Februar 1993 |
930210 |
ENERGIE-CHRONIK |
Der Bundesrat hat am 15.2. im dritten Anlauf die Technische Anleitung (TA) Siedlungsabfall gebilligt, die als Voraussetzung für die Deponierung von Abfällen einen "Glühwertverlust" von fünf Prozent vorschreibt. Auch die meisten der SPD-regierten Bundesländer, die im Bundesrat die Mehrheit besitzen, stimmten dem Entwurf von Bundesumweltminister Töpfer (CDU) zu. Der baden-württembergische Umweltminister Harald Schäfer (SPD) hatte vergeblich dafür plädiert, die TA Siedlungsabfall so zu fassen, daß die Bedingungen für die Deponierung nicht allein durch thermische Behandlung, sondern auch durch sogenannte "kalte Verfahren" erfüllt werden können. Die neue Verordnung wird nach Schätzungen von Fachleuten den Bau von 50 bis 70 neuen Müllverbrennungsanlagen erforderlich machen. Wegen der damit verbundenen Kosten einigten sich die Länder darauf, die Einführung und Umsetzung der Vorgaben einheitlich um vier auf bis zu zwölf Jahre zu strecken (SZ, 13. u.16.2.; Zeit, 19.2.; siehe auch 930117).
Die Zeit (19.2.) verwies auf die finanziellen Folgen: "Die TA Siedlungsabfall kommt die Länder jedenfalls teuer zu stehen. Ging die Bundesregierung ursprünglich von zehn Milliarden Mark aus, errechneten die Länder einen Betrag von mindestens 35 Milliarden Mark. Eine Verbrennungsanlage, die jährlich 200 000 Tonnen Müll schluckt, kostet, nach neuestem Stand der Technik gebaut, etwa 600 Millionen Mark."
Die Ökologischen Briefe (10.2.) meinten: "Hinter dem Gerangel um Grenzwerte und andere Vorgaben verbirgt sich der Kampf großer Beratungsgesellschaften und Anlagenbau-Konzerne um einen Milliarden-Markt. Eine einzige Müllverbrennungsanlage (MVA) kostet heute einschließlich der Rauchgasreinigungs- und Rückstandsbehandlungsanlagen nach dem neuesten Stand der Technik um die 600 Millionen Mark. Konzipiert werden sie von großen Ingenieur-Gesellschaften wie Lurgi (Frankfurt) und Fichtner (Stuttgart). Als Konkurrenz tritt die Ingenieur-Firma Lahmeyer International (Frankfurt und Freiburg) auf. Sie behauptet, für eine von ihr konzipierte biologisch-mechanische Rotte-Anlage (BMA) vergleichbarer Kapazität reichten schon 200 Millionen DM aus. Kein Wunder, daß sich viele Kommunen für dieses ëkalte Verfahrení interessieren."
"EVU wittern Goldgrube hinter Müll
und Schrott" überschrieb die Süddeutsche Zeitung
(5.2.) einen Bericht über das verstärkte Engagement
von EVU in der Entsorgungswirtschaft. Den Energieversorgungsunternehmen
komme zustatten, daß sie "aus Rückstellungen für
ihre Kernkraftwerke über große Summen mobilen Kapitals
verfügen" und außerdem "als gemischt-wirtschaftlich
betriebene Gesellschaften den für die Müll- und Abfallbeseitigung
verantwortlichen Städten und Gemeinden nahestehen und gesicherte
Standorte wie Anlagen anbieten können".