Januar 1997 |
970101 |
ENERGIE-CHRONIK |
"Auch wenn zur Zeit keine Bauentscheidung für ein neues Kernkraftwerk zu treffen ist, muß die Fähigkeit zum Bau und Betrieb von Kernkraftwerken erhalten bleiben." Darauf einigten sich am 13.1. Vertreter der deutschen Elektrizitätswirtschaft und der deutschen Kraftwerksindustrie in einem Gespräch mit Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt (FDP) und Bundesumweltministerin Angela Merkel (CDU). Stromversorger und Industrie werden deshalb bis zum Jahr 2000 rund 150 Millionen Mark zur Verfügung stellen, damit nach Abschluß der "basic design"-Phase für den geplanten Europäischen Druckwasser-Reaktor (EPR) eine sogenannte Konzeptbegutachtungsphase eingeschoben werden kann. Nach Mitteilung der Minister wird damit die Erhaltung des notwendigen Know-hows bei Industrie, Gutachtern und Genehmigungsbehörden gesichert, bis die Voraussetzungen vorliegen, um in die "detailed desígn"-Phase eintreten zu können.
Die Beteiligten verständigten sich ferner darauf, die Endlagerprojekte Konrad und Gorleben "zügig weiterzuführen". Für Konrad müsse deshalb das Planfeststellungsverfahren möglichst bald abgeschlossen werden. Der Salzstock Gorleben soll weiter auf seine Eignung, vor allem für hochradioaktive Abfälle, erkundet werden. Übereinstimmung bestand auch darin, die bestehenden Zwischenlagerkapazitäten für die Entsorgung der Kernkraftwerke zu nutzen. Dies schließe die notwendigen Transporte mit ein. Die Energieversorger werden dazu in nächster Zeit Planungen bis zum Jahr 2005 vorlegen (Handelsblatt, 14.1.).
Das Bonner Ergebnis wird in den Medien übereinstimmend als Zugeständnis der Stromversorger gewertet, die am Bau des EPR weniger interessiert seien als die Bundesregierung und die Herstellerfirma Siemens. Aus Sicht der tageszeitung (15.1.) übt die Bundesregierung heute zugunsten des EPR ähnlichen Druck aus wie seinerzeit bei der Einführung der Kernenergie: "Damals wie heute wollen die Strombosse eigentlich keine neuen AKW. Sie brauchen keine. Sie wissen nicht, ob und wann sie wieder welche brauchen. Vor allem aber graust ihnen vor dem Tag, an dem sie den Standort für den Bau eines neuen Mammutreaktors bekanntgeben müssen".
Der EPR ist für eine elektrische Leistung von 1500 MW konzipiert. Er soll neue Maßstäbe für die Sicherheit von Reaktoren setzen und damit auch den Ansprüchen des Energieartikelgesetzes von 1994 genügen. Für das deutsch-französische Gemeinschaftsprojekt zeichnet die Nuclear Power International (NPI) verantwortlich, in der sich seit 1989 die Siemens AG und die Framatome S.A. zusammengetan haben. An den Kosten von rund 450 Millionen Mark beteiligen sich in beiden Ländern die Stromversorger. Die grundsätzliche Entwicklung soll 1997 abgeschlossen sein, so daß dann die jetzt beschlossene "Konzeptbegutachtungsphase" beginnen würde (siehe auch 951115).