September 1991

910912

ENERGIE-CHRONIK


Tauziehen um Ex-Alkem geht weiter - Stopp der Uranverarbeitung aufgehoben

Der hessische Umweltminister Fischer (Grüne) hat am 4. September die Teilstillegung der Uranverarbeitung im Siemens Brennelementewerk Hanau (früher Alkem) wieder aufgehoben, nachdem Untersuchungen der Landesanstalt für Umwelt ergebenhatten, daß die am 21. und 23. August aufgetretenen Ammoniak-Nebel nicht von diesem Betrieb gestammt haben können. Fischer stellte zugleich eine erneute Stillegung in Aussicht, weil die bislang geduldeten Ammoniak-Emissionen der Konversionsanlage nicht länger toleriert werden könnten. Da es hierbei um keine atomrechtliche Problematik geht, kann sich Fischer ausschließlich auf Landesrecht stützen. Beim Streit um die Mischoxidverarbeitung, die auf seine Weisung hin bereits seit Mitte Juni ruht, sitzt dagegen Bundesumweltminister Töpfer gegebenenfalls am längeren rechtlichen Hebel. Neue Rätsel gab unterdessen eine blaue Wolke auf, die am 16. September in der Nähe des Betriebs gesichtet wurde (dpa, 4.9.; FAZ, 17.9.; siehe auch 910805).

Siemens muß Öko-Institut Zutritt gewähren

Aufgrund einer Eilentscheidung des hessischen Verwaltungsgerichtshofs muß das Siemens Brennelementewerk Mitarbeitern des Darmstädter Öko-Instituts Zutritt gewähren, das von Fischer mit der Suche nach "Schwachstellen" beauftragt worden ist. Bedenken gegen die Unvoreingenommenheit der Sachverständigen lassen sich nach Ansicht des Gerichts erst geltend machen, wenn aufgrund ihrer Feststellungen Maßnahmen gegen den Betrieb ergriffen würden (Handelsblatt, 12.9.).

Schlagabtausch im Landtag

Im hessischen Landtag führte der Streit um das Siemens Brennelementewerk am 19. September zu einem Schlagabtausch zwischen Opposition und rot-grüner Landtagsmehrheit. Die CDU forderte Fischer auf, "auf den Boden rechtsstaatlichen Handelns zurückzukehren und die Hanauer Nuklearbetriebe nicht länger mit ideologisch begründeten Schikanen zu überziehen". Der Minister betonte demgegenüber, daß ihm die Opposition nicht ein einziges Mal vorwerfen könne, Recht und Gesetz verletzt zu haben. SPD-Fraktionschef Lothar Klemm erklärte, daß "die Zeit der Gefälligkeitsgutachten vorbei ist" (dpa, 19.9.).

Nach Ansicht der Frankfurter Rundschau (9.9.) zeigt sich in Hanau "immer mehr, daß auch ein atomrechtlich weisungsgebundener Landesminister einer ungeliebten Produktionsstätte so manche Schwierigkeit machen kann, wenn er dafür Anlässe findet, findig genug reagiert - und selbst keine Rechtsfehler begeht, die zu horrenden Schadenersatzansprüchen führen könnten. Wenn es ein Risiko für Fischer gibt, dann liegt es derzeit in solchen Schadenersatzansprüchen. Seine Strategie setzt auf Nadelstiche, und eine politisch begründete dauerhafte Schließung der Hanauer Atomfabriken, die weiterhin ein Herzstück im bundesdeutschen Atomkonzept bleiben, könnte Hessen rechtlich ja auch nicht durchsetzen."

Nach Feststellung des Handelsblatts (17.9.) kann Fischer "seinen Amtskollegen in Bonn zwingen, mit dem Instrument der atomrechtlichen Anweisung die volle Verantwortung für den Hanauer Weiterbetrieb zu übernehmen. Töpfer muß dann sozusagen für alle ungeplanten Vorfälle in der Öffentlichkeit geradestehen."

Die Stuttgarter Zeitung (21.9.) vermutete: "Offensichtlich wartet Fischer vor einer einschneidenden Entscheidung wie einer Schließung auf unbestimmte Dauer erst einmal die Schwachstellenanalyse ab."