Januar 2008

080115

ENERGIE-CHRONIK


Clement gilt nun auch in der SPD als Lobbyist von RWE

Der frühere SPD-Spitzenpolitiker Wolfgang Clement hat kurz vor den hessischen Landtagswahlen vor der Energiepolitik der SPD-Kandidatin Andrea Ypsilanti gewarnt und kaum verhüllt zur Wahl der CDU aufgerufen. Wer wie Ypsilanti weder Kohle- noch Atomkraftwerke wolle, gefährde die industrielle Substanz Hessens, schrieb Clement in einem Beitrag für die "Welt am Sonntag" (20.1.). SPD-Fraktionschef Peter Struck drohte Clement daraufhin mit einem Parteiausschlußverfahren. Andere SPD-Politiker forderten Clement zum Austritt aus der Partei auf. "Die SPD braucht keine zukunftsorientierten Ratschläge von einem ehemaligen Minister, der sich zum bezahlten Lobbyisten eines Stromkonzerns verkauft hat", sagte der Bundestagsabgeordnete Hermann Scheer, der in Ypsilantis Schattenkabinett als Minister für Wirtschaft und Umwelt vorgesehen war. "Wenn Clement noch einen Rest Charakter hat, sollte er den von ihm schon selbst in Aussicht gestellten Parteiaustritt vollziehen."

Hessische Wähler honorierten Festhalten am Ausstieg aus der Kernenergie

Clements Beistand für die CDU verhinderte indessen nicht, daß diese bei der hessischen Landtagswahl am 27. Januar von 48,8 auf 36,8 Prozent der Stimmen abstürzte, während die SPD von 29,1 auf 36,7 Prozent zulegte und "Die Linke" mit 5,1 Prozent erstmals in den Landtag einzog. Anscheinend haben die Wähler der SPD auch das Festhalten am Ausstieg aus der Kernenergie honoriert. Zusätzlich hatte Hermann Scheer am 3. Januar in Wiesbaden den Entwurf einer Bundesrats-Initiative präsentiert, um die Steuerfreiheit für Rücklagen der Kernkraftwerksbetreiber (071115) zu beseitigen. Die bisher regierende CDU und ihr Ministerpräsident Koch hatten dagegen in populistischer Manier auf das Thema Jugend- und Ausländerkriminalität gesetzt. Die durchaus vorzeigbaren Leistungen des hessischen Wirtschaftsministers Alois Rhiel auf energiepolitischem Gebiet, wie die jüngste Initiative zum Zwangsverkauf von Kraftwerken (080110), spielten im Wahlkampf der CDU keine erkennbare Rolle.

Vor zwei Jahren stellte sich die SPD noch schützend vor Clement

Clement hatte sich bereits als nordrhein-westfälischer Ministerpräsident vehement für Interessen des RWE-Konzerns eingesetzt. So riskierte er sogar den Bruch seiner Regierungskoalition, um Rheinbraun die Erschließung des Braunkohletagebaues Garzweiler II zu ermöglichen (980102). Im zweiten Kabinett Gerhard Schröders übernahm er dann den Posten des Wirtschaftsministers (021001), den bis dahin Werner Müller innehatte (981002). Zusammen mit seinem Staatssekretär Adamowitsch, einem ehemaligen Lobbyisten des VEW-Konzerns, verhinderte Clement so lange wie möglich eine wirksame Regulierung des deutschen Energiemarktes und betrieb eine Politik, die das Oligopol der vier Energiekonzerne festigen half. Nach dem Ende der rot-grünen Regierung ließ er sich in den Aufsichtsrat von RWE-Power wählen (060203), während Schröder in die Dienste der russischen Gazprom trat (051202). Das Verhalten der beiden Politiker wurde schon damals als anstößig empfunden und war Thema einer "Aktuellen Stunde" im Bundestag (051202). Im Unterschied zu heute verwahrten sich damals sämtliche Sprecher der SPD gegen den Vorwurf, Clement sei ein Lobbyist der Energiekonzerne.

RWE sieht Aufsichtsräte "nur ihrem Gewissen verpflichtet"

RWE legt dagegen weiterhin großen Wert darauf, daß Clement auch jetzt, wo er offiziell dem Konzern zu Diensten ist und als Aufsichtsrat 20.000 Euro jährlich bezieht, im strengen Sinne des Wortes nicht als Lobbyist bezeichnet werden kann. In einer Presseerklärung der RWE AG vom 21. Januar hieß es : "Der Aufsichtsrat ist ein gesetzliches Organ zur Kontrolle eines Unternehmens. Seine Mitglieder sind in keiner Weise 'Lobbyisten'. Sie sind nur ihrem Gewissen verpflichtet und unterliegen, anders als Lobbyisten, nicht Weisungen des Unternehmens."

In Hessen betreibt RWE-Power das Kernkraftwerk Biblis mit zwei Druckwasserreaktoren, die jeweils eine Leistung von 2400 MW haben. Die Restlaufzeit von Block A endet voraussichtlich 2010 und die von Block B bis 2014. Wegen falsch montierter Dübel wurden Mitte Oktober beide Blöcke stillgelegt (061006). Block B befindet sich seit 1. Dezember 2007 wieder am Netz.

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