September 1993 |
930906 |
ENERGIE-CHRONIK |
Beginnend mit einem Artikel in der Rheinischen Post (16.9.) erschienen in der Presse verschiedene Berichte, wonach die Betreiber der deutschen Kernkraftwerke erwägen, das Plutonium aus den abgebrannten Brennelementen nicht mehr im Hanauer Siemens-Brennelementewerk zu neuem Brennstoff verarbeiten zu lassen. Stattdessen wolle man künftig auch die Herstellung der plutoniumhaltigen Mischoxid-Brennelemente der französische "Cogema" überlassen, die in La Hague schon jetzt die Wiederaufarbeitung deutscher Brennelemente besorgt. Dies würde das Aus für die Plutoniumverarbeitung im Siemens-Brennelementewerk in Hanau bedeuten.
Den Hintergrund bildet, daß die alte Hanauer Anlage zur Plutoniumverarbeitung nach mehreren Störfällen im Juni 1991 auf Weisung des hessischen Umweltministers Joschka Fischer stillgelegt wurde und auch die Arbeiten an einem fast fertigen Neubau blockiert sind. Am 21.7. hatte der hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel drei der ersten vier von insgesamt sechs Teilgenehmigungen für den Neubau zur Plutoniumverarbeitung aufgehoben (siehe 930707).
Mit dem Kasseler Urteil sei "die Inbetriebnahme der Anlage, deren Errichtung durch die politisch motivierte Blockade des hessischen Umweltministeriums ohnehin schon verzögert ist, in eine ungewisse Zukunft verschoben", erklärte Karl Stäbler, Vorsitzender des Fachausschusses Kernenergie der Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke (VDEW) am 24.9. namens der Kernkraftwerksbetreiber. Die Kernkraftwerksbetreiber und Siemens seien an einer zügigen Inbetriebnahme der Hanauer Anlage interessiert. Sie könnten aber die enormen Kosten, die durch die Blockade verursacht werden, nicht auf Dauer hinnehmen. "Die MOX-Anlage hat nach Ansicht der Stromwirtschaft nur dann eine Zukunft, wenn die hessische Landesregierung ihre Blockadepolitik aufgibt und entsprechende Entscheidungen trifft", sagte Stäbler.
Für die Frankfurter Allgemeine (17.9.) würde die Aufgabe der Hanauer Plutoniumverarbeitung zugunsten von Verträgen mit ausländischen Unternehmen den Industriestandort Deutschland ein weiteres Mal beschädigen: "Sollte es zu langfristigen Verträgen kommen, würden die Auswirkungen weit über Arbeitsplatzverluste in Hanau hinausreichen. Denn ohne eine Referenzanlage im Heimatland wird diese Spitzentechnologie kaum noch Interessenten im Ausland finden."
Das Handelsblatt (27.9.) hegt ähnliche
Befürchtungen: "Für neue Technologien gibt es keineswegs
allein im Bereich der Kernkraftnutzung keinen übergreifenden
Konsens. Getreu der Devise, daß gutes Geld nicht schlechtem
Geld nachgeworfen werden sollte, ist ein Abwandern der besonders
mobilen Faktoren - Kapital, qualifzierte Arbeit - programmiert.
Nicht zuletzt in der Energiewirtschaft entsteht eine wachsende
Tendenz, neben dem schon hohen Bezug von ausländischen Primärenergieträgern
auch die umgewandelten Edelenergien wie z.B. Strom zunehmend zu
importieren."