Dezember 2010 |
101207 |
ENERGIE-CHRONIK |
Während in Frankreich die Jahreshöchstlast seit 2001 deutlich gestiegen ist, hat sie sich in Deutschland sogar vermindert. Hierzulande bedarf es auch keiner Importe zur Abdeckung von Bedarfsspitzen. Laut "Monitoringbericht 2010" der Bundesnetzagentur ist die verbleibende inländische Kraftwerksleistung zum Zeitpunkt der Jahreshöchstlast - ohne Berücksichtigung von Importen und Exporten - seit 2005 Jahr für Jahr angestiegen und lag 2009 bei 19,8 Gigawatt (GW) gegenüber 6,0 GW im Jahr 2005. (Durch Bewegen des Mauszeigers auf die Balken erscheinen die genauen Höchstwerte). |
Mit dem ersten Kälteeinbruch Anfang Dezember litt Frankreich prompt wieder unter Stromknappheit, weil sieben der 58 Kernkraftwerke wegen notwendiger Wartungsarbeiten nicht am Netz waren und der Stromverbrauch durch die im Lande weit verbreiteten elektrischen Heizungen in die Höhe schoß. Besonders kritisch war die Lage erneut in den beiden Regionen Bretagne und Provence-Alpes-Côte d'Azur, für die der Netzbetreiber RTE besondere Alarmdienste eingerichtet hat (091202). Am 14. Dezember erreichte die seit Jahren ansteigende Jahreshöchstlast mit 96350 Megawatt (MW) erneut einen vorläufigen Rekordwert (siehe Grafik).
Gemeinsam mit der Vereinigung der Bürgermeister (AMF) rief der Netzbetreiber RTE am 1. Dezember zum Stromsparen auf. "Ein Grad Temperaturabfall erhöht den Stromverbrauch um etwa 2300 Megawatt", hieß es in dem Aufruf. Deshalb sei es wichtig, den Stromverbrauch der Gemeinden und ihrer Beschäftigten vor allem zwischen 17 und 20 Uhr zu senken.
Die Electricité de France (EDF) teilte am 1. Dezember mit, daß sie alle verfügbaren Kraftwerke im Einsatz habe, um die Lastspitzen abdecken zu können. Vorsorglich habe man sich ferner den Import von Strom aus dem Ausland gesichert und von vertraglichen Abmachungen mit Großverbrauchern zur Reduzierung des Stromverbrauchs Gebrauch gemacht. "Eine Innentemperatur von ungefähr 19 Grad genügt tagsüber für das Wohlbefinden", appellierte die EDF an ihre Haushaltskunden. Ein Grad weniger bedeute außerdem eine Ersparnis um sieben Prozent bei der Stromrechnung.
Frankreich verfügt über eine große nukleare Kapazität bei der Stromerzeugung, aber über relativ wenig Kraftwerke zur Abdeckung von Mittel- und Spitzenlast. Deshalb werden die Kernkraftwerke stärker als in Deutschland, wo die KKW-Betreiber neuerdings ebenfalls die "Flexibilität" ihrer Anlagen zu entdecken begonnen haben (100312, 100705), herauf- und heruntergefahren, um die Erzeugung dem wechselnden Verbrauch anzupassen. Das hat wiederum zur Folge, daß die Anlagen stärker strapaziert werden und häufiger nicht zur Verfügung stehen, als dies bei reinem Grundlastbetrieb der Fall wäre.
Auch wenn nicht gerade eine Kältewelle hereinbricht, schrumpfen in Frankreich tendenziell die Erzeugungskapazitäten gegenüber dem Verbrauch. Das traditionelle Stromexportland ist deshalb immer häufiger auf Importe angewiesen. Wie aus einem Bericht des Netzbetreibers RTE hervorgeht, importierte das Land Im Oktober 2009 zum ersten Mal seit 27 Jahren in einem Kalendermonat mehr Strom als es exportierte. Insgesamt war 2009 der Exportsaldo an 57 Tagen über 24 Stunden hinweg negativ, gegenüber nur sechs Tagen 2008 und zwanzig 2007. An insgesamt 169 Tagen überwogen zumindest eine Stunde lang die Import-Stromflüsse, während es 2008 nur 43 Tage waren.
Über das ganze Jahr hinweg überwiegen zwar noch immer die Exporte. Der Exportüberschuß, der vor zehn Jahren noch bei etwa 75 Terawattstunden (TWh) lag, betrug 2009 jedoch nur noch 25 TWh. Gegenüber dem Vorjahr war das fast weniger als die Hälfte. Vor allem gegenüber Deutschland ist der Exportsaldo beim Stromhandel stark negativ (siehe Tabelle).
Diese RTE-Angaben beziehen sich durchweg nur auf gehandelte Strommengen, nicht auf die physikalischen Stromflüsse über die Grenzen, die ein gänzlich anderes Bild bieten können. Zum Beispiel flossen 2007 rund 16 TWh von Frankreich über die Grenze nach Deutschland, während es umgekehrter Richtung nur 0,7 TWh waren (080404).
Seit 20. Dezember kann der Netzbetreiber RTE auch von Regelenergie-Angeboten aus der Schweiz Gebrauch machen, um in Frankreich das Gleichgewicht zwischen Nachfrage und Angebot aufrechtzuerhalten. Ein jetzt geschlossener Vertrag mit dem schweizerischen Transportnetzbetreiber Swissgrid (080911) sieht vor, schweizerische und französische Großkraftwerke gemeinsam unter Primärregelung laufen zu lassen. Wie der Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE) am 14. Dezember mitteilte, handelt es sich bei diesem grenzüberschreitenden Vereinbarung um eine "Premiere in Europa". Damit erweitere sich der Markt für primäre Regelenergie in der Schweiz, während Frankreich die Absatzmöglichkeiten seiner Stromproduktion verbessern könne. Den Hintergrund bildet offenbar, daß Schweizer Stromhändler die wichtigsten Kunden der EDF sind (siehe Tabelle) und die EDF als Großaktionär des umsatzstärksten Energiekonzerns Alpiq stark in der Schweiz engagiert ist (090107). Der Netzbetreiber RTE ist die frühere Netzabteilung der EDF, die aufgrund der Entflechtungs-Vorschriften der EU in eine juristisch eigenständige Tochter umgewandelt wurde.
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Exporte in TWh | Importe in TWh | Export-Saldo in TWh | |
Schweiz | 25,6 | 9,2 | + 16,4 |
Italien | 19,3 | 1,2 | + 18,1 |
Großbritannien | 7,6 | 4,3 | + 3,3 |
Deutschland | 7,2 | 19,1 | - 11,9 |
Spanien | 5,3 | 3,8 | + 1,5 |
Belgien | 3,0 | 5,8 | - 2,8 |
insgesamt | 68,0 | 43,4 | + 24,6 |
Quelle: RTE, Le bilan éléctrique francais 2009, Échanges contractuels transfrontaliers en 2009 |