Juni 2005

050603

ENERGIE-CHRONIK


Marnette spricht von "Strommarkt mit vier Besatzungszonen"

Der Chef der Norddeutschen Affinerie, Werner Marnette, hat das Oligopol von E.ON, RWE, Vattenfall und EnBW auf dem deutschen Strommarkt erneut scharf kritisiert und für die hohen Strompreise verantwortlich gemacht. In einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" (17.6.) äußerte er die Befürchtung, daß nach der Aluminiumindustrie (050602) weitere Unternehmen vor den hohen Energiekosten kapitulieren werden. Wörtlich sagte er unter anderem:

"Was wir jetzt haben, ist noch schlimmer als ein Monopol: In Deutschland hat sich - und zwar mit Duldung der Politik - auf dem Strommarkt ein Oligopol gebildet. Deutschland ist jetzt quasi aufgeteilt in vier Besatzungszonen: Die Konzerne E.ON, RWE, Vattenfall und EnBW beherrschen 90 Prozent des Marktes, und zwar bis tief hinein in die kommunalen Strukturen. Zwischen den Besatzungszonen findet kein Wettbewerb statt. Früher haben sich die Monopolisten noch um große Kunden bemüht. Heute müssen wir als Großkunden die Erzeuger bitten, uns ein Angebot zu machen. Und dann stellen wir fest, daß das Angebot ganz zufällig identisch ist mit dem, was unser lokaler Besatzer auch fordert."

"Engpässe verteuern Strombezug aus dem Ausland"

Die Nutzung von billigeren Angeboten ausländischer Stromanbieter scheitere an der beschränkten Übertragungskapazität der Kuppelstellen mit den ausländischen Netzen. Diese Engpässe würden von den vier deutschen Transportnetzbetreibern nicht beseitigt. "Wir könnten zum Beispiel in Polen relativ günstig Strom kaufen. An der Landesgrenze müssen wir aber durch eine Auktion. Weil die Kuppelstellen so knapp sind, treibt das den Preis, und schon liegt er wieder auf deutschem Niveau."

Electrabel und NA planen Bau eigener Kraftwerke

Sein eigenes Unternehmen, die Norddeutsche Affinerie (NA), beziehe ihren Strom seit Anfang 2004 von der belgischen Electrabel (040516). Aber auch hier liege der Strompreis "nur hauchdünn" unter dem deutschen Hochpreisniveau. Electrabel beabsichtige deshalb seit längerem die Errichtung eines verbrauchsnahen Kraftwerks mit einer Leistung von 600 bis 700 MW, doch sei es extrem schwierig, in der Nähe der Norddeutschen Affinerie im Hamburger Hafen ein geeignetes Gelände zu finden. Auch könne dieses Kraftwerk frühestens 2011/12 in Betrieb gehen. Die NA plane deshalb parallel zum Electrabel-Projekt den Bau eines kleineren Kraftwerks mit 100 MW auf ihrem eigenen Gelände, das bereits 2008 in Betrieb gehen könnte.

"An der EEX wird der Strom preislich hoch veredelt"

"Die Liberalisierung der Stromwirtschaft ist völlig fehlgeschlagen", resümierte Marnette. Zum einen habe die Politik den Strompreis mit Belastungen wie der Ökosteuer und dem EEG hochgetrieben. Einen weiteren Preisschub bewirke der Emissionshandel. Zum anderen sei aber das herrschende Oligopol an den Strompreissteigerungen und am fehlenden Wettbewerb schuld. Die Netznutzungsentgelte seien "um den Faktor zwei überhöht". Die Leipziger Strombörse werde von den vier Großstromerzeugern dominiert: "Sie verkaufen an der Börse den Strom und lassen ihn preislich hoch veredeln." So koste die Megawattstunde an der Börse derzeit knapp unter 40 Euro, obwohl die Produktionskosten im Mittel lediglich bei 22 Euro lägen.

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