März 2002

020301

ENERGIE-CHRONIK


EU will Energiemärkte vorerst nur für Industrie öffnen

Wie schon beim vorangegangenen EU-Gipfel in Stockholm (010301) hat Frankreich auch beim jüngsten Treffen der Staats- und Regierungschef am 15. und 16. März in Barcelona eine vollständige Öffnung der Energiemärkte blockiert. Der Gipfel beschränkte sich darauf, den Markt für Strom und Gas ab 2004 für alle gewerblichen Kunden in Europa freizugeben. Die EU-Kommission hatte demgegenüber im März 2001 die völlige Liberalisierung bis 2005 vorgeschlagen. Demnach hätten alle Unternehmen ab 2003 den Stromversorger und ab 2004 den Erdgasversorger frei wählen können. Ab 2005 hätten alle Verbraucher ausnahmslos die Möglichkeit der freien Wahl des Elektrizitäts- und Gasversorgers gehabt.

Die jetzige Vereinbarung läßt offen, ob und wann der Energiemarkt auch für Haushaltskunden europaweit liberalisiert wird. Der Europäische Rat will sich mit dieser Frage bei seiner Frühjahrstagung 2003 erneut befassen und dabei konkretisieren, wieweit er der von Frankreich vorgebrachte Gedanke des "service public" (010613, 020111) gelten lassen will.

Das Europäische Parlament forderte auf seiner Sitzung am 13. März 2002 in Straßburg ebenfalls eine beschleunigte Marktöffnung bis spätestens 2005 für alle Kunden.

Die Energie-Beschlüsse von Barcelona im Wortlaut

Das offizielle Textdokument über die Ergebnisse des Gipfels von Barcelona , soweit es um den Abschnitt "Integration der europäischen Energie-, Verkehrs- und Kommunikationsnetze" geht, lautet in deutscher Fassung folgendermaßen:

"36. Leistungsstarke, integrierter Energie- und Verkehrsnetze sind die Grundpfeiler des europäischen Binnenmarkts. Eine weitere Marktöffnung, eine angemessene Regulierung, eine bessere Nutzung der bestehenden Netze und die Herstellung fehlender Verbindungen werden die Effizienz und den Wettbewerb erhöhen und für ein angemessenes Qualitätsniveau, weniger Engpässe und somit für stärkere Nachhaltigkeit sorgen.

37. Was den Energiesektor betrifft, so

begrüßt der Europäische Rat den ersten Bericht der Kommission über die in Stockholm vereinbarte effektive Öffnung des Erdgas- und des Elektrizitätsbinnenmarktes; er ersucht die Kommission, diesen Bericht jährlich vor jeder Frühjahrstagung des Europäischen Rates zu aktualisieren, damit der tatsächliche Fortschritt bewertet werden kann;

ruft der Europäische Rat den Rat und das Europäische Parlament dazu auf, so früh wie möglich noch in diesem Jahr die bereits vorliegenden Vorschläge für die letzte Phase der Öffnung des Elektrizitäts- und des Erdgasmarktes anzunehmen; hierzu gehören:

fordert der Europäische Rat den Rat auf, so früh wie möglich noch in diesem Jahr eine Einigung über ein Tariffestsetzungssystem für den grenzüberschreitenden Stromhandel einschließlich des Engpaßmanagements zu erzielen, das auf den Grundsätzen der Nichtdiskriminierung, der Transparenz und der Einfachheit beruht;

legt der Europäische Rat für die Mitgliedstaaten einen Zielwert für deren Elektrizitätsverbund in Höhe von mindestens 10 % ihrer installierten Produktionskapazität bis 2005 fest; der Finanzierungsbedarf sollte hauptsächlich von den betroffenen Unternehmen gedeckt werden;

ruft der Europäische Rat dazu auf, bis Dezember 2002 die überarbeitete Fassung der Leitlinien und entsprechenden Finanzvorschriften für die transeuropäischen Energienetze anzunehmen, und nimmt die Absicht der Kommission zur Kenntnis, ihm für seine nächste Tagung in Sevilla den Bericht über die Versorgungssicherheit vorzulegen, der auf den Ergebnissen der Debatte beruht, die durch das Grünbuch der Kommission über Energieversorgungssicherheit ausgelöst worden ist;

ersucht der Europäische Rat die Kommission und den Rat, auf seiner Frühjahrstagung im Jahr 2006 die Gesamtleistung des europäischen Elektrizitätsbinnenmarktes, insbesondere den Grad der Umsetzung des Rechtsrahmens und dessen Auswirkungen auf den Verbraucherschutz, die Infrastrukturinvestitionen, die wirksame Integration der Märkte und Verbundnetze, den Wettbewerb sowie die Umwelt, zu analysieren."