(Aus: Udo Leuschner, „Kurzschluß
- wie unsere Stromversorgung teurer und schlechter wurde“, S. 144 - 151) |
Bis in die neunziger Jahre wehrte sich die Stromwirtschaft hartnäckig gegen die Vorschläge der Deregulierungskommission und warnte vor nachteiligen Folgen für die Versorgungssicherheit – hier in einer Ausgabe der von der „Informationszentrale der Elektrizitätswirtschaft“ (IZE) herausgegebenen Reihe StromDISKUSSION. |
Geschlossene Versorgungsgebiete seien weiterhin erforderlich, „weil ein Wettbewerb mehrerer Stromversorgungsunternehmen um dieselben Kunden die Sicherheit und Preisgünstigkeit der Versorgung für die große Mehrheit der Verbraucher verschlechtern würde“. So hieß es in den „Leitsätzen der Elektrizitätswirtschaft zur Energiepolitik der achtziger Jahre“, die der VDEW – die Abkürzung stand damals noch für „Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke“ – 1981 veröffentlichte. Und in einer 1988 erschienenen Broschüre bekräftigte der Branchenverband, geschlossene Versorgungsgebiete seien schon aus technischen Gründen absolut notwendig: „Hiervon abweichende wettbewerbstheoretische Denkansätze können die physikalischen und technischen Gesetzmäßigkeiten nicht beseitigen.“
Die Branche kämpfte damals noch geschlossen gegen die Pläne zur Deregulierung der Stromwirtschaft, die bereits mehr als „wettbewerbstheoretische Denkansätze“ zu werden drohten. Denn 1987 hatte die Bundesregierung aus Union und FDP eine unabhängige Expertenkommission unter Leitung des Kieler Wirtschaftswissenschaftlers Prof. Jürgen Donges eingesetzt, die Möglichkeiten zum „Abbau marktwidriger Regulierungen“ untersuchen sollte. Zu den Wirtschaftszweigen, denen die Kommission einen umfangreichen Fragenkatalog vorlegte, gehörte auch die Elektrizitätswirtschaft.
Eines der Hauptargumente, welche die „Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke“ im Mai 1989 dem Fragenkatalog der Deregulierungskommission entgegenhielt, waren wiederum die „technisch-physikalisch bestimmten Schranken“ der Stromversorgung, die nur in der gegenwärtigen Form die Versorgungssicherheit gewährleisten könnten:
„Elektrizität kann nicht gespeichert werden. Das bedeutet: Stromerzeugung und Stromnachfrage müssen sich ununterbrochen die Waage halten. Ohne dieses Gleichgewicht bricht die Stromversorgung zusammen. Es gibt weder Erkenntnis noch Erfahrungen, daß Wettbewerb im Sinne eines freien Spiels der Kräfte nach einer ihm innewohnenden Gesetzlichkeit stets zu diesem Gleichgewicht und damit zur Sicherheit der Versorgung führt. Eine zuverlässige Elektrizitätsversorgung erfordert eine feste Zuordnung der Versorgungsverantwortung und eine Versorgungspflicht. Im Gegensatz zu Wettbewerb ist dadurch ein Höchstmaß an Sicherheit gewährleistet, daß die Stromnachfrage der Verbraucher ständig befriedigt wird.“
Wie sich inzwischen gezeigt hat, waren diese Bedenken durchaus angebracht. Denn die Liberalisierung des Strommarktes verfehlte – zumindest fürs erste – nicht nur ihr Hauptziel einer preisgünstigeren Stromversorgung, sondern ramponierte auch den hohen Stand an Versorgungssicherheit, der in der Zeit der geschlossenen Versorgungsgebiete erreicht worden war.
Zum Beispiel verringerten die Großstromerzeuger nun ihre Kraftwerkskapazitäten, um betriebliche Kosten zu sparen und durch Verknappung des Angebots dem anfänglichen Strompreisverfall entgegenzuwirken. Betriebswirtschaftlich gesehen war das unter den neuen Umständen sicher sinnvoll: In der Zeit der geschlossenen Versorgungsgebiete waren die Kraftwerksreserven reichlich bemessen worden. Da die Preisaufsicht keine allzu hohe Gewinnmarge zuließ, versteckten die Stromversorger einen großen Teil ihrer Erträge aus den ebenfalls üppig bemessenen Strompreisen als Betriebsausgaben. Viele Millionen Mark flossen so auch in den Bau von Netzen und Kraftwerken, was der Versorgungssicherheit zugute kam.
