März 2007

070301

ENERGIE-CHRONIK


Geheime Handelsdaten der EEX geben Vorwurf der Preismanipulation neuen Auftrieb

Der Verdacht, die Leipziger Strombörse EEX werde von den marktbeherrschenden Stromkonzernen zur "Preisveredelung" benutzt, erhielt im März neuen Auftrieb. Aus unbekannter Quelle wurden streng geheime Handelsdaten der EEX veröffentlicht, anhand derer sich für die Zeit von März 2005 bis Ende 2006 die hektischen Preissprünge am Spotmarkt (siehe Grafik) rekonstruieren lassen.

Die Affäre begann bereits am 19. Februar mit einer Pressemitteilung der EEX: Unter der Überschrift "Gezielter Angriff auf EEX – Falschinformationen und vermeintliche Börsendaten in Umlauf" berichtete die Börse, sie habe eine E-Mail mit dem Absender eex.transparency@web.de erhalten, deren sonstiger Adressatenkreis ihr nicht bekannt sei. Im Anhang der E-Mail befänden sich eine Excel-Tabelle sowie eine Powerpoint-Präsentation mit dem Titel "Wie der Referenzpreis für den deutschen Strommarkt zustande kommt". In der E-Mail würden "falsche Aussagen zur Transparenzpolitik sowie irreführende Angaben über Handelsgeschäfte gemacht, deren Quelle nicht die EEX ist". Wörtlich hieß es weiter: "Das Unternehmen ist nach erster, kurzer Prüfung der Sachlage der Überzeugung, durch Verbreitung von falschen Informationen mit einem Angriff auf ihre Reputation konfrontiert zu sein. Ein Zugriff von Außen auf die Systeme und Börsendaten der EEX wird ausgeschlossen. Die EEX wird alle rechtlichen Maßnahmen gegen diesen Angriff ergreifen und Strafanzeige gegen Unbekannt stellen."

EEX muß Authentizität der Handelsdaten zugeben

Am 12. März berichteten erstmals auch "Der Spiegel" und andere Medien über die E-Mail. Daraus ergab sich, daß die EEX mit ihrer Pressemitteilung insoweit einen falschen Eindruck erweckt hatte, als die Excel-Tabelle keineswegs bloß "vermeintliche Börsendaten" oder "irreführende Angaben über Handelsgeschäfte" enthielt. Vielmehr listete sie in 65528 Zeilen und acht Spalten exakt alle Handelsgeschäfte auf, welche die mehr als 120 Börsenteilnehmer zwischen dem 1. März 2005 und dem 12. Dezember 2006 getätigt hatten. Geteilter Meinung sein läßt sich allenfalls über die 43 Seiten umfassende Powerpoint-Präsentation, die der unbekannte Absender der Excel-Tabelle als Interpretationshilfe beigefügt hatte. Ob diese Präsentation falsch oder stimmig ist, kann aber nur der exklusive Kreis der E-Mail-Empfänger beurteilen, zu dem anscheinend auch das Bundeskartellamt gehört.

Auf einer eilends anberaumten Pressekonferenz am 13. März in Frankfurt räumte nun auch EEX-Chef Hans-Bernd Menzel ein, daß die Handelsdaten authentisch seien. Er wollte auch nicht ausschließen, daß Anbieter ihre Marktmacht via EEX mißbrauchen können. Er halte einen solchen Mißbrauch aber für sehr unwahrscheinlich.

RWE beruft sich auf "regelkonformes" Verhalten

Aus den Handelsdaten ergibt sich unter anderem, daß RWE das ganze Jahr 2006 über als größter Einzelkäufer an der Strombörse auftrat, obwohl der Konzern neben E.ON der größte Stromerzeuger Deutschlands ist und noch im Jahr davor mehr Strom an der EEX anbot als selber kaufte. In einer Stellungnahme vom 22. März erklärte RWE dazu, die für den Energiehandel zuständige RWE Trading GmbH verkaufe mehr als die Hälfte der Stromproduktion direkt in den längerfristigen Terminmarkt (Börse und Freiverkehr) und den Rest an Endkunden aus Industrie, Gewerbe und an Stadtwerke. Aufgrund dieser langfristigen Absicherungsstrategie habe RWE "keinerlei Nutzen, den Spotpreis hochzutreiben". Im Jahr 2005 habe man weniger Strom am Spotmarkt angeboten und verstärkt am Terminmarkt gekauft, weil die Preise am Terminmarkt "nicht die fundamentale Erwartung auf steigende Strompreise, vor allem im Hinblick auf den Start des CO2-Emissionshandels" widergespiegelt hätten. Im folgenden Jahr habe man die Preise am Terminmarkt, "bezogen auf die fundamentalen Daten", für zu hoch bewertet gehalten. Deshalb habe man nun Strom per Termin verkauft und sich zur Deckung der Lieferverpflichtungen u.a. im Spotmarkt eingedeckt. Die Käufe am Spotmarkt seien zusätzlich durch "ungeplante und langanhaltende Kraftwerksausfälle" erhöht worden. "RWE trickst nicht und täuscht nicht, Manipulation widerspricht vollkommen unserem Verständnis von regelkonformem und fairem Handel", beteuerte der RWE-Vorstandsvorsitzende Harry Roels.

