September 2003 |
030910 |
ENERGIE-CHRONIK |
Das Bundeswirtschaftsministerium unter Leitung von Wolfgang Clement (SPD) hat nunmehr offiziell bekanntgegeben, daß es die Regulierungsaufgaben für den Strom- und Gasbereich der bereits bestehenden Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post übertragen möchte. Eine entsprechende Absichtserklärung enthält der "Monitoring-Bericht" über die energiewirtschaftlichen und wettbewerblichen Auswirkungen der Verbändevereinbarungen, den das Ministerium am 1. September dem Bundestag vorlegte. Zur Begründung wird lediglich der "enge Zeitrahmen" zur Umsetzung der neuen EU-Richtlinien angeführt. Auf die ebenso naheliegende Lösung, diese Aufgabe dem Bundeskartellamt zu übertragen, wird mit keinem Wort eingegangen (siehe auch 030811).
Die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post werde rund 120 neue Mitarbeiter einstellen müssen, um die ihr von Bundeswirtschaftsminister Clement zugedachte neue Aufgabe erfüllen zu können. Dies sagte Annegret Groebel, Stabsleiterin in der Bonner Behörde, auf einer Energiekonferenz in Düsseldorf (VWD, 23.9.)
Der Monitoring-Bericht soll als Grundlage für die künftige staatliche Regulierung der Strom- und Gasnetze dienen, die gemäß den neuesten EU-Richtlinien (030704) bis zum 1. Juli 2004 verwirklicht sein muß. Mit der Vorlage des Berichts erfüllt das Ministerium eine Verpflichtung aus Art. 4, § 3 des Anfang 2003 novellierten Energiewirtschaftsgesetzes (030201). Zugleich kommt es einer älteren Bestimmung aus Art. 1, § 8 des Gesetzes nach, wonach es im Laufe des Jahres 2003 über die Erfahrungen mit der seit 1998 geltenden sogenannten Netzzugangsalternative (Alleinabnehmersystem) zu berichten hat.
Nach Meinung des Ministeriums hat sich das bisherige System des verhandelten Netzzugangs auf der Grundlage freiwilliger Verbändevereinbarungen zwischen den Marktakteuren im Strombereich als "flexibles Instrument zur Entwicklung funktionsfähiger Netzzugangsbedingungen erwiesen". Alle Bestandteile der geltenden Verbändevereinbarung, die dem Ziel eines effizienten Wettbewerbs dienen, sollen deshalb auch wesentliche Elemente des künftigen Regulierungssystems werden. Allerdings weise das bisherige Vergleichsmarktkonzept (020902) Mängel auf und müsse verbessert werden. Ferner müßten netztechnische Standards entwickelt werden, die den Zielen der Versorgungssicherheit und der Netzeffizienz gleichermaßen Rechnung tragen. Die Märkte für Regelenergie bräuchten mehr Transparenz und Liquidität.
Die geltende Verbändevereinbarung Gas (020406) eigne sich dagegen nicht für die Übernahme in den künftigen Ordnungsrahmen, weil sie keinen wirksamen Wettbewerb ermögliche, sondern zu hohen Transportkosten und zur Marktzersplitterung führe. Nachdem die Verhandlungen über eine dritte Verbändevereinbarung Gas abgebrochen worden seien (030402), müsse deshalb der Gesetzgeber die Grundelemente eines Netzzugangssystems selbst definieren. Ein wirksamer Wettbewerb würde insbesondere durch netzübergreifende gaswirtschaftliche Regelzonen ermöglicht.
Im Abschnitt über die Netzzugangsalternative nach Art. 1, § 7 des Gesetzes zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts (EnWG) wird festgestellt, daß das Alleinabnehmersystem in Deutschland nie die Bedeutung erlangt habe, die ihr zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes (980401) beigemessen wurde. Insgesamt seien von den Ländern etwa 100 Bewilligungen nach Paragraph 7 erteilt worden. Der regionale Schwerpunkt habe dabei im Westen des Landes in Rheinland-Pfalz (57) und Nordrhein-Westfalen (24) gelegen. In anderen Bundesländern seien keine derartigen Bewilligungen erteilt worden. Nach Erhebungen des Verbands der Netzbetreiber (VDN) gab es im Sommer 2003 noch insgesamt 46 Netzbetreiber (von insgesamt 933), die das Alleinabnehmersystem praktizierten. Die neue EU-Stromrichtlinie sieht keine Fortführung des Alleinabnehmersystems vor, das einst von Frankreich gegen heftigen Widerstand erkämpft wurde (950308, 951201, 960601). Es wird deshalb mit der anstehenden Novellierung des EnWG vollends verschwinden.
Der 58 Seiten umfassende Bericht bestätigt unter anderem, daß die vier größten deutschen Stromkonzerne neben dem Stromtransportnetz rund 80 Prozent der inländischen Stromerzeugung und der Stromerzeugungskapazitäten besitzen:
Unternehmen | Anteil an der inländischen Stromerzeugung 2001 | Anteil an der inländischen Kraftwerkskapazität 2001 |
RWE | 32 % | 27 % |
E.ON | 30 % | 34 % |
Vattenfall | 12 % | 11 % |
EnBW | 7 % | 7 % |
Gesamt | 81 % | 79 % |
In der Gaswirtschaft werde die importierende Ferngasstufe
im wesentlichen von fünf Unternehmen beherrscht. Die Netze von Ruhrgas,
BEB, VNG und Thyssengas deckten sich dabei - trotz einiger Überschneidungen
vor allem zwischen Ruhrgas und Thyssengas - weitgehend mit dem ehemaligen
Demarkationsgebieten. Das Netz der Wingas,
mit dessen Bau erst Anfang der neunziger Jahre begonnen wurde, verlaufe
dagegen teilweise parallel zu den Netzen der vier Konkurrenten. Außerdem
gebe es etwa 30 regionale Gasversorger und rund 700 lokale Endverteiler.