Oktober 2024 |
241009 |
ENERGIE-CHRONIK |
Anfang 2023 demonstrierte ein breites niederländisch-deutsches Umweltbündnis am Strand von Borkum gegen neue Gasbohrungen in der Nordsee. Foto: DUH |
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) will weiterhin ein Projekt zur Erdgas-Förderung im Wattenmeer der Nordsee verhindern, das der niederländische Öl- und Gaskonzern ONE Dias B.V. im Grenzgebiet vor der Insel Borkum inzwischen soweit vorangetrieben hat, dass noch in diesem Jahr die Förderung beginnen soll. Am 7. Oktober erhob sie beim Oberverwaltungsgericht in Lüneburg Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss des niedersächsischen Landesamtes für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG), weil die Behörde trotz unzureichender Untersuchungen dem niederländischen Öl- und Gaskonzern die Genehmigung für Richtbohrungen unter der deutschen Nordsee erteilt habe. Die Klage wird unterstützt vom BUND Niedersachsen und der Bürgerinitiative Saubere Luft Ostfriesland. Das Bündnis aus Umweltorganisationen ist überzeugt, dass der Beschluss des LBEG gegen nationales Naturschutz- und Klimarecht verstößt.
Das 2017 entdeckte kleine Gasfeld, in dessen Umgebung noch weitere solcher Vorkommen vermutet werden, liegt jeweils etwa zur Hälfte im niederländischen und im deutschen Hoheitsgebiet. Die Bohr-Plattform wurde in etwa 500 Meter Entfernung von der Grenze auf niederländischer Seite errichtet. Das Erdgas befindet sich vier Kilometer unter der Nordsee, die an dieser Stelle etwa 25 Meter tief ist.
Der Rahmenbetriebsplan zur weiteren Erkundung des Meeresuntergrunds auf deutschem Hoheitsgebiet wurde vom niedersächsischen LBEG im August für 18 Jahre genehmigt. Der LBEG-Präsident Carsten Mühlenmeier begründete dies damit, dass die europäischen Sicherheits- und Umweltstandards eingehalten würden. "Es ist außerdem geregelt, dass die Förderung vorzeitig endet, sobald durch die angestrebte Wärmewende in Deutschland kein Erdgas mehr als Energieträger benötigt wird", erklärte er. "Solange aber in Deutschland noch Erdgas verbraucht wird, gilt: Das aus heimischen Lagerstätten geförderte Erdgas ist erheblich weniger klimaschädlich als das importierte."
Die Kläger sehen das anders. DUH-Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner forderte Bundes- und Landesregierung auf, "dieses unnötige und klimapolitisch schädliche Vorhaben auf politischem Wege umgehend zu stoppen“. Deutschland brauche dieses Gas weder für die Versorgungssicherheit noch für stabile Gaspreise. Gleichzeitig berge die Förderung große Risiken für die Umwelt und setze Deutschlands internationale Glaubwürdigkeit in Sachen Klimaschutz aufs Spiel. Für die Menschen und die Natur auf Borkum habe die Bohrinsel konkrete negative Folgen wie die Luftverschmutzung durch Stickstoffemissionen, ein steigendes Risiko für Erdbeben und Bodenabsenkungen sowie die Gefährdung geschützter Tierarten. Bundes- und Landesregierung müssten deshalb diesem fossilen Gasprojekt eine Absage erteilen, statt sich "hinter den Gerichten zu verstecken".
Ende September hat die DUH außerdem Widerspruch gegen die Fortsetzung der Ölförderung auf der Bohrinsel Mittelplate erhoben, die vor der schleswig-holsteinischen Nordseeküste mitten im UNESCO-Weltnaturerbe Wattenmeer liegt. Sie machte geltend, dass für die Bohrinsel niemals eine FFH-Verträglichkeitsprüfung gemäß der Flora-Fauna-Habitatrichtlinie durchgeführt worden sei, obwohl das Wattenmeer bereits seit 1998 als FFH-Gebiet sowie seit 2001 als Europäisches Vogelschutzgebiet ausgewiesen ist und die Bohrinsel in einem der sensibelsten Ökosysteme Europas liege. Da im Mai dieses Jahres ein neuer Hauptbetriebsplan für die Ölförderung erlassen wurde, nutzte die DUH dies als Möglichkeit, um das Versäumnis rechtlich anzugreifen. Falls die Klage erfolgreich ist, könnte das Konsequenzen für den weiteren Betrieb haben, der bisher spätestens 2041 auslaufen soll. Mittelplate ist die einzige Öl-Bohrinsel in der deutschen Nordsee.