Februar 1992

920213

ENERGIE-CHRONIK


EG-Pläne für Liberalisierung des Strommarkts "reif für den Papierkorb"?

Weiter umstritten sind die Pläne der EG-Kommission für mehr Wettbewerb auf dem europäischen Binnenmarkt für Elektrizität (siehe u.a. 920111). Für die Süddeutsche Zeitung (1.2.) sind die diesbezüglichen Vorschläge des EG-Kommissars Cardoso e Cunha "reif für den Papierkorb", da sie in sich zu widersprüchlich und deshalb nicht zu realisieren seien: "So will er schon vom nächsten Jahr an die Produktionsmonopole aufheben, so daß zumindest in der Theorie das Bayernwerk einen Atommeiler in Frankreich hochzienen könnte. Indes behalten die Mitgliedstaaten ihre uneingeschränkte Autorität über Zulassungsbedingungen, Auflagen und Baugenehmigungen. Anzunehmen, die Regierung in Paris würde der allmächtigen Electricité de France (EdF) nun bereitwillig die Konkurrenz aufs Nachbargrundstück setzen, ist naiv."

"EdF wurde eingebunden"

Nach Meinung der Wirtschaftswoche (7.2.) ist es den nichtfranzösischen Energieversorgern durch "eine geschickt dosierte Mischung von Argumenten, Drohungen und Lockungen" gelungen, die EdF in eine gemeinsame Front gegen die Liberalisierung des Strommarktes einzubinden: "Gleichzeitig sichern die deutschen Stromkonzerne EdF günstige Abnahmeverträge für Strom zu. Sie und andere Stromunternehmen Europas haben sich Ende 1989 mit EdF in der Eurelectric zusammengeschlossen. Gemeinsamer Konsens: Konkurrenz verdirbt das Geschäft - und den Preis. Eurelectric wird denn auch von Kritikern als potentiell ähnlich gefährliches Kartell wie die Opec beim Erdöl eingestuft. Am meisten setzen die deutschen Stromkonzerne aber darauf, EdF mit gemeinsamen Projekten im Osten einzubinden. In Ungarn, der CSFR und in Polen versuchen die deutschen Stromriesen mit dem französischen Partner gemeinsame Projekte durchzuziehen. Es gibt Pläne, in denen EdF mit der Bayernwerke AG und PreussenElektra AG große Teile der ungarischen und tschechischen Stromnetze modernisiert."

Der Rheinische Merkur (31.1.) beurteilte die Lage ähnlich: "Nach ersten Reaktionen lehnen zehn der zwölf EG-Länder die Cardoso-Vorschläge mehr oder weniger scharf ab. Auch Frankreich, das in der Liberalisierung zunächst neue Absatzchancen für seinen billigen Atomstrom sah, wendet sich gegen die Aufhebung des Produktionsmonopols. Solange die Umwelt- und Sicherheitsauflagen für Kraftwerke in der EG nicht harmonisiert sind, könnte das nämlich bedeuten, daß sich an Rhone, Seine und Loire bald ein Kernkraftwerk ausländischer Eigentümer an das andere reiht, weil die relativ laxen Auflagen der Franzosen eine besonders billige Erzeugung erlauben. So hatte sich Paris das gewiß nicht vorgestellt!"

Kritik an "Monopol-Gewinnen"

Im Zusammenhang mit den Plänen für mehr Wettbewerb auf dem Energiesektor wird auch Kritik daran geübt, daß sich Stromkonzerne mit "monopolbedingten" Gewinnen in anderen Wirtschaftsbereichen einkaufen würden. So hat das Deutsche Allgemeine Sonntagsblatt (31.1.) erneut dargelegt, "daß die allesamt in der Kernenergienutzung engagierten Konzerne die jeweiligen Unternehmenszukäufe im wesentlichen aus dem milliardenschweren Topf der Entsorgungsvorsorgemittel finanzieren". In einem Artikel der Zeit (31.1.) wurde darauf verwiesen, daß die Umsatzrendite der deutschen Elektrizitätsversorger in den vergangenen Jahren Spitzenwerte erreicht habe, von denen andere Unternehmen nur träumen könnten. "Und die Vermutung liegt nahe, daß diese Gewinne auch monopolbedingt waren. Sie ermöglichten den Energiekonzernen, in anderen Branchen auf Einkaufstour zu gehen und den Preis für die erworbenen Firmen aus der Portokasse zu zahlen - auf Kosten der Verbraucher."