Mai 2003

030503

ENERGIE-CHRONIK


"Geothermie könnte die Hälfte des deutschen Strombedarfs decken"

Die Geothermie ist auch in Deutschland eine ernst zu nehmende Option für die Strom- und Wärmeversorgung. Zu diesem Schluß gelangt eine Studie des Büros für Technikfolgenabschätzung (TAB) des Bundestags, die am 7. Mai vom Forschungsausschuß des Parlaments angenommen wurde. Die Verfasser der Studie beziffern das technische Gesamtpotential der Erdwärme in Deutschland auf 300.000 Terawattstunden, was etwa dem 600fachen Jahresstrombedarf entspreche. Davon seien unter Nachhaltigkeitsaspekten jährlich etwa 300 Terawattstunden sinnvoll nutzbar, was etwa der Hälfte der gegenwärtigen Bruttostromerzeugung entspreche.

Teurer als die meisten anderen erneuerbaren Energiequellen

Allerdings sei die Stromerzeugung mittels Geothermie weit teurer als bei Steinkohle- und Gaskraftwerken (siehe Grafik). Die Kosten lägen auch deutlich höher als bei den regenerativen Energien Windkraft, Wasserkraft oder Biomasse. Nur die Photovoltaik sei noch erheblich teurer. Eine wirtschaftliche geothermische Stromerzeugung könne deshalb voraussichtlich nur mit Kraft-Wärme-Kopplung erreicht werden. Unter der Annahme, daß die bestehende Fernwärmeversorgung voll auf Erdwärme umgestellt würde, ergäbe dies eine gekoppelte geothermische Stromerzeugung von rund zehn Terawattstunden jährlich bzw. einen Beitrag von rund zwei Prozent zur jährlichen Bruttostromerzeugung.

Externe Kosten nicht berücksichtigt

Die Studie hält es für möglich, daß sich die geothermischen Stromerzeugungskosten durch günstigere Rahmenbedingungen für die Nutzung der Erwärme, als sie in der Studie angenommen wurden, sowie durch technische Fortschritte noch ermäßigen könnten. Außerdem seien in dieser Rechnung die externen Kosten der Stromerzeugung nicht berücksichtigt, die bei den fossilen Energieträgern beträchtlich höher seien als bei Geothermie und anderen erneuerbaren Energien.

Um die Geothermie in Deutschland energiewirtschaftlich relevant werden zu lassen, sei verstärkte staatliche Unterstützung erforderlich. Die Einspeisevergütung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) für Strom aus geothermischer Energie sollten mindestens auf dem gegenwärtigen Stand gehalten werden.

In Deutschland wird Geothermie bisher nur für Heizzwecke genutzt

Nach Paragraph 6 EEG wird Strom aus geothermischen Kraftwerken mit einer Leistung bis 20 MW mit 17,5 Pf/kWh vergütet, bei Leistungen darüber mit 14,0 Pf/kWh. Bisher gibt es in Deutschland allerdings kein einziges geothermisches Kraftwerk (020703). Auch die Nutzung der Erdwärme für Heizzwecke steckt noch in den Anfängen. Es gibt bisher lediglich dreißig größere Anlagen mit geothermischen Leistungen zwischen 100 kW und 9 MW. Die beiden größten Anlagen wurden im Jahr 2000 in Erding (9 MW geothermisch, 18 MW mit Spitzenlastkessel) und im Jahr 2001 in Simbach am Inn (6 bis 7 MW geothermisch, 20 MW mit Spitzenlastkessel) in Betrieb genommen.

