August 2006 |
060805 |
ENERGIE-CHRONIK |
Während die meisten Stromversorger weitere Tariferhöhungen zu Beginn des Jahres 2007 beantragt haben, wollen fast alle Bundesländer die ihnen noch bis 1. Juli 2007 zustehende Tarifaufsicht nutzen, um ungerechtfertigte Belastungen der Verbraucher zu verhindern. Die Stromversorger begründen ihre Erhöhungsanträge vor allem mit gestiegenen Stromerzeugungskosten. Indessen vermuten Verbraucherschützer, daß die vier Konzerne sich nunmehr über höhere Stromerzeugungspreise jene Gewinnanteile wieder holen wollen, die ihnen durch die erzwungenen Abstriche an den Netznutzungsentgelten verloren gehen. Da RWE, E.ON, Vattenfall und EnBW über vier Fünftel der Stromerzeugungskapazitäten verfügen, können sie das Preisniveau auch für die zahlreichen Verteiler bestimmen, die tatsächlich keinen Einfluß auf die Großhandelspreise haben. Dasselbe gilt für die Preisentwicklung an der Strombörse EEX. Zusätzlich zu den Strompreisen müssen die Verbraucher ab 1. Januar 2007 die drastische Erhöhung der Mehrwertsteuer von 16 auf 19 Prozent bezahlen.
Die Frist für Anträge auf Tariferhöhungen zum Jahresbeginn 2007 lief in den meisten Bundesländern am 15. August ab. Wie die "Süddeutsche Zeitung" (22.8.) berichtete, wollen in Bayern 181 von 241 und in Nordrhein-Westfalen 107 von 119 Versorgern ihre Tarife erhöhen. In Hessen, wo der amtierende Wirtschaftsminister Rhiel sämtliche Erhöhungsanträge für das laufende Jahr abgelehnt hat (060411), dringen nun 41 von 50 Unternehmen auf eine Anhebung der Tarife um 7 und 20 Prozent. In Niedersachsen, wo 29 von 68 Energieversorgern Erhöhungen beantragt haben, liegt die höchste Forderung sogar bei 22 Prozent.
Nach Angaben des Wirtschaftsministers von Sachsen-Anhalt, Reiner Haselhoff (CDU), wollen die Wirtschaftsminister der Länder im Herbst darüber beraten, wie sie in einer gemeinsamen Aktion gegen ungerechtfertigte Tarifforderungen vorgehen können. Haselhoff ist Sprecher der Wirtschaftsministerkonferenz. "Das jetzt hier relativ zeitgleiche Vorschlagen von Preiserhöhungen zeigt mir, daß da wahrscheinlich eine strategische Allianz gebildet wurde, um die Politik mit einem ganz konkreten Vorschlag zu konfrontieren", erklärte Haselhoff am 21. August gegenüber dem ZDF-Wirtschaftsmagazin "WISO". Wie die nordrhein-westfälische Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU) am 29. August mitteilte, wird die Wirtschaftsministerkonferenz unter anderem die Einbeziehung der kostenlos vergebenen Emissionszertifikate als Kostenfaktor in die Strompreise (060401) prüfen.
"Die Preistreiberei der vier marktbeherrschenden Stromkonzerne ist für Privatverbraucher, Handwerk und Industrie unerträglich geworden. Das Energierecht hat versagt, denn es kann dem Preisauftrieb offensichtlich keinen Einhalt gebieten." Dies erklärten der Vorsitzende des Verbands der Energieverbraucher, Aribert Peters, und der Vorstandsvorsitzende der Norddeutschen Affinerie AG (NA), Werner Marnette, am 23. August in einer gemeinsamen Stellungnahme. Weder Privatverbraucher noch Handwerk oder Industrie könnten mit den in Deutschland willkürlich hochgetriebenen Strompreisen leben. Gewinner des Stompreisdramas seien die vier Stromkonzerne, die ihre Gewinne nochmals deutlich gesteigert und die erzielten Milliardensummen für die Expansion ihres internationalen Geschäfts verwendet hätten.
Marnette hatte bereits im Juni 2005 von einem "Strommarkt mit vier Besatzungszonen"
gesprochen (050603), worauf sich die vier Konzerne massiv
beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) beschwerten und Marnette den Vorsitz
in Energieausschuß des BDI niederlegte (050801).