrauch von Strom aus erneuerbaren Energien generell nur noch bis zur Grenze von 20 Megawattstunden befreit sein. Betroffen wären also auch die Betreiber von anderen Erneuerbaren-Anlagen, soweit sie den Strom "in unmittelbarer räumlicher Nähe zu der Anlage" entnehmen und ihn nicht "in ein Netz für die allgemeine Versorgung" einspeisen. Auch sie hätten beim Überschreiten dieser Grenze den kompletten Eigenverbrauch zu versteuern. Die Vorschrift soll außerdem nicht nur für neue Anlagen gelten. Dies würde bei vielen Bestandanlagen nachträglich deren Kalkulation ins Wanken bringen.

Biomasse und Deponiegas sollen nicht mehr als erneuerbare Energiequellen gelten

Für Strom aus Biomasse oder Deponiegas würde diese Neuregelung jedoch nicht gelten. Dafür sorgt eine geplante Änderung der bisherigen Begriffsbestimmungen in § 2 Punkt 7 des Stromsteuergesetzes, denen zufolge Strom aus erneuerbaren Energieträgern "ausschließlich aus Wasserkraft, Windkraft, Sonnenenergie, Erdwärme, Deponiegas, Klärgas oder aus Biomasse erzeugt wird". Nun sollen Deponiegas, Klärgas und Biomasse aus dieser Aufzählung gestrichen werden, obwohl sie zweifellos zu den erneuerbaren Energien gehören. Die willkürliche Neudefinition dient einzig dem Zweck, den Eigenverbrauch aus diesen drei Stromquellen unter die allgemeine Steuerbefreiung für kleinere Anlagen fallen zu lassen, die bisher in § 9 des Stromsteuergesetzes verankert ist und auf 2 Megawatt beschränkt ist. Zugleich soll diese Regelung in den neuen § 8d verlagert und die Freigrenze auf 1 Megawatt halbiert werden.

Angeblich geht es um die Umsetzung zwingender EU-Vorgaben

Das Finanzministerium begründet die geplante Besteuerung des Eigenverbrauchs aus Erneuerbaren-Anlagen mit der "Umsetzung von zwingenden unionsrechtlichen Vorgaben". Der Gesetzentwurf setze die aktuell verbindlichen Vorgaben des EU-Rechts in nationales Recht um. Neben der letzten Reform des Beihilferechts im allgemeinen zähle dazu speziell die erforderliche Umsetzung von Beihilfeentscheidungen der EU-Kommission sowie der einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zum Energiesteuer- und Stromsteuergesetz.

Von 2009 bis 2011 gab es sogar einen Bonus für den Eigenverbrauch von Solarstrom

Es ist noch gar nicht so lange her, daß der Gesetzgeber sogar einen Bonus für den Eigenverbrauch zahlte, indem er diesen in die EEG-Vergütungsregelungen einbezog. In der ab 2009 gültigen Fassung gewährte das Erneuerbare-Energien-Gesetz in § 33 Abs. 2 EEG einen solchen Bonus für Solaranlagen bis 30 Kilowatt. Er betrug 25,01 Cent pro Kilowattstunde, während die Netzeinspeisung mit 43,01 Cent/kWh vergütet wurde. Mit dem Argument, daß höherer Eigenverbrauch die Netze entlaste, wurde eine weitere Anhebung dieser Vergütungen diskutiert (100105, 100203). In der ab 2010 geltenden Fassung kam es zu einer Erweiterung der anspruchsberechtigen Leistungsklassen auf 500 Kilowatt. Für einen Eigenverbrauchsanteil von bis zu 30 Prozent der jährlich erzeugten Strommenge wurden nun gemäß § 33 Abs. 2 EEG 12,36 Cent/kWh gezahlt, während die Einspeisungsvergütung 28,74 Cent/kWh betrug. Für einen Eigenverbrauchsanteil von mehr als 30 Prozent lagen die Boni zwischen 15,33 und 9,56 Cent/kWh gegenüber 27,33 bis 25,86 Cent/kWh für die Netzeinspeisung.

In der Neufassung des EEG, die mit Jahresbeginn 2012 in Kraft trat, entfiel dieser Bonus-Paragraph ersatzlos. Seine fortdauernde Gültigkeit wurde auf Bestandsanlagen beschränkt, die in den drei Jahren von 2009 bis 2011 in Betrieb gingen. Zur Begründung hieß es, daß die Eigenversorgung mit Solarstrom nun die "Netzparität" erreicht habe und deshalb nicht mehr gefördert werden müsse (d.h. daß der Eigenverbrauch auch ohne Vergütung so günstig ist, als wenn man den Strom aus dem Netz zum durchschnittliche Haushaltsstrompreis beziehen würde).

Stattdessen kam es zu einer zusätzlichen Belastung durch die EEG-Umlage: In ihren "Eckpunkten für die Reform des EEG" beschloß die Große Koalition im Januar 2014, die EEG-Umlage künftig auf die gesamte Eigenstromerzeugung auszudehnen, aber für kleine Anlagen eine Bagatellgrenze einzuführen (140101). Das seit August 2014 geltende EEG schreibt in § 61 dementsprechend vor, daß nun auch Eigenversorger einen Anteil der EEG-Umlage zu tragen haben, der bis 2017 sukzessive von 30 auf 40 Prozent steigt. Befreit sind lediglich die Betreiber von Bestandsanlagen, neuen Solaranlagen mit höchstens 10 Kilowatt oder von Inselversorgungen.

 

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