April 2016 |
160416 |
ENERGIE-CHRONIK |
Der Bundesgerichtshof hat seine Rechtsprechung zur Angemessenheit von Gaspreiserhöhungen nach früher geltendem Recht mit einer Einschränkung versehen. Der zuständige 8. Zivilsenat geht zwar weiter davon aus, daß die Energieversorger bis zum Ablauf der Umsetzungsfrist der ersten EU-Gasrichtlinie am 1. Juli 2004 berechtigt gewesen seien, die Steigerung von Bezugskosten ohne nähere Begründung an die Kunden der Grundversorgung weiterzugeben (151016). Er hat nun aber klargestellt, daß dies keinen Freibrief für die Höhe der Bezugskosten darstellt. Vielmehr seien die Gasgrundversorger verpflichtet, die eigenen Bezugskosten im Interesse der Kunden niedrig zu halten und nach Möglichkeit die günstigste Beschaffungsalternative zu wählen. (Urteil vom 26. April 2016 – VIII ZR 71/10)
Die jetzt ergangene Revisionsentscheidung betrifft einen Kunden, dem die Technischen Werke Schussenried in Ravensburg binnen zwei Jahren viermal den Gaspreis erhöhten und der daraufhin die volle Bezahlung der Abrechnungen für 2005, 2006 und 2007 verweigerte. Das Amtsgericht hatte die Nachforderungen des Versorgers in Höhe von insgesamt 2.733 Euro für rechtens erklärt. In der Berufungsverhandlung hatte das Landgericht Ravensburg die Klage des Kunden ebenfalls abgewiesen, weil die Erhöhungen auf gestiegene Bezugskosten zurückzuführen seien, die der Versorger nach der damaligen Rechtslage ohne weitere Begründung an Tarifkunden weitergeben durfte.
Das Landgericht hielt allerdings auch den Einwand für unerheblich, daß der Versorger seine Bezugskosten manipuliert haben könne, zumal er an seinem Vorlieferanten als Gesellschafter und somit auch an dessen Gewinnen beteiligt sei, was die Möglichkeit zum künstlichen Hochtreiben der Gasbezugspreise eröffne (Die Technischen Werke Schussenried sind gemeinsam mit vier anderen Stadtwerken Gesellschafter der GVO GmbH, die 2003 für den gemeinsamen Gaseinkauf gegründet wurde). Nach Ansicht des Landgerichts hatte der Kläger dieser Einwand nur pauschal erhoben und nicht hinreichend belegt.
Das sah der Bundesgerichtshof anders: Das Landgericht habe keine ausreichenden Feststellungen dazu getroffen, daß die strittigen Preiserhöhungen tatsächlich auf Steigerungen der Bezugskosten beruhen. Insbesondere habe es den Einwand für unerheblich gehalten, daß der Versorger seine Bezugskosten durch die Gestaltung der Vertriebsform beeinflussen könnte.
"Eine Partei darf sich über Tatsachen, die - wie hier die Entwicklung der Bezugskosten der Klägerin für die Beklagte - nicht Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind, nach § 138 Abs. 4 ZPO mit Nichtwissen erklären", heißt es in dem Urteil. "Sie ist grundsätzlich nicht verpflichtet, diese Tatsachen zu überprüfen, um sich näher zu ihnen äußern zu können, und muß im Rahmen des Bestreitens auch nichts weiter substantiiert darlegen." Das Landgericht hätte deshalb der von den Technischen Werken Schussenried behaupteten Bezugskostensteigerung nicht ohne Beweiserhebung stattgeben dürfen.
Das Landgericht Ravensburg wird nun die vom Bundesgerichtshof verlangten Beweiserhebungen durchführen müssen. Das bedeutet allerdings noch nicht, daß es zu einem Urteil gelangt, das für den Gaskunden günstiger ist.