September 2007 |
070908 |
ENERGIE-CHRONIK |
Das Gerücht von einer geplanten Übernahme des RWE-Konzerns durch den französischen Staatsmonopolisten EDF (070503) hat durch einen Bericht der Pariser Wirtschaftszeitung "Les Echos" (17.9.) neue Nahrung erhalten. Demnach ist die Deutsche Bank an EDF mit dem Vorschlag herangetreten, den zweitgrößten deutschen Energiekonzern zu kaufen. Auf französischer Seite sei man auch auf das Angebot eingegangen. Die Deutsche Bank habe das Vorhaben dann allerdings aufgegeben, weil die Kommunen als wichtiger Anteilseigner des RWE-Konzerns nicht mitgezogen hätten.
Der RWE-Konzern gilt spätestens seit dem Verkauf von Thames Water (061010) als mögliches Ziel einer feindlichen Übernahme: Zum einen verfügt er über volle Kassen, aus denen die Erwerber einen guten Teil des Kaufpreises bestreiten könnten. Zum anderen hat die RWE-Aktie einen historischen Höchststand erreicht, der den Verkauf für kommunale Anteilseigner so attraktiv wie noch nie macht.
Beispielsweise begann die Landeshauptstadt Düsseldorf schon Ende 2005 mit dem Verkauf ihrer insgesamt 15,7 Millionen RWE-Aktien (051206). Am 12. September kassierte sie weitere 361 Millionen Euro durch die Ausübung einer Option auf den Verkauf von 5,6 Millionen RWE-Aktien. Als sie die Option vor zwei Jahren mit der WestLB vereinbarte, lag der RWE-Kurs bei 40 Euro und als Kursziel waren 64 Euro vereinbart. Der tatsächliche Kurs lag jetzt bei 78 Euro. Trotz dieser Differenz entschloß sich die Stadtverwaltung zur Ausübung der Option und feierte die damit erreichte "Schuldenfreiheit".
Als Interessent für den RWE-Konzern, dessen Börsenwert derzeit 44 Milliarden Euro beträgt, galt zunächst vor allem die russische Gazprom (061011). Als politisch dirigiertes Unternehmen eines Drittlandes stände der russische Staatsmonopolist allerdings vor kaum überwindbaren Schwierigkeiten, wenn er einen der großen EU-Energiekonzerne übernehmen wollte (070901). Der französische Staatsmonopolist EDF hätte da bessere Chancen.
Ein großer Teil des RWE-Kapitals befindet sich inzwischen in ausländischer Hand, während der Einfluß der Kommunen immer mehr schwindet. Laut RWE-Geschäftsbericht 2006 gehörten 56 Prozent der Aktien institutionellen Anlegern. Davon entfiel der größte Teil auf Investoren in Nordamerika und Großbritannien, die ihren Anteil gegenüber dem Vorjahr von 19 auf 30 Prozent erhöhten. Der Anteil der institutionellen Anleger in Deutschland verringerte sich dagegen von 26 auf 13 Prozent. Die verbleibenden 13 Prozent entfielen hauptsächlich auf Investoren aus Kontinentaleuropa. Ferner wurden noch 28 Prozent des Kapitals von Kommunen gehalten (im Vorjahr 31 Prozent). Der Rest von 16 Prozent entfiel auf "Belegschaftsaktionäre". Mittlerweile soll der kommunale Anteil auf 26 Prozent gesunken sein und damit nur noch knapp über der Sperrminorität von 25,1 Prozent liegen.
Vor diesem Hintergrund übernahm die Evonik AG (070907) Ende September von der WestLB für 253 Millionen Euro 0,6 Prozent der RWE-Aktien. Anscheinend handelte Evonik-Chef Werner Müller dabei in Absprache mit dem neuen RWE-Vorstandsvorsitzenden Großmann (070915) oder sogar auf dessen Wunsch, um die Sperrminorität der öffentlichen Anteilseigner wieder etwas zu stärken und so einen Übernahmeversuch zu verhindern. Evonik will das Aktienpaket angeblich nur bis kommenden März halten und dann weiterverkaufen. Mit dem Argument, die neu erworbenen RWE-Aktien gehörten zum Umlaufvermögen und stellten keine strategische Beteiligung dar, wandte sich Müller auch gegen Kritik aus dem Aufsichtsrat, der laut Satzung eigentlich alle Geschäfte über 25 Millionen Euro erst genehmigen müßte.
Presseberichten zufolge gibt es in Nordrhein-Westfalen Überlegungen, bei der staatlichen NRW-Bank einen Fonds einzurichten, in den finanziell notleidende Kommunen ihre RWE-Aktien einbringen könnten. Sie bekämen so das Geld für ihre Aktien, ohne daß diese frei handelbar würden. Das Projekt ist politisch allerdings umstritten. Die FDP, die in der Landesregierung als Juniorpartner der CDU fungiert, hat bereits Ablehnung bekundet. (SZ, 3.8.; FAZ, 3.8.)
Der E.ON-Konzern trifft ebenfalls Vorkehrungen gegen eine feindliche Übernahme. Der beste Schutz sei sicherlich, daß E.ON mit einem Börsenwert von rund 86 Milliarden Euro das größte Unternehmen in Deutschland sei, sagte der Vorstandsvorsitzende Wulf Bernotat der "Financial Times Deutschland" (23.9.). Anlaß zu konkreter Besorgnis sehe er nicht. Dennoch führe man unternehmensintern ein Programm zum Schutz vor feindlicher Übernahme durch: "Wir erhöhen den Verschuldungsgrad unseres Unternehmens gerade auf ein angemessenes Niveau."