Oktober 1995

951004

ENERGIE-CHRONIK


Bundesregierung hält vorerst am Stromeinspeisungsgesetz fest

Das Bundeskabinett hat am 11.10. einen "Erfahrungsbericht des Bundesministeriums für Wirtschaft zum Stromeinspeisungsgesetz" gebilligt. Demnach ist die Bundesregierung "nach wie vor der Überzeugung, daß das Gesetz verfassungsmäßig ist" und empfiehlt, "das Stromeinspeisungsgesetz - auch im Hinblick auf die Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht - zunächst unverändert fortzuführen". Das Wirtschaftsministerium räumt in dem Erfahrungsbericht allerdings ein, daß das Gesetz auch zu Problemen führe. So habe sich bestätigt, daß bei der Wasserkraft ein wesentlicher Teil der Förderung auf die Betreiber alter Anlagen entfalle. Bei der Windenergie sei die norddeutsche Küstenregion durch die vom Stromeinspeisungsgesetz vorgeschriebene Förderung einseitig belastet. Es lasse sich nicht ausschließen, daß an besonders günstigen Standorten die Einspeisevergütung für Strom aus Wind höher als erforderlich sei. In solchen Fällen könne eine Beendigung oder Reduzierung der Förderung nach einer bestimmten Anzahl von Betriebsjahren erwogen werden, ohne daß dies zu einer "Beeinträchtigung des Vertrauensschutzes" führe. Auf die Nutzung der Photovoltaik habe das Stromeinspeisungsgesetz keinen meßbaren Einfluß, da auch die erhöhte Vergütung für einen wirtschaftlichen Betrieb viel zu niedrig sei und eine kostendeckende Vergütung nicht in Frage komme. Die generelle Einbeziehung von Strom aus Kraft-Wärme-Kopplung in das Stromeinspeisungsgesetz wird von der Bundesregierung ebenfalls abgelehnt (Handelsblatt, 13.10.; FAZ, 12.10.; siehe auch 950901).

Für die Frankfurter Allgemeine (12.10.) bestätigt der Bericht "alle Probleme, die es mit dem Gesetz gibt". Jenseits der in Karlsruhe zu entscheidenden Frage der Verfassungsmäßigkeit führe das Stromeinspeisungsgesetz auf jeden Fall zu einer unguten Verzerrung des Energiemarktes: "An der Küste entstehen langfristig zuviel Windanlagen, was zu Umweltproblemen und überhöhten Kosten des dortigen Elektrizitätsversorgers führt. Bei den Wasserkraftanlagen gibt es häufig Mitnahmeeffekte, weil auch Betreiber veralteter Wassermühlen kassieren. Dabei kann niemand garantieren, ob sich die geförderten Anlagen auf längere Sicht am Markt durchsetzen können. Das Ministerium sieht das alles. Konsequenterweise sollte die Bundesregierung dann aber nicht auf den gutgemeinten, aber fragwürdigen Markteinführungshilfen beharren."

Für die Frankfurter Rundschau (12.10.) liest sich der Bericht dagegen wie "eine Erfolgssstory, die konventionelle Stromerzeuger gar nicht gern hören". Die einseitige Belastung des Nordens durch Windstromförderung und andere Mängel ließen sich auch "ohne die von den im Geld schwimmenden Strom-Monopolisten gewünschte Totalrevision der Einspeisevergütung" korrigieren. Notfalls müsse Bonn die Stromversorger "per Gesetz zu einem überregionalen Finanzausgleich zwingen".