Leiden Strombörsen an einem grundlegenden Konstruktionsfehler?

Die meisten Kritiker der Strombörse EEX bezweifeln freilich gar nicht, daß sich die Börsenteilnehmer "regelkonform" verhalten. Sie verweisen vielmehr darauf, daß es gerade im Rahmen des regelkonformen Verhaltens möglich sei, durch schiere Marktmacht die Börsenpreise in eine Höhen zu treiben, die sie bei funktionierendem Wettbewerb nicht erreichen könnten. Die so erzielten Höchstpreise dienen dann als Richtpreise für den gesamten Strommarkt, obwohl an der EEX tatsächlich nur etwa ein Achtel des gesamten deutschen Strombedarfs gehandelt wird.

Möglicherweise leidet das Konzept der Strombörsen, die es erst seit wenigen Jahren gibt, an einem grundlegenden Konstruktionsfehler, der sie in Verbindung mit der erdrückenden Marktmacht weniger Stromkonzerne zu einem Instrument der "Preisveredelung" macht. Eine Strombörse ist nämlich keine normale Produktenbörse: Zum einen kann die Ware Strom nicht auf Vorrat erzeugt werden, sondern muß im selben Augenblick erzeugt werden muß, in dem sie verbraucht wird. Zum anderen gibt es keine Rückkopplung zwischen dem an der Börse ermittelten Warenpreis und der Nachfrage der Endkunden. Wenn an der Börse der Strompreis steigt, hat das nicht die geringsten Folgen für den tatsächlichen Strombedarf. Die Nachfrage ist nicht nur unabhängig vom aktuellen Preis, sondern läßt sich außerdem gut prognostizieren. Insbesondere gilt das für die vier Stromkonzerne, die zugleich über vier Fünftel der Großstromerzeugung verfügen (siehe Grafik). Als marktbeherrschende Unternehmen im Erzeugungs- wie im Handels- und Vertriebsbereich verfügen sie über die Möglichkeit, durch die Zurückhaltung von Kraftwerkskapazitäten bzw. Verschiebung des Erzeugungsspektrums in den teuren Spitzenlastbereich die "Grenzkosten" in die Höhe zu treiben. Da aber der weitaus größte Teil des Stroms in billigen Grundlast-Kraftwerken (Kernkraft, Braunkohle) erzeugt wird, besorgt so die Börse für die Stromproduktion insgesamt eine "Preisveredelung".

Gutachten untermauern Kritik an der EEX

Daß die Strombörse EEX nicht im Sinne des Wettbewerbs funktioniert, sondern tendenziell eine Verteuerung des Strompreises bewirkt, belegten unlängst zwei Gutachten: Das eine wurde im Auftrag der sächsischen Landesregierung erstellt. Es bescheinigte der EEX zwar die Einhaltung der börsengesetzlichen Vorgaben, sah aber zugleich "erhebliche Transparenzdefizite" im Umfeld der Börse (070106). Das andere Gutachten erstellte Prof. Dr. Christian von Hirschhausen von der TU Dresden im Auftrag des Verbands der industriellen Energie- und Kraftwirtschaft (VIK). Es gelangte zu dem Schluß, daß die EEX-Strompreise deutlich oberhalb des Wettbewerbsniveaus liegen, wie es aufgrund der tatsächlichen Stromerzeugungskosten bzw. der "kurzfristigen Grenzkosten" zu erwarten gewesen wäre (070107).

EU-Kommission sucht nach Beweisen für Preisabsprachen

Die EU-Kommission verfügt ebenfalls über Hinweise, daß die großen Stromkonzerne ihre Marktmacht mißbrauchen. Im Dezember 2006 untersuchte sie zusammen mit Vertretern des Bundeskartellamtes die Geschäftsräume von E.ON, RWE, EnBW und Vattenfall, um konkrete Belege für Preisabsprachen zu finden (061205).

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