September 2011 |
110904 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die Europäische Kommission will künftig informiert werden und mitreden, wenn EU-Mitgliedsstaaten mit Drittstaaten oder unter sich Abkommen über Energielieferungen treffen. Dies ergibt sich aus einem Strategiepapier, das die Kommission am 7. September vorlegte. Darüber hinaus will sie in bestimmten Fällen die Verhandlungen mit Drittstaaten selber zu führen. Einen ersten Vorstoß in dieser Richtung unternahm sie am 12. September, indem sie ein Mandat zur Aushandlung eines rechtlich bindenden Vertrags mit Aserbaidschan und Turkmenistan über den Bau eines transkaspischen Pipelinesystems annahm. Der Vertrag wird von der EU abgeschlossen, sobald alle 27 Mitgliedstaaten die Kommission ermächtigt haben, die Verhandlungen in ihrem Namen zu führen.
Kommissionspräsident José Manuel Barroso und Energiekommissar Günther Oettinger waren im Januar nach Aserbaidschan und Turkmenistan gereist, um mit den dortigen Regierungen Vorgespräche über Gaslieferungen für die geplante "Nabucco"-Pipeline zu führen. In direkter Konkurrenz zu diesem Projekt betreibt Rußland mit Unterstützung der Energiekonzerne ENI, Wintershall und GDF Suez den Bau der "South-Stream"-Pipeline durchs Schwarze Meer (110309). Am 16. September vollzogen Wintershall und GDF Suez den im Juni vereinbarten Beitritt zum "South-Stream"-Konsortium (100601) auch formell, indem sie im Beisein von Kremlchef Putin im Schwarzmeer-Badeort Sotschi die entsprechenden Verträge mit Gazprom und ENI unterzeichneten.
Unsicherheitsfaktoren sind ferner die Trans Adriatic Pipeline (TAP), die von der schweizerischen EGL und der norwegischen Statoil mit Unterstützung von E.ON geplant wird, sowie das Projekt "Poseidon", das ein italienisch-griechisches Konsortium betreibt (100511). Beide Pipelines führen von Griechenland nach Italien, könnten aber ebenso an "South Stream" wie an "Nabucco" angebunden werden.
Daß bei dieser Sachlage führende westeuropäische Energiekonzerne die von Brüssel favorisierte "Nabucco"-Pipeline gefährden und die EU-Energiepolitik konterkarieren könnten, dürfte ein Hauptgrund dafür sein, daß die Kommission nun zumindest bei Verhandlungen auf Regierungsebene stärker mitreden möchte. Auch Verträge zwischen einzelnen Unternehmen unterlägen künftig der Kontrolle durch Brüssel, wenn sie im Rahmen von Regierungsabkommen zustande komme. Die Kommission unternimmt damit einen weiteren Vorstoß zur Ausweitung ihrer energiepolitischen Kompetenzen, nachdem ihr dies im Bereich der Kernenergie bereits gelungen ist (110304).
"Um angesichts der sich ständig verändernden globalen Energiemärkte die Energieversorgung der EU zu sichern, muss die Politik EU-intern angemessen koordiniert und die Position der EU nach außen energisch vertreten werden", heißt es in der Pressemitteilung der Kommission vom 7. September. Die Kommission schlage deshalb einen verbindlichen Informationsaustausch über zwischenstaatliche Abkommen zwischen Mitgliedstaaten und Drittstaaten im Energiebereich vor. Dadurch werde das bereits für Erdgasabkommen geltende Mitteilungsverfahren auf alle Energieformen ausgeweitet und ergänzt. Notwendig sei außerdem ein Informationsaustausch vor und nach den Verhandlungen mit Drittstaaten.
Das 43 konkrete Maßnahmen umfassende Strategiepapier sieht unter anderem vor: