März 2013

130316

ENERGIE-CHRONIK


 

 

Halbseitige RWE-Anzeige in der "Süddeutschen Zeitung" vom 18. März

RWE schmückt sich mit dem "Deutschen Servicepreis 2013"

Die RWE Vertrieb AG warb im März in großen Anzeigen mit dem "Deutschen Servicepreis 2013", der ihr vom "Deutschen Institut für Service-Qualität" (DISQ) verliehen wurde. Bei dem Preisverleiher handelt sich um ein Unternehmen, das gewerbsmäßig solche Preise produziert. Die nach hauseigenen Kriterien verliehenen "Testsiegel" sind als eingetragene Marke registriert und dürfen nicht ohne Genehmigung verwendet werden. Den solcherart ausgezeichneten Firmen wird aber angeboten, gegen Zahlung einer größeren Summe mit dem "Testsiegel" werben zu dürfen.

Der RWE-Vertrieb hat solche Image-Pflege sicher nötig, da er von Konkurrenten schon verschiedentlich wegen irreführender Werbung verklagt wurde (130113). Vor allem die Vertriebstochter "eprimo" ist durch äußerst fragwürdige Methoden des Kundenfangs aufgefallen (101008, 080505). Auch die RWE-Tochter Süwag setzte Drücker-Kolonnen ein, die mit Tricks statt mit Service überzeugten (120113). Die Preisanpassungsklausel für Gas-Sondervertragskunden, die jetzt vom Europäischen Gerichtshof gerügt wurde (130301), ist ebenfalls kein Ruhmesblatt für den vom RWE-Vertrieb gebotenen Service.

Für Vattenfall wurde das gekaufte Testsiegel zum Rohrkrepierer


Diese schwarz-rot-golden unterlegte Form des "Testsiegels" wurde vom Landgericht Potsdam untersagt, weil sie in Verbindung mit dem Namen "Deutsches Institut für Service-Qualität"eine quasi öffentliche Einrichtung suggerierte.

Ob allerdings die Werbung mit einem gekauften "Testsiegel" ein taugliches Mittel ist, um wieder seriöser zu wirken, darf bezweifelt werden. Zumindest der Vattenfall-Konzern ist auf die Nase gefallen, als er sich 2008 vom selben Institut zum "Besten Stromanbieter" ernennen ließ und eine Summe in unbekannter Höhe dafür zahlte, mit dem "Testergebnis" werben zu dürfen. Dem Energiekonzern waren damals die Kunden in Scharen davongelaufen, weil er eine unbedachte Preispolitik betrieb und die Schmerzschwelle seiner angestammten Strombezieher in Hamburg und Berlin falsch eingeschätzt hatte (070909). Hinzu kamen die peinlichen Pannen in Krümmel und Brunsbüttel (071109). Er war augenscheinlich Deutschlands unbeliebtester Stromanbieter. Mit dem Versuch, diesen Eindruck ins Gegenteil zu verkehren, beschädigte er sein Image aber nur noch mehr (080909). Auf Verlangen der Verbraucherzentrale Berlin mußte er sich verpflichten, das teuer erkaufte Testsiegel "Bester Stromanbieter" nicht mehr ohne die Klarstellung zu verwenden, daß es sich bei dem Preisverleiher um ein kommerzielles Unternehmen handelt.

Ein Sternchen soll vor Verbraucherschützern schützen

RWE will solchen Vorwürfen von Verbraucherschützern wohl vorbeugen, denn in den Jubelanzeigen über die famose Auszeichnung wird der "Deutsche Servicepreis 2013" mit einem Sternchen versehen, das zu einem anderen Sternchen unten am Rand der Anzeige führt. Und da steht dann: "DISQ Deutsches Institut für Service-Qualität GmbH & Co. KG, privatwirtschaftliches Unternehmen."

Ferner unterscheidet sich das "Testsiegel" von einer früher verwendeten Form, die das Landgericht Potsdam mit Urteil vom 6. Mai 2011 untersagt hat. Damals hatte der Bundesverband der Verbraucherzentralen gegen ein Möbelhaus geklagt, das sich aufgrund eines DISQ-Tests als "Bestes Möbelhaus" bezeichnete. Nach Ansicht des Gerichts erweckte das abgebildete Testsiegel den irreführenden Eindruck, das Unternehmen DISQ "sei eine öffentliche oder jedenfalls unter öffentlicher Aufsicht stehende Einrichtung" nach Art der Stiftung Warentest. Zugleich ließ das Gericht erkennen, daß es die von DISQ verwendeten Testmethoden – gelinde gesagt – für fragwürdig hielt.

Einträgliche Kooperation mit "Medienpartnern"


Die DISQ-Partner treten auch selber als "Tester" auf

Nach eigener Darstellung handelt es sich bei DISQ um ein "Marktforschungsinstitut, das im Auftrag von Medien Wettbewerbsanalysen durchführt". Als Auftraggeber für gemeinsame Projekte werden Medien genannt, die man nicht alle in einer solchen Nachbarschaft vermuten würde: Computer-BILD, Focus Money, tv14, Euro, Handelsblatt, Wirtschaftswoche, n-tv und ZDF-WISO.

