Januar 2011 |
110108 |
ENERGIE-CHRONIK |
Robert Dudley (links) beim Handschlag mit Rosneft-Präsident Eduard Chudainatow. Der neue BP-Chef hat Rußland-Erfahrung: Erst vor zweieinhalb Jahren mußte er fluchtartig Moskau verlassen, um den Mafia-Methoden seiner Geschäftspartner zu entgehen. Foto BP |
Der angloamerikanische Ölkonzern BP hat mit dem russischen Staatskonzern Rosneft ein strategisches Bündnis vereinbart. Wie BP-Chef Robert Dudley am 14. Januar in London mitteilte, wird BP eine bereits bestehende 1,25-Prozent-Beteiligung an Rosneft (060706) um 9,5 auf 10,8 Prozent erhöhen, während Rosneft dafür fünf Prozent der stimmberechtigten Stammaktien von BP erhält. Der Wert des Aktientauschs wird mit jeweils 7,8 Milliarden Dollar beziffert. Ferner wollen beide Konzerne gemeinsam im russischen Teil der Arktis neue Öl- und Gasvorkommen erschließen. Es handelt sich um ein etwa 125.000 Quadratkilometer großes Gebiet im Nordpolarmeer östlich der Insel Nowaja Semlja (siehe Karte), in dem fünf Milliarden Tonnen Rohöl und 3000 Milliarden Kubikmeter Gas vermutet werden.
Im Nordpolarmeer östlich von Nowaja Semlja werden fünf Milliarden Tonnen Rohöl und 3000 Milliarden Kubikmeter Gas vermutet. Die Exploration ist hier sicher nicht weniger riskant als im Golf von Mexiko. Grafik BP
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Mit dem Bündnis tritt der Ölkonzern BP gewissermaßen die Flucht nach vorn an, nachdem er im April 2010 mit der Bohrinsel "Deepwater Horizon" im Golf von Mexiko eine verheerende Ölpest verursacht hat und deshalb von der US-Regierung auf Schadensersatz in Milliardenhöhe verklagt wurde. Als Verantwortlicher der Ölpest muß er mit Kosten bis zu 40 Milliarden Dollar rechnen. In diesem Zusammenhang gab es Gerüchte, daß BP von Exxon-Mobil oder Shell übernommen werden könnte. Die Allianz mit Rosneft könnte auch dem Zweck dienen, einer solchen feindlichen Übernahme vorzubeugen.
BP-Chef Robert Dudley ist erst seit Oktober 2010 im Amt. Er löste Tony Hayward ab, der wegen der Ölpest im Golf von Mexiko gehen mußte. Zuvor war er Chef des russischen Ölkonzerns TNK-BP, der jeweils zur Hälfte der BP und einem russischen Konsortium gehörte, aber laut Gesellschaftervertrag der unternehmerischen Führung von BP unterstand. Dudley mußte im Juli 2008 fluchtartig Moskau verlassen, nachdem die russischen Gesellschafter mit Unterstützung des Staatsapparats eine Serie von Repressalien einleiteten, um die Führung des Unternehmens zu erlangen (080711). Wenig später beugte sich BP den Mafia-Methoden der Geschäftspartner (080908).
Auch die bisherige 1,25-Prozent-Beteiligung der BP an Rosneft hatte einen zwielichtigen Hintergrund (060706). Zuvor hatte Rosneft nämlich von der Plünderung des Yukos-Vermögens profitiert, dessen Chef Chodorkowskij auf Betreiben des Kreml-Herrschers Putin entmachtet und in einem politisch motivierten Schauprozeß zu jahrelanger Haft verurteilt worden war (041210). Im Juni 2007 wurde der Ölkonzern BP zum ersten Mal selber ein Opfer der in Rußland herrschenden Willkür, indem er unter staatlichem Druck seine Mehrheitsbeteiligung am ostsibirischen Erdgasfeld Kowytka dem Staatskonzern Gazprom überlassen mußte (070611).
Bereits im Oktober 2010 hatte BP dem Staatskonzern Rosneft den Zugang zum europäischen Markt eröffnet, indem er ihn die Hälfte der Anteile an der deutschen Ruhr Oel GmbH erwerben ließ, die rund ein Fünftel der Raffineriekapazitäten in Deutschland kontrolliert. Verkäufer des 50-Prozent-Anteils war das venezolanische Staatsunternehmen Petroléos de Venezuela. BP hätte jedoch ein Vorkaufsrecht gehabt, das nicht ausgeübt wurde. Die Russen revanchierten sich für dieses Entgegenkommen mit der Überlassung von Schürfrechten in der Arktis und geschäftlichen Vorteilen für das Gemeinschaftsunternehmen TNK-BP, an dem BP weiterhin zur Hälfte beteiligt ist, obwohl nun die russischen Gesellschafter das Sagen haben.
Die "Idee eines gemeinsamen Energiekomplexes in Europa", für die Kreml-Chef Putin im November geworben hat (101109), nimmt damit reale Konturen an, die Schlimmes befürchten lassen. Unter anderem für die Umwelt: Im russischen Nordpolarmeer ist die Exploration sicher nicht minder riskant als im Golf von Mexiko, zumal die Vorkommen teilweise unter ewigem Eis liegen. Im russischen Machtbereich braucht BP darauf aber sicher noch weniger Rücksicht zu nehmen als vor der Küste der USA.
Vor allem aus politischen Gründen stößt die neue Allianz zwischen BP und Rosneft in den USA auf Kritik. "Ich glaube, daß es genügend Hinweise darauf gibt, daß diese Transaktion eine inakzeptable Bedrohung für die nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten darstellt", schrieb der demokratische Abgeordnete Edward Markey in einem Brief an US-Finanzminister Timothy Geithner. BP sei schließlich der größte Öl- und Gasproduzent in Amerika, der viertgrößte Raffinergiebetreiber der USA und der wichtigste Treibstofflieferant des US-Militärs. Die wechselseitige Beteiligung der beiden Unternehmen müsse deshalb sofort überprüft werden. Der demokratische Abgeordnete ist einer der führenden Energiepolitiker im Repräsentantenhaus.