Nach Erhebungen des Council of European Energy Regulators mußten deutsche Stromkunden 1999 lediglich mit 15 Minuten Stromausfall rechnen. Deutschland rangierte damit in punkto Versorgungssicherheit noch immer an der Spitze in Westeuropa, vor den Niederlanden (25), Frankreich (57), Großbritannien (63), Schweden (152), Norwegen (180) und Italien (191).
Der hohe Stand an Versorgungsicherheit begann aber bereits zu bröckeln. Die Stromunternehmen waren nämlich dazu übergegangen, ihren Kraftwerkspark zu verschlanken und auch die Investitionen in die Netze auf das unumgängliche Maß zu reduzieren.
Die Kraftwerksgesellschaft der Energie Baden-Württemberg kündigte bereits im Juli 1998 an, die Zahl der Mitarbeiter um 570 auf 1350 zu senken. Das Bayernwerk verfügte im Oktober 1998 die Stillegung von drei Kohle-Kraftwerksblöcken in Schwandorf und Aschaffenburg, verbunden mit dem Abbau von 250 Stellen. Im selben Monat beschlossen die Stadtwerke Bremen, fünf ihrer insgesamt acht Kraftwerke vom Netz nehmen, weil sie unter den neuen Bedingungen des Energiemarktes nicht mehr rentabel seien. Die Stillegung betraf 400 Arbeitsplätze. Im November 1999 kündigte das Großkraftwerk Mannheim (GKM) an, seine Stromerzeugungs-Kapazitäten von 1920 auf 1140 Megawatt und die Belegschaft von rund tausend Mitarbeitern auf rund 500 zu verringern.
Im Oktober 2000 gaben die beiden Marktführer E.ON und RWE sogar die Stillegung von insgesamt 10 000 Megawatt Kraftwerksleistung bekannt. Zur Begründung hieß es, daß sie im liberalisierten deutschen und europäischen Strommarkt unter „Überkapazitäten“ litten. Die am Markt erzielbaren Erlöse würden dadurch oft unter die Stromerzeugungskosten gedrückt. Zugleich wollten beide Unternehmen die Rationalisierungsmöglichkeiten nutzen, die sich aus der Zusammenlegung der Kraftwerkparks von PreussenElektra und Bayernwerk bzw. RWE Energie und VEW Energie ergaben.
Mit Blick auf die Versorgungssicherheit hieß es beschwichtigend, dass unter dem Druck des Wettbewerbs die notwendigen Reserven und Redundanzen für einen störungsfreien Netzbetrieb heute knapper veranschlagt werden müßten als früher. Traditionell habe Deutschland eine weltweit überdurchschnittliche Versorgungssicherheit, sekundierte die Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke (VDEW) in einer Stellungnahme. Diese überdurchschnittliche Versorgungssicherheit werde jetzt „auf ein geringeres, aber immer noch sehr zuverlässiges Niveau zurückgefahren“.
Wie dieses „zuverlässige Niveau“ aussah, zeigte sich zweieinhalb Jahre später: Im Sommer 2003 kam es nämlich zu Engpässen bei der Stromversorgung, weil der Kraftwerkspark nicht mehr in der Lage war, die Versorgungssicherheit unter Einhaltung der vorgeschriebenen Kühlwassertemperaturen zu gewährleisten. An sich waren Leistungsreduzierungen und Abschaltungen von Kraftwerken infolge sommerlicher Hitze nichts neues. Zum Beispiel hatte schon im Juli/August 1994 sowie im folgenden Sommer des Jahres 1995) die anhaltende hochsommerliche Hitze das Wasser der Flüsse derart erwärmt, daß in mehreren Kraftwerken die Stromerzeugung eingeschränkt oder sogar gestoppt werden mußte, um die jeweils zulässige Höchsttemperatur des Kühlwassers einzuhalten. Das Problem tritt grundsätzlich bei allen Wärmekraftwerken auf, ob sie mit Kernkraft, Kohle oder Gas betrieben werden (mit Ausnahme der Braunkohlekraftwerke, die in der Regel mit Grundwasser aus den Tagebauen gekühlt werden). Hinzu bewirkt die verminderte Wasserführung der Flüsse eine Leistungsminderung der Wasserkraftwerke.