Das Unternehmen DISQ ist so fruchtbar wie ein Kaninchenstall: Allein im vergangenen Jahr produzierte es insgesamt 77 Meldungen über "Studien", "Servicestudien", "Kundenbefragungen" oder "Tests", die zumindest die jeweils geschäftlich verbundenen "Medienpartner" ihrem Publikum kredenzten.

Bei der Verleihung des "Deutschen Servicepreises 2013" fungierte der Fernsehsender n-tv als Medienpartner. In der "Kategorie Energie" erhielten dabei neben RWE auch "Lekker Energie" und "Lichtblick" einen Platz auf dem dreistufigen Siegertreppchen. Die beiden Zweit- und Drittplazierten scheinen aber eine Werbung mit dem "Testsiegel" nicht für sinnvoll erachtet zu haben. Stattdessen wirbt "Lekker Energie" auf seiner Internet-Seite mit dem Prädikat "Fairster Stromanbieter", das von der Zeitschrift "Focus Money" verliehen wurde. Man darf vermuten, daß der diesbezügliche Test der "26 größten Stromanbieter in Deutschland" ebenfalls von DISQ durchgeführt wurde. Das "Kundenurteil sehr gut", mit dem sich "Lekker Energie" schmückt, bekamen dabei noch sechs weitere Anbieter.

Die Herstellung von allerlei dubiosen Rankings, Preisen und Testergebnissen ist offenbar ein schwungvolles Gewerbe und fester Bestandteil des Reklamegeschäfts geworden. Im Unterschied zum Warentest, der viel Sorgfalt und großen Aufwand erfordert, ist der "Servicetest" eine juristisch schwer angreifbare Momentaufnahme, die sich schon deshalb nicht reproduzieren und überprüfen läßt, weil hier alles im Fluß ist: Die abfragten Dienstleistungen oder Meinungen ebenso wie die wechselnden Kriterien und Erhebungsmethoden. Man braucht deshalb nur das "Design" entsprechend zu gestalten, um dieses oder jenes Ergebnis zu erhalten. Und vergleichsweise billig ist alles auch noch.

Werbung mit Testsiegel setzt Zahlung einer Lizenzgebühr voraus

DISQ-Geschäftsführerin Bianca Möller, die früher eine PR-Agentur leitete, bestätigte auf Anfrage der ENERGIE-CHRONIK, daß die Testsiegel als eingetragene Marke registriert sind und von den damit bedachten Unternehmen nur gegen "Lizenzgebühren" für die eigene Werbung verwendet werden dürfen. Die dafür verlangten Preise hingen von der Nutzung bzw. den Einsatzbereichen des Siegels ab. Sie würden aber allenfalls "im unteren fünfstelligen Bereich" liegen.

Alternativ könnten die Unternehmen ihre Einstufung auf der Rangliste auch "kostenfrei kommunizieren", betonte Möller. "Nicht alle Preisträger des Deutschen Servicepreises 2013 haben diese Lizenzrechte erworben, einige Unternehmen kommunizieren die Auszeichnung ohne Verwendung des Servicepreis-Siegels." Diese Möglichkeit der "kostenfreien Kommunizierung" ist freilich kein großzügiges Zugeständnis von DISQ, sondern eine pure Selbstverständlichkeit, da man niemandem verbieten kann, über ein öffentlich inszeniertes "Testergebnis" zu berichten. Ohne die Verwendung des markenrechtlich geschützten Testsiegels wird dabei aber wahrscheinlich mehr Werbung für DISQ als für den Preisträger herauskommen.

Auf die Frage, ob RWE sowohl an DISQ als auch an den "Medienpartner" gezahlt habe, antwortete Möller ausweichend: "Die Verleihung des Deutschen Servicepreises ist eine Kooperation von DISQ und n-tv. Weder DISQ noch n-tv stellen ihre eingetragenen Logo- und Siegelmarken kostenfrei Unternehmen zur Werbung zur Verfügung. RWE verwendet das Servicepreis-Siegel jedoch ohne das Logo von n-tv."

"Die Testkriterien sind für Außenstehende überprüfbar", versicherte die DISQ-Geschäftsführerin ferner. Als Beleg übersandte sie zwei voluminöse PDF-Dateien. Wer sich die Mühe macht, diese "Dokumentation" zu sichten, findet allerdings nur die alte Erfahrung bestätigt, daß Quantität kein Garant für Qualität ist. Die im Powerpoint-Stil beschrifteten Seiten enthalten zwar viele Ballaststoffe, aber keinen Nährwert, der die normalerweise verlangte "Schutzgebühr" von 350 Euro rechtfertigen könnte. Außerdem hat die übersandte "Studie Stromanbieter 2012" nichts mit dem aktuell verliehenen "Servicepreis 2013" zu tun. So bleibt rätselhaft, weshalb etwa der Testsieger RWE Vertrieb, der beim "Servicepreis 2012" lediglich auf Platz 38 landete, nun plötzlich diesen Riesensprung auf Platz 1 machte. Entweder waren da die Vertriebsleute von RWE ungeheuer flexibel oder die Kriterien, nach denen sie beurteilt wurden...

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