Erdwärme-Kraftwerk mit ORC-Technik startet im Herbst

Eines der erfolgreichsten Projekte befindet sich in Neustadt-Glewe (Mecklenburg-Vorpommern), wo bereits zu DDR-Zeiten die Nutzung der Erdwärme geplant wurde. Nach anfänglichen Schwierigkeiten (920319) nahm dort 1994 ein Geothermie-Heizwerk den Betrieb auf, das mit 98 Grad heißem Wasser aus einer Tiefe von 2200 Metern rund neunzig Prozent des Fernwärmebedarfs der Kleinstadt deckt. Diese bestehende Anlage soll bis Herbst 2003 durch ein ORC-Kraftwerk zur Stromerzeugung erweitert werden. Das Wasser gibt dabei seine Wärme zunächst an einen Sekundärkreislauf ab, der eine Dampfturbine treibt. Wegen der relativ niedrigen Temperatur des Thermalwassers wird für den Sekundärkreislauf anstelle von Wasser eine organische Substanz verwendet, die bereits bei dreißig Grad siedet. Solche ORC-Anlagen ("Organic Rankine Cycle") weisen typische Leistungen von 0,5 bis 1,5 MW auf und werden seit über 15 Jahren beispielsweise für Biomasse-Kraftwerke eingesetzt. Die Anlage in Neustadt-Glewe soll bei einem Wirkungsgrad von etwa sechs Prozent eine Leistung von 135 Kilowatt erbringen (teilweise ist in den Berichten auch von 200 kW die Rede).

Vattenfall-Konzern auch im Oberrheingraben engagiert

An dem Geothermie-Heizwerk sind die Stadt Neustadt-Glewe mit 47 Prozent und der Regionalversorger Wemag mit 40 Prozent beteiligt. Die Betriebsführung liegt bei der Wemag. Das neue Unternehmen zur geothermischen Stromerzeugung ist eine 51-prozentige Tochter der Bewag, die wie die Wemag zum Vattenfall-Konzern gehört. Die restlichen Anteile halten zu jeweils 24,5 Prozent die Wemag und die in Landau ansässige LanGeo Gesellschaft zur Nutzung von Geothermie GmbH. Die LanGeo ist eine seit Mai 2001 bestehende Tochter der EnergieSüdwest AG, die ihrerseits 1999 von der Bewag (51 Prozent) und der Stadt Landau (49 Prozent) als Gemeinschaftsunternehmen gegründet wurde (990511). Die EnergieSüdwest AG gründete ferner im vorigen Jahr mit den Pfalzwerken, die zum Beteiligungsbereich des RWE-Konzerns gehören, eine gemeinsame Gesellschaft für Planung, Bau, Betrieb und Finanzierung von geothermischen Kraftwerken (020811).

Pilotprojekt in Unterhaching zur Erprobung der Kalina-Technik

Das Bundesumweltministerium fördert den Bau und Betrieb eines Erdwärme-Kraftwerks im bayerischen Unterhaching mit rund 4,8 Millionen Euro. Wie das Ministerium am 16. Mai mitteilte, soll mit dem Pilotprojekt die sogenannte Kalina-Technologie im großen Maßstab erprobt werden. Das KWK-Kraftwerk werde eine elektrische Leistung von 3,1 MW haben und zugleich die Gemeinde Unterhaching mit bis zu 16 MW Fernwärme versorgen.

Am vorgesehenen Standort in Unterhaching wird mit einer Temperatur von 115 bis 120 °C und einer Ergiebigkeit von 150 Liter pro Sekunde gerechnet. Die Bohrung soll bis zu einer Tiefe von ca. 3100 Meter reichen und eine nutzbare geothermischeLeistung von ca. 50 MW erbringen. Die dadurch mögliche Druck-Heiß-Thermalwasseranlage wird über eine Produktions- und Reinjektionsbohrung als geschlossenes System erstellt. Der Abstand beider Bohrungen beträgt mindestens 2,5 km.

Beim Kalina-Prozeß, der nach dem russischen Ingenieur Alex Kalina benannt ist, wird die Wärme des aus der Tiefe geförderten Wassers wie beim ORC-Prozeß an einen zweiten Kreislauf übertragen, der über ein niedrig siedendes Medium eine Dampfturbine treibt. Die Wärmeübertragung erfolgt jedoch auf ein Zwei-Stoff-Gemisch aus Ammoniak und Wasser. Dadurch lässt sich die Wärmeübertragung bei der Verdampfung und Kondensation des Arbeitsmittels verbessern und der Wirkungsgrad gegenüber dem ORC-Prozeß erhöhen.

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