August 1993

930814

ENERGIE-CHRONIK


Das "Duale System" befindet sich in einer schweren Finanzkrise

Die Duales System Deutschland GmbH (DSD) ist in eine schwere Finanzkrise geraten, weil die über den "Grünen Punkt" angeschlossenen Unternehmen nicht rechtzeitig und genug für die Rücknahme und Verwertung von Verpackungsabfällen bezahlen. Nach DSD-Angaben beträgt das derzeitige Defizit 360 Millionen DM und könnte bis Jahresende auf rund 700 Millionen DM anwachsen. Während rund 90 Prozent aller Verpackungen bereits mit dem "Grünen Punkt" versehen seien, würden nur für 50 bis 60 Prozent tatsächlich Gebühren an die DSD abgeführt. Es ist deshalb beabsichtigt, das bislang verfolgte Prinzip der Freiwilligkeit aufzugeben und Kontrollen für die von den Unternehmen gemeldete Anzahl von Verpackungen einzuführen (FAZ, 30.8.).

Das Duale System ist ein freiwilliges Entsorgungssystem der Wirtschaft, das die Bundesregierung mit ihrer stufenweise in Kraft tretenden Verpackungsverordnung intendiert hat: Als Alternative wäre der Handel verpflichtet gewesen, Verkaufsverpackungen selbst zurückzunehmen und für deren Verwertung zu sorgen. Erst vor wenigen Wochen hatte sich die beteiligte Wirtschaft bereit erklärt, 500 Millionen DM als Darlehen in die DSD einzuschießen, um der Unterkapitalisierung des Unternehmens abzuhelfen. In diesem Zusammenhang verbreiteten die nordrhein-westfälischen Grünen eine Pressemitteilung, derzufolge RWE, VEW und Veba einen Anteil von 25,1 Prozent am DSD erwerben und eine Einlage von einer Milliarde DM einbringen wollten. Von seiten der Energieunternehmen wurde dies dementiert. Bei der Zusammenarbeit der DSD mit den kommunalen Entsorgern traten erhebliche Spannungen auf, die den Verband kommunaler Unternehmen zum Protest gegen "einseitige Veränderungen der vertraglichen Vereinbarungen durch die DSD" veranlaßten.

Für den stellvertretenden umweltpolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Klaus Lennartz, hat sich das Duale System zu einer "internationalen Lachnummer" entwickelt. Unter den Augen der Bundesregierung und der Öffentlichkeit werde ein Monopol errichtet, das international seinesgleichen suche. Außerdem würden Verträge gebrochen, neue finanzwirtschaftliche Forderungen gestellt und ganz nebenbei ein völlig undurchschaubares Netz an Unterverträgen hergestellt (Handelsblatt, 30.7.).

Die Frankfurter Allgemeine (30.8.) hält das Duale System weiterhin für eine im Ansatz gute Idee, die freilich von "Trittbrettfahrern" aus Kreisen der beteiligten Unternehmen mißbraucht werde und unter diesen Umständen nicht überlebensfähig sein könne: "Töpfers Versuch, Marktwirtschaft zu praktizieren, ist von der Wirtschaft nicht honoriert worden. Zuerst haben sich Hersteller von Verpackungsmaterialien bemerkenswert sperrig gezeigt. Nun werden von Verwendern die Lizenzgebühren nicht in fälliger Höhe gezahlt. Wenn Unternehmen sich weigern, Gebühren für Entsorgungsleistungen zu zahlen, die sie durch den Verkauf ihrer Produkte verursachen, dann wird das Duale System scheitern. Dann aber wird die Umweltpolitik auf Verordnungen und Gebote umschwenken."