März 2010 |
100304 |
ENERGIE-CHRONIK |
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Die Strompreise für Haushalts-, Gewerbe- und Industriekunden sind binnen drei Jahren um bis zu 23 Prozent gestiegen, obwohl im selben Zeitraum die Netzentgelte sanken und sich die staatlichen Belastungen des Strompreises nicht nennenswert verändert haben. Dies geht aus dem Jahresbericht 2009 hervor, den die Bundesnetzagentur am 23. März vorlegte. Der Anstieg ist praktisch allein auf den Preisbestandteil "Energiebeschaffung und Vertrieb" zurückzuführen (siehe Grafik 1), der neben tatsächlichen Kosten die Gewinnspannen der Stromversorger enthält und den größten Teil des Strompreises ausmacht (siehe Grafik 2).
Schon in ihrem "Monitoringbericht 2008" hatte die Bundesnetzagentur festgestellt, daß die Stromversorger diesen Bestandteil des Strompreises, den sie selbst bestimmen können, binnen eines Jahres um bis zu 24 Prozent hochgeschraubt hatten (080902). Triftige Gründe gibt es dafür nicht, da sich die Kosten der Stromerzeugung kaum verändert haben. Der Strompreisanstieg ist somit eine Folge des noch immer fehlenden Wettbewerbs, der es den Kraftwerksbetreibern erlaubt, ihre Gewinnspannen übertrieben hoch anzusetzen.
Der Jahresbericht der Bundesnetzagentur bestätigt ferner, daß von dem im November einsetzenden Rückgang des Börsen-Strompreises, den die Branche sonst gern als "Referenz" bzw. als Alibi für Preiserhöhungen nimmt, nur die Industrie profitieren konnte, während für Haushalte die Preiskurve weiter nach oben wies (090403). In seinen mündlichen Anmerkungen zum Jahresbericht vor der Presse bezweifelte Behördenchef Matthias Kurth, daß sich der Strompreisanstieg mit einem Anstieg der Stromerzeugungskosten begründen lasse. Verwunderlich sei auch, daß die Preise für Haushaltskunden immer nur nach oben gingen.
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Besonders kräftig langten die Stromversorger bei jener Hälfte (rund 51 Prozent) der Haushaltskunden zu, die noch immer nur einen "Grundversorgungs"-Vertrag haben, statt einen günstigeren Anbieter zu wählen oder sich wenigstens von ihrem Grundversorger ein günstigeres Angebot machen zu lassen. Hier stiegen die Strompreise allein vom 1. April 2008 bis zum 1. April 2009 um 7,3 Prozent. Innerhalb des ganzen Dreijahres-Zeitraums kletterte der Preis von 18,89 auf 23,18 Cent/kWh. Das ist eine Erhöhung um 4,29 Cent/kWh oder 22,7 Prozent.
Vom 1. April 2006 bis zum 1. April 2009 erhöhte sich in der Grundversorgung für einen Haushaltskunden mit einem Jahresverbrauch von 3500 kWh der Preis pro Kilowattstunde um durchschnittlich 4,3 Cent oder 150 Euro im Jahr. Davon entfielen 1,1 Cent/kWh auf Strom- und Mehrwertsteuer, die proportional mit der Stromrechnung zunehmen (wobei die Mehrwertsteuer zusätzlich auf die Stromsteuer erhoben wird). Eine echte Kostenmehrbelastung registrierte die Bundesnetzagentur nur bei den sonstigen staatlich veranlaßten Preisbestandteilen (Konzessionsabgabe, EEG- und KWKG-Umlage). Diese betrug aber lediglich 0,4 Cent/kWh. Im übrigen basierte der Strompreisanstieg allein auf dem Preisbestandteil "Energiebeschaffung und Vertrieb", der sich um 4,2 Cent/kWh erhöhte.
Etwas günstiger kamen Haushaltskunden davon, die vom Grundversorger zu einem konkurrierenden Anbieter gewechselt waren. Hier kletterte der Strompreis in den drei Jahren "nur" um 2,93 Cent/kWh bzw. 15,5 Prozent. Zwischendrin lag mit einem Zuwachs von 18,7 Prozent das Preisniveau für solche Haushalte, die sich vom örtlich zuständigen Grundversorger außerhalb des Grundversorgungs-Tarifs beliefern ließen (siehe Grafik 3).
Da gleichzeitig die Netzentgelte gesunken sind, haben die Stromkonzerne ihre
Gewinnspannen noch deutlich mehr vergrößert als die Endsumme auf der Stromrechnung
vermuten läßt. |
Faktisch langten die Stromversorger noch kräftiger zu, als am Ende den Rechnungen zu entnehmen war, denn im selben Zeitraum sanken die Netzentgelte für die Belieferung von Haushaltskunden um durchschnittlich 1,5 Cent/kWh (siehe Grafik 4). Ohne diesen Rückgang der Netzentgelte wären die Preise für Haushaltskunden in der Grundversorgung um durchschnittlich 5,7 Cent/kWh gestiegen, was bei einem Jahresverbrauch von 3500 kWh eine Zusatzbelastung von 200 Euro ausgemacht hätte.
"Die Netzentgeltregulierung wirkte sich somit deutlich preismindernd auf den Elektrizitätspreis aus", heißt es dazu im Jahresbericht der Bundesnetzagentur. Genauso könnte man aber auch sagen: Im Windschatten der Netzentgeltregulierung haben die Stromerzeuger die Preise noch ein Stück kräftiger erhöht, als nach außen sichtbar wird.
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Die Preiskurve für Gewerbekunden verlief etwas flacher, aber ebenfalls kontinuierlich nach oben: Sie zahlten zum 1. April 2009 rund neun Prozent mehr als vor drei Jahren. Nach einer vergleichsweise moderaten Erhöhung um zwei Prozent blieb hier der Preis sogar zwei Jahre lang stabil, ehe 2009 ein kräftiger Aufschlag um sieben Prozent erfolgte (siehe Grafik).
Diskontinuierlich war dagegen die Entwicklung bei den Industriestrompreisen: Hier gab es 2007 zunächst einen leichten Rückgang um 1,5 Prozent, dem 2008 eine kräftige Erhöhung um 15 Prozent und 2009 wiederum ein Rückgang um 5,4 Prozent folgten. Im Endergebnis aller drei Jahre stieg so der Strompreis um 6,9 Prozent (siehe Grafik 5). Der Rückgang des Jahres 2009 korrespondierte mit dem deutlichen Rückgang der Börsen-Strompreise, während die anderen Kunden-Kategorien davon nicht profitierten und sogar noch kräftiger zur Kasse gebeten wurden. Dies bestätigt die wiederholte Beobachtung, daß die industriellen Großverbraucher noch am ehesten in der Lage sind, ihre spezifischen Kundeninteressen gegenüber den auf pausenloser Gewinnmaximierung bedachten Großstromerzeugern durchzusetzen.