September 1993

930914

ENERGIE-CHRONIK


Engagement der Entsorger bewahrt "Duales System" vor Zusammenbruch

Der Zusammenbruch der finanziell schwer angeschlagenen "Duales System Deutschland GmbH" (DS) ist vorläufig abgewendet. Nach zähen Verhandlungen unter der Moderation von Bundesumweltminister Klaus Töpfer einigten sich etwa 350 private und kommunale Entsorger am 4.9. darauf, ihre Forderungen an die DSD, die sich auf insgesamt 870 Millionen Mark belaufen, zu kreditieren oder zu stunden. Der Kompromiß sieht weiter vor, daß die Entsorger ein Drittel der Aufsichtsratssitze sowie eine Position in der Geschäftsführung der DSD erhalten. Allerdings fällt es etlichen Kommunen schwer, das Sanierungskonzept mitzutragen. Der Deutsche Städtetag rief deshalb am 22.9. seine Mitglieder auf, die gerichtliche Durchsetzung von Forderungen an die DS vorerst zurückzustellen. Zugleich drückte er seine Erwartung aus, daß die DS drei Viertel der erbrachten kommunalen Leistungen bis zum 1.10. bezahlen werde (FAZ, 6.9.; FR, 17.9.; Handelsblatt, 23.9.; siehe auch 930814).

Kartellamt hat Vorbehalte

Die erzielte Einigung wird vom Bundeskartellamt mit Mißtrauen verfolgt. "Wenn über die personelle Beteiligung die Entsorger einen bestimmenden Einfluß auf DSD erhalten und dies satzungsmäßig festgeschrieben wird, müssen wir nein sagen", erklärte Kartellamtspräsident Dieter Wolf der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" (12.9.).

Medien sehen "Machtübernahme"

In den Medien wird die Stützungsaktion für die DS sehr kritisch gesehen. DieWirtschaftswoche (10.9.) schreibt von einer "Machtübernahme der Entsorgerfirmen" . Das Handelsblatt (6.9.) konstatiert: "Der Einstieg beim ëGrünen Punktí, den das Kartellamt den Müllkonzernen kürzlich verwehrte, gelingt den Abfallunternehmen jetzt durch die Hintertür". Die Frankfurter Rundschau (7.9.) meint: "Gegen die Macht eines Großgläubigers sowie gegen personelle Übereinstimmungen bei Entsorgern und Dualem System läßt sich nur schwer etwas ausrichten". Für die Illustrierte Stern (9.9.) hat ein regelrechter "Müll-Putsch" der großen Entsorgungsfirmen stattgefunden: "Der Grüne Punkt schrammte knapp an der Pleite vorbei. Jetzt drängen die großen Konzerne ins Geschäft mit dem Dualen System."

Die Süddeutsche Zeitung (13.9.) meint: "Profitieren werden von dem Kompromiß jedenfalls die großen Entsorger, hinter denen zum Teil bereits Energieunternehmen wie RWE, Bayernwerk oder VEBA stehen. Für solche Unternehmen wie auch für ihre Tochtergesellschaften ist es ein leichtes, auf Geld zu verzichten. Dies vor allem dann, wenn durch Aufsichtsratsposten und möglicherweise durch Verankerung in der DSD-Geschäftsführung der direkte Einfluß auf das Milliardengeschäft mit dem Müll erheblich gestärkt werden kann."

Häufig wird die Ansicht vertreten, daß die Probleme mit dem "Grünen Punkt" andauern werden. Die Frankfurter Allgemeine (6.9.) prophezeit: "Dieses Abfallsystem hat sicher nicht zum letzten Mal für Schlagzeilen gesorgt." Nach Ansicht der Süddeutschen Zeitung (13.9.) wird das Sanierungskonzept "noch für eine Menge böses Blut sorgen", besonders bei kleineren privaten Entsorgern und Kommunen, die selbst in einer Finanzkrise stecken.

Für das Handelsblatt (3.9.) hat sich die Privatwirtschaft mit dem Dualen System selbst einen Bärendienst erwiesen: "Die Industrie, die mit vollmundigen Bekenntnissen dem Staat einmal zeigen wollte, was eine privatwirtschaftliche Harke ist, hat sich selbst ins Knie geschossen. Nach diesem Hickhack ist keinem Politiker mehr zuzumuten, auch nur einen Pfennig in freiwillige Vereinbarungen zu investieren und seinen Kopf für derartige Lösungen hinzuhalten. Die traurige Lehre aus dem Verwirrspiel um die gelbe Tonne kann nur heißen: Wenn der Staat keine Gesetze macht, passiert nichts."