August 2005

050801

ENERGIE-CHRONIK


Streit im BDI - Marnette tritt nach Kritik an "Strom-Besatzern" zurück

Der Vorstandsvorsitzende der Norddeutschen Affinerie AG (NA), Werner Marnette, hat mit Wirkung vom 26. August den Vorsitz im Energieausschuß des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) niedergelegt. In einem persönlichen Brief an BDI-Präsident Jürgen R. Thumann begründete er seine Entscheidung mit den Pressionen der vier großen deutschen Energiekonzerne E.ON, RWE, Vattenfall und EnBW, nachdem er in einem Zeitungsinterview heftige Kritik an den hohen Strompreisen geübt und das Oligopol der vier Stromkonzerne als "Strommarkt mit vier Besatzungszonen" charakterisiert hatte (050603).

Die vier Konzernchefs Klaus Rauscher (Vattenfall Europe), Harry Roels (RWE), Utz Claassen (EnBW), und Wulf Bernotat (E.ON) hatten sich am 21. Juni in einem Brief an BDI-Präsident Thumann über Marnettes öffentliche Auftritte massiv beschwert. Inbesondere in seinem letzten Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" habe er sich einer Sprache bedient, die für einen Repräsentanten der deutschen Industrie inakzeptabel sei. Der Vergleich der marktbeherrschenden Stromkonzerne mit "Besatzern" sei eine "empörende Verunglimpfung unserer Branche und ihrer Mitarbeiter". Die vier Konzernchefs bezichtigten Marnette einer "beispiellosen Einseitigkeit" und baten den BDI-Präsidenten um ein "klärendes Gespräch".

Marnette will sich künftig freier äußern können

"Die vor allem von den vier Vorstandsvorsitzenden der Energieversorgungsunternehmen geäußerte Erwartung, als Vorsitzender des BDI-Energieausschusses müsste ich mir eine größere Zurückhaltung in der Sache auferlegen, deckt sich weder mit meiner Überzeugung noch mit meinen Absichten", schrieb Marnette in seinem Brief an den BDI-Präsidenten. Um jedoch möglichen Schaden vom BDI abzuwenden, werde er anlässlich der nächsten Sitzung des Energieausschusses den Vorsitz niederlegen, um sich zukünftig freier äußern zu können.

Marnette verwies in seinem Brief darauf, dass sich die anhaltend hohen Strom- und Gaspreise immer mehr zu einer unerträglichen Belastung besonders der energieintensiven Unternehmen entwickelt hätten: "Die verkrustete Marktstruktur ist dafür ebenso verantwortlich wie die verspätete Liberalisierung der Netzzugangsbedingungen durch das Energiewirtschaftsgesetz." Hinzu kämen die hohen Belastungen durch Ökosteuer, Erneuerbare-Energien-Gesetz und Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz. Preistreibend wirke sich auch die Strombörse aus, die nur unbefriedigend funktioniere und zu unakzeptablen Preisen führe.

Er habe durchaus Verständnis dafür, "dass der BDI als industrieller Spitzenverband auch die Interessen eines Teils der Energiewirtschaft vertritt", schrieb Marnette weiter. Das Energiepreisniveau und die Praxis der Energiewirtschaft im Umgang mit ihren Kunden hätten jedoch eine neue Qualität erreicht, die offen angesprochen werden müsse. In den letzten Wochen sei er deshalb zunehmend persönlicher Kritik und öffentlicher Anfeindungen ausgesetzt gewesen. Es handele sich dabei um den Versuch, durch Personalisierung von der Sache abzulenken, indem man ihn "öffentlich zur Zielscheibe von Kritik" mache. Er werde sich aber auch in Zukunft für die schnelle und wirkungsvolle Entlastung der rohstoffverarbeitenden Industrie in der Bundesrepublik einsetzen.

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