September 2023

230909

ENERGIE-CHRONIK


Regierung verzichtet auf höhere Energiestandards bei Gebäuden

Wegen des starken Rückgangs des Wohnungsbaues verzichtet die Bundesregierung auf