Nun aber führte die wochenlang andauernde August-Hitze in Deutschland und anderen Teilen Europas zu Engpässen bei der Stromversorgung. Zugleich ließ die Knappheit die Preise an den Spot- und Terminmärkten der Strombörsen geradezu explodieren.
Am stärksten betroffen war die Energie Baden-Württemberg (EnBW), die am 8. August 2003 die Bevölkerung zum Stromsparen aufrief. Auch die Stuttgarter Landesregierung erließ mehrfach entsprechende Appelle. Das Kernkraftwerk Obrigheim, das keinen Kühlturm besaß und direkt vom Neckar gekühlt wurde, mußte am 5. August vorzeitig zur Revision abgeschaltet werden. Die Kernkraftwerke Philippsburg und Neckarwestheim mußten ihre Leistung auf 80 Prozent herunterfahren, damit die höchstzulässige Temperatur von 25 Grad für den Rhein bzw. 26 Grad für den Neckar nicht überschritten wurde. Erschwerend kam für die EnBW hinzu, daß ihr Großaktionär und Hauptlieferant EDF nicht aushelfen konnte, weil er selber eine Reihe von Kernkraftwerken wegen der Hitze drosseln mußte und zudem noch Einbußen bei der Stromerzeugung aus Wasserkraft hatte.
Das Stuttgarter Umweltministerium gab am 8. August bekannt, daß es eine Überschreitung der zulässigen Flußtemperaturen angesichts der „derzeitigen energiewirtschaftlichen Ausnahmesituation“ für zunächst eine Woche tolerieren werde. Die EnBW teilte daraufhin am 12. August mit, daß die „Lage ernst, aber nicht dramatisch“ sei. Dank der wasserrechtlichen Ausnahmegenehmigungen und „erfolgreicher Stromzukäufe im derzeit sehr engen Strommarkt“ stünden Stromausfälle nicht unmittelbar bevor. Bei unverminderter Fortdauer der Hitzewelle könnten aber „sektorale Abschaltungen über jeweils kürzere Zeiträume nötig werden, um so die Funktion des Gesamtnetzes sicherzustellen“.
Die Ausnahmeregelung der CDU-Landesregierung wurde von SPD und Grünen kritisiert, weil sie es der EnBW erlaube, den durchaus möglichen Zukauf von Strom auf dem Markt zu Lasten der Umwelt zu vermeiden. Auch die energiepolitische Sprecherin der CDU-Landtagsfraktion, Carmina Brenner, machte sich schließlich diese Sicht zueigen: Sie forderte die EnBW auf, die Versorgung zu gewährleisten, „anstatt mit dem Gerede über Stromabschaltungen die Bevölkerung zu verunsichern“. Offensichtlich seien betriebswirtschaftliche Gründe der Anlaß für die Diskussion über Stromabschaltungen. Am 18. August kamen Landesregierung und EnBW-Vertreter bei einer weiteren Gesprächsrunde zu dem Ergebnis, daß die Ausnahmegenehmigungen für Neckar und Rhein aufgehoben werden könnten.
Engpässe gab es in geringerem Ausmaß auch bei den drei anderen Großstromerzeugern und Verbundnetzbetreibern: E.ON mußte die Kernkraftwerke Isar 1, Unterweser und Stade drosseln. Vattenfall senkte die Leistung der Elbe-gekühlten Kernkraftwerke Brokdorf, Krümmel und Brunsbüttel. Der RWE-Konzern konnte eine Leistungsminderung in Biblis nur verhindern, indem er die Kühltürme des momentan stillgelegten Blocks A zusätzlich zur Kühlung von Block B verwendete. Das Kernkraftwerk Isar 1, das direkt von der Isar gekühlt wird, hätte trotz der Leistungsminderung wegen der weiter ansteigenden Flußtemperatur vom Netz genommen werden müssen. Die E.ON Kernkraft GmbH erhielt aber vom bayerischen Umweltministerium eine auf vier Wochen befristete Ausnahmegenehmigung, die ihr die Erwärmung des Isar-Wassers bis auf 27 Grad gestattete.
Im Juli 2006 führte eine Reihe von außergewöhnlich heißen Tagen erneut zu Engpässen bei der Stromerzeugung: E.ON konnte das Kernkraftwerk Unterweser nur noch mit bis zu 30 Prozent der verfügbaren Leistung betreiben, um die für die Weser erlaubte Wassertemperatur von 25,5 Grad einzuhalten. An der Elbe mußten das KKW Krümmel um 25 Prozent, das KKW Brunsbüttel um 20 Prozent und das KKW Brokdorf um 5 Prozent gedrosselt werden. Außerdem mußte die Steag die Wasserentnahme aus dem Rhein für das Steinkohle-Kraftwerk Voerde einschränken.
Die Lage war allerdings 2006 nicht so kritisch wie drei Jahre zuvor. Betroffen waren nur ältere Anlagen mit Frischwasserkühlung, d.h. Direktkühlung durch Flußwasser. Größere Probleme gab es jedoch im Ausland: In Spanien mußte das Kernkraftwerk Garona abgeschaltet werden, weil die zulässige Wassertemperatur des Flusses Ebro überschritten wurde. In Frankreich erhielt die Electricité de France (EDF) wie schon 2003 von der Regierung die Erlaubnis, die Flüsse stärker als vorgesehen zu erwärmen, um ihre Kernkraftwerke weiter betreiben zu können. Dennoch mußte die EDF Strom aus dem Ausland zukaufen. An der Strombörse EEX erreichten die Preise für Grund- und Spitzenlast gegen Ende des Monats vorübergehend einen neuen Höchststand, wobei die Megawattstunde rund dreimal soviel kostete wie anläßlich der Stromknappheit vor drei Jahren.
Auch im Netzbereich begann die Versorgungssicherheit eher abzunehmen. Dies zeigten vier größere Stromausfälle, die sich allein im Oktober 2003 in Berlin, Lüneburg, Ludwigshafen und Mannheim ereigneten und jeweils 10 000 bis 100 000 Haushalte betrafen: Am 6. Oktober fiel in Lüneburg um 11.35 Uhr für rund 80 000 Menschen eine halbe Stunde lang der Strom aus, weil bei Wartungsarbeiten in einem Umspannwerk eine Sammelschiene ausgefallen war. Am 7. Oktober kam es im Berliner Stadtteil Wedding um 14.47 Uhr wegen eines Kabelschadens für rund 20 000 Haushalte zu einem Stromausfall, dessen Beseitigung zwischen einer halben Stunde und dreieinhalb Stunden dauerte. Am 8. Oktober gingen abends in Ludwigshafen am Rhein in sechs Stadtteilen die Lichter aus: Wegen eines defekten Schutzgeräts in einem Umspannwerk waren etwa 70 000 Menschen über eine Stunde lang ohne Strom. Am 9. Oktober kam es um 10.45 Uhr im Berliner Stadtteil Charlottenburg zu einem Kurzschluß in einem 110-kV-Kabel und dadurch zu einem Stromausfall für etwa 100 000 Haushalte, der zwanzig Minuten dauerte. Am 18. Oktober brach in Mannheim gegen 22.30 Uhr in einer Netzstation ein Brand aus, der zum Ausfall weiterer Netzstationen führte und etwa achtzig Minuten lang fast 10 000 Haushalte stromlos machte.
Im selben Monat äußerte der emeritierte Professor für Elektrische Anlagen und Netze an der Universität Duisburg, Dieter Rumpel, explizit die Ansicht, daß die Deregulierung des Strommarktes die Versorgungssicherheit beeinträchtigt habe. In einem Interview mit der Zeitschrift „Focus“ bezeichnete er die Trennung von Stromerzeugung und -transport als grundsätzlichen Fehler, der die Sachzwänge des Netzbetriebs ignoriere und die Sicherheit der Stromversorgung wirtschaftspolitischen Zielsetzungen unterordne. Wörtlich sagte Rumpel:
„Die Politik hat sich in diesem komplexen System wie der Elefant im Porzellanladen benommen. Das kommerzielle Modell, das vorgeschrieben wird, ist meilenweit vom physikalischen entfernt. So etwas rächt sich gerade bei Störfällen. Stromerzeugung und -transport sind nun getrennt - das ist so, als wären Sie verpflichtet, im Auto Gas und Kupplung von verschiedenen Fahrern bedienen zu lassen. In unseren Schulungen sehen wir, daß die zuständigen Techniker zunehmend nicht mehr in derselben Warte sitzen, sondern gezwungenermaßen in getrennten Gesellschaften. Die Abstimmung dauert also viel länger. Außerdem müssen sie im Notfall auch noch alle möglichen legalen Fallstricke beachten. Es ist teilweise unklar, was die sich eigentlich noch sagen dürfen. Hinzu kommt, daß die für einen verläßlichen Betrieb so wichtigen Reservekapazitäten heute nicht mehr gern gesehen sind. Sie bringen keinen Profit.“
Zum Glück sei die Deregulierung noch nicht so lange her und von den Privatkunden kaum wahrgenommen worden, meinte Rumpel weiter. Deshalb besitze Deutschland noch immer die wohl beste Stromversorgung in Europa mit hinreichenden Reserven. Falls aber „wirklich alle Hamburger in München Strom kaufen würden und umgekehrt, dann hätten wir ein planerisches Problem, das auf die Zuverlässigkeit zurückwirkt“. Die Leitungen zwischen den Stromversorgern könnten bestenfalls 20 bis 30 Prozent der vor Ort benötigten Leistungen transportieren. Die Leitungen zwischen den europäischen Staaten hätten eine noch geringere Übertragungskapazität, die beispielsweise im Falle Italiens schon durch den Normalbetrieb vollkommen ausgenutzt werde.
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Die gravierendste Netzstörung seit Beginn der Liberalisierung ereignete sich am 25. November 2005 im Münsterland, wo es tagelang zu einem großflächigen Ausfall des RWE-Versorgungsnetzes kam. Insgesamt wurden im nördlichen Nordrhein-Westfalen und im südlichen Niedersachsen über achtzig Hochspannungsmasten umgeknickt oder verbogen. Für rund 250 000 Menschen fiel stunden- und tagelang – im Extremfall bis zu einer Woche – der Strom aus. Die 18 000 Einwohner der Stadt Ochtrup mußten mit Notstromaggregaten versorgt werden, weil die Masten der einzigen 110-kV-Leitung, die diese Stadt versorgt, wie Dominosteine umgekippt waren. Darüber hinaus kam es am 25. November im Ruhrgebiet, am Niederrhein und in Westfalen zu Spannungseinbrüchen und kurzzeitigen Stromausfällen.
Ursache des Stromausfalls war eine ungewöhnlich starke Eislast an den Hochspannungsleitungen in Verbindung mit „Seiltanzen“ – so werden Schwingungen der Leiterseile bezeichnet, die bei bestimmten winterlichen Wetterlagen auftreten. Diese Schwingungen können zu Kurzschlüssen und Seilrissen führen und auf diesem Wege oder auch unmittelbar die Stabilität der Masten gefährden. Voraussetzung ist starker Eisansatz in Verbindung mit böigem Wind. Im vorliegenden Fall hatte ein Sturmtief für ungewöhnlich viel Schnee und Eis an den Freileitungen gesorgt, wodurch die zulässige Mehrbelastung der Leitungen weit überschritten und dem Wind zusätzliche Angriffsfläche geboten wurde.
Von der mechanischen Überbelastung abgesehen, war der Zusammenbruch von 81 Hochspannungsmasten teilweise auch durch versprödete Bauteile aus Thomasstahl begünstigt worden. Dies ergab ein Gutachten der Bundesanstalt für Materialforschung. Der amtliche Befund korrigierte insoweit ein vorangegangenes Gutachten, das im Auftrag von RWE erstellt worden war und das die Ursache des Stromausfalls ausschließlich der außergewöhnlichen Wetterlage mit einer sich daraus ergebenden mehrfachen Überbelastung der Stromleitungen anlastete. Der Zusammenbruch von neun Hochspannungsmasten sei sogar von der versprödeten Verstrebung eines Mastens ausgegangen, der erst vor kurzem auf seine Sicherheit überprüft und saniert worden war.