März 2024

240302

ENERGIE-CHRONIK




An der rußgeschwärzten Seite des Endmastens, wo die 110-kV-Leitung in das Erdkabel überging, hatten die Saboteure den Brand gelegt, der die Kurzschlüsse bewirkte. Im Hintergrund wird mit Baggern die Erdverkabelung ein Stück weit freigelegt.
Fotos (3): E.DIS

Brandanschlag auf Hochspannungsmast lähmte Tesla-Werk

Unbekannte Täter verübten am frühen Morgen des 5. März einen Brandanschlag auf eine 110-Kilovolt-Leitung bei dem Ort Steinfurt südlich von Berlin, die unter anderem das neue Tesla-Werk in Grünheide versorgt. In der Elektroauto-Fabrik kam dadurch die Produktion mehr als eine Woche lang zum Erliegen. Von dem Stromausfall betroffen waren auch die Gemeinden Freienbrink, Erkner, Neu Zittau, Dahlwitz-Hoppegarten, Neuenhagen, Woltersdorf, Schöneiche und Gosen. Durch Umschaltungen gelang es dem Verteilnetzbetreiber E.DIS, alle Gemeinden nach mehreren Stunden wieder zu versorgen. Für das Tesla-Werk dauerte der Stromausfall jedoch über eine Woche. Erst ab 12. März konnten auch die Elektroauto-Fabrik und ein benachbartes Logistikzentrum des Einzelhandels-Konzerns Edeka über eine vorläufige Lösung wieder mit Strom versorgt werden


Eine Stahlgitterkonstruktion übernimmt jetzt die Hochspannungs-Freileitung vom Endmasten (links) und leitet sie an ein ähnliches Portal weiter, über das der neue Erdkabelanschluss erfolgt.

Schadensstelle musste mit aufwendigen Konstruktionen überbrückt werden

Die Reparaturarbeiten am Ort des Anschlags gestalteten sich sehr aufwendig und langwierig, weil das Feuer am Fuß eines Hochspannungsmastens entzündet wurde, an dem die Freileitung endet und in eine Erdverkabelung übergeht. Die Schadensstelle wurde mit einer technischen Lösung überbrückt, die über zwei neu errichtete stählerne "Portale" die Freileitung an einer anderen Stelle mit der Erdverkabelung wieder verbindet. Ob es sich dabei um eine endgültige Lösung handelt, konnte oder wollte der Netzbetreiber E.DIS auf Nachfrage noch nicht sagen. Sicher ist nur, dass der alte Endmast der Freileitung weiter verwendet werden kann. Voraussichtlich müssen aber mehrere hundert beschädigte Teile neu angefertigt und montiert werden, um ihn dauerhaft zu stabilisieren. Allein für den Netzbetreiber E.DIS beläuft sich der entstandene Sachschaden auf über eine Million Euro.

"Vulkangruppe" treibt ihr Unwesen schon seit Jahren

Zu der Tat bekannte sich eine "Vulkangruppe Tesla abschalten", die schon wiederholt Leitungen beschädigte und dies mit ziemlich wirren Motiven begründete. Je nach Anlass kombiniert sie dabei den Namen "Vulkangruppe" mit Zusätzen wie "Gegen den Fortschritt der Zerstörung"," Shut Down The Power" oder "NetzHerrschaft zerreißen". Sie war auch der Urheber jenes Brandanschlags, der am 26. Mai 2021 mehrere Kabel beschädigte, welche die Baustelle der Tesla-Fabrik mit Strom versorgten. Ebenso steckte sie hinter einem Brandanschlag auf das Berliner Mittelspannungsnetz, der am 26. März 2018 für rund 7000 Haushalte und Gewerbebetriebe im Stadtteil Charlottenburg einen stundenlangen Stromausfall bewirkte. Die Täter wollten so angeblich die Stromversorgung für diverse Firmen und Institutionen unterbrechen, die für "Krieg, Klimazerstörung und militarisierte EU-Außengrenzen" verantwortlich seien (180315). Die anarchistische Gruppierung scheint bereits 2011 entstanden zu sein, als es zu einer Serie von Anschlägen auf Kabelschächte und Signalanlagen kam, die fast den gesamten Berliner S-Bahn-Verkehr lahmlegte.

In ihrem Bekennerschreiben werben die Täter um Sympathie bei Betroffenen des Stromausfalls und friedlichen Demonstranten


Die Erdverkabelung der Hochspannungsleitung musste ein Stück weit aufgegraben werden, um sie neu an die Freileitung anschließen zu können.

In ihrem jetzigen Bekennerschreiben, das sie auf der linksextremistischen Webseite "Indymedia" veröffentlichten, erwecken die Täter den Anschein, als ob es gleich mehrere solcher Sabotagegruppen gäbe, indem sie betonen, dass sie nur für die "Vulkangruppe Tesla abschalten" sprechen könnten. In deren Namen würden sie sich bei den Privathaushalten entschuldigen, die ebenfalls von dem Stromausfall betroffen wurden, was sich leider nicht habe vermeiden lassen.

In ähnlicher Weise werben die Täter um Sympathie bei den Demonstranten, die friedlich gegen eine geplante Erweiterung des Tesla-Werks protestieren: "Gemeinsam ist uns die Absicht, Tesla Schranken zu setzen und die geplante Batteriefabrik und andere Konzernlogistik zu verhindern, auch wenn unser Ansatz weit darüber hinaus geht. Für uns ist das kein Problem. Wir sehen keine Veranlassung uns von öffentlichen Gruppen zu distanzieren und respektieren Eure Arbeit."

Sie würden es den friedlich Protestierenden auch nicht verübeln, wenn diese solche Sabotageakte verurteilen, konzedieren sie großzügig, denn: "Wir erkennen den großen Druck, dem sich einige Gruppen vor Ort nach unserem Anschlag mit seinen weitreichenden Folgen nicht haben entziehen können. Wir lesen viele Äußerungen als Verunsicherung und weniger als Distanzierung."

"Wir retten sogar die Schnecken am Strommast, bevor wir diesen Minuten später anzünden"

"Gewaltfrei und militant ist für uns kein Widerspruch", heißt es in dem Bekennerschreiben weiter. "Wir haben die Gefährdung von Menschenleben ausgeschlossen. Die Aktion wäre niemals durchgeführt worden, wenn wir nur den leisesten Zweifel daran gehabt hätten." Und als Gipfel der Sanftmut: "Wir retten sogar die Schnecken am Strommast, bevor wir diesen Minuten später anzünden."

Die Tonalität des Schreibens erinnert an die Unterscheidung zwischen "Gewalt gegen Sachen" und "Gewalt gegen Personen", auf die vor gut einem halben Jahrhundert die seinerzeitige "Außerparlamentarische Opposition" großen Wert legte. Schon damals konnte diese vermeintlich klare Grenzziehung etliche Wirrköpfe nicht davor bewahren, über Kaufhaus-Brandstiftungen, die sie als politischen Protest verstanden wissen wollten, in blutigen Terrorismus abzurutschen. Die von der "Vulkangruppe" verübten Anschläge auf kritische Infrastruktur haben strafrechtlich bereits ein erheblich größeres Kaliber als bloße Sachbeschädigung. Deshalb hat in diesem und anderen Fällen die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe die Ermittlungen übernommen.

Mehrheit der Einwohner von Grünheide lehnt geplante Erweiterung des Tesla-Geländes ab

Den Hintergrund bildet, dass der US-amerikanische Elektroautohersteller Tesla sein neues Werk in Grünheide bei Berlin (211111), das am 22. März 2022 mit einer Rede von Bundeskanzler Olaf Scholz eröffnet wurde, um zusätzliche Lager- und Logistikflächen erweitern will. Dafür sollten weitere hundert Hektar Wald gerodet werden. Die Mehrheit der Einwohner von Grünheide lehnte dies bei einer Bürgerbefragung im Februar ab. Tesla revidierte daraufhin die Erweiterungspläne und kürzte den Flächenbedarf auf 47 Hektar. Der Bau eines eigenen Güterbahnhofs bleibt wichtigster Teil des abgespeckten Vorhabens, das von der Gemeindeverwaltung zwar unterstützt wird, aber noch immer auf starken Widerstand stößt. Eine Gruppe von Umweltaktivisten besetzte ein Waldstück neben dem Tesla-Werk und errichtete dort Baumhäuser. Am 19. März erwirkten die Demonstranten beim Verwaltungsgericht Potsdam den einstweiligen Aufschub einer polizeilichen Verfügung, die Baumhäuser bis 25. März zu entfernen.

 

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