Oktober 2002 |
021003 |
ENERGIE-CHRONIK |
Wie der E.ON-Konzern am 21. Oktober mitteilte, übernimmt seine Tochter Powergen das Vertriebsgeschäft von TXU Europe in Großbritannien sowie drei Kohlekraftwerke. Es handelt sich um die britischen Regionalversorger Eastern Electricity und Norweb (020602) mit rund 5,5 Millionen Strom- und Gaskunden. Das Handelsgeschäft und die Strombezugsverträge von TXU sind nicht Gegenstand des Kaufvertrags. Die Transaktion bedarf noch der kartellrechtlichen Genehmigung der EU-Kommission, die aber dem sofortigen Vollzug bereits zugestimmt hat.
Powergen kann dadurch die Zahl seiner Stromkunden von bisher 2,4 auf sechs Millionen erhöhen. Mit einem Marktanteil von 22 Prozent wird das Unternehmen größter Stromversorger des Landes vor RWE/Innogy mit 5,3 Millionen Kunden. Unter den britischen Kraftwerksbetreibern rangiert E.ON/Powergen jetzt an zweiter oder dritter Stelle. Im Gasgeschäft bleibt Centrica mit "British Gas" Marktführer.
Der offiziell genannte Kaufpreis beträgt 2,14 Milliarden Euro. Presseberichten zufolge erhöht sich diese Summe noch um Verbindlichkeiten von 390 Millionen Euro sowie ein Defizit beim betrieblichen Pensionsfonds. Nach Berechnungen der "Financial Times Deutschland" (23.10.) bezahlt E.ON für die Neuerwerbung insgesamt etwa das zwölffache des EBITDA (Earnings Before Interest, Taxes, Depreciation and Amortization), der das operative Ergebnis eines Unternehmens vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen zum Ausdruck bringt. Der hohe Kaufpreis ist auch kaum damit zu erklären, daß neben E.ON andere Bewerber wie RWE/Innogy ihr Interesse bekundet hatten. So soll "Scottish Power" lediglich 1,2 Milliarden Euro für TXU geboten haben.
E.ON hat am 1. Juli 2002 das Übernahmeverfahren
für Powergen (010402, 011110)
abgeschlossen und ist seitdem alleiniger Eigentümer des britischen
Energieunternehmens mit seiner US-Tochter LG&E Energy. Allerdings meldete
die neuerworbene Tochter einen Gewinnrückgang. Wegen der Strukturprobleme
auf dem britischen Strommarkt wollte sie außerdem Kraftwerke mit
einer Gesamtleistung von 1,8 Gigawatt vom Netz nehmen (021004).
Analysten rechnen deshalb mit deutlichen Belastungen für die E.ON-Bilanz.
Infolge der Übernahme des Vertriebsgeschäfts von TXU könnten
sich die Absatzmöglichkeiten für den unternehmenseigenen Kraftwerkspark
verbessern. Powergen hat jedenfalls die Stillegungen vorerst verschoben.
Die drei Kohlekraftwerke, die Powergen von TXU übernimmt, verfügen
über eine Gesamtleistung von 2,9 Gigawatt.
Am 14. Oktober hatte der amerikanische Energiekonzern TXU bekanntgegeben, daß er sein Europageschäft ganz oder teilweise verkaufen wolle. In Deutschland gehören dazu Beteiligungen an den Stadtwerken Braunschweig (020506) und Kiel (000708) inklusive der Stromvertriebstochter ares-enegie-direkt (010504). Den Spekulationen über das weitere Schicksal dieser deutschen TXU-Unternehmen versuchte TXU Europe am 18. Oktober mit einer Pressemitteilung entgegenzutreten. Darin hieß es, daß die deutschen Firmen "kerngesund" seien und ihre Geschäfte weiterführen würden - "trotz der Herausforderungen, denen sich das Unternehmen derzeit in England zu stellen hat". Der Verkauf einzelner oder sämtlicher Beteiligungen in Europa sei nur eine von zwei Optionen, falls sich anderweitige Maßnahmen zur Behebung der Schwierigkeiten in England nicht verwirklichen ließen.
TXU hatte in den letzten Jahren in Europa stark expandiert und dabei enorme Schulden angehäuft. In Deutschland hatte sich der US-Konzern unter anderem auch um den Einstieg bei den Bremer Stadtwerken (000606) und bei der Energie Baden-Württemberg (990908) bemüht.Inzwischen hat eine Ratingagentur die Anleihen von TXU Europe auf Junk-Bond-Status herabgestuft. Der Aktienkurs der US-Mutter sank darauf um mehr als 30 Prozent. Um die Schulden abzubauen und das Vertrauen der Investoren zurückzugewinnen, ordnete der Vorstand Streichungen in allen Bereichen an und kürzte die Quartalsdividende um 80 Prozent. Vor allem im Europageschäft sollen die Ausgaben auf "minimalem Niveau" gehalten werden. (Handelsblatt, 15.10.)
Der TXU-Konzern scheint sich in ähnlicher Weise übernommen zu haben wie sein Konkurrent Mirant, mit dem er auf der Liste der weltweit größten Stromversorger an achter bzw. siebter Stelle stand (010402). Mirant war schon Ende 2001 auf Junk-Bond-Status herabgestuft worden und hatte daraufhin seine 44,8-Prozent-Beteiligung an der Berliner Bewag an Vattenfall verkauft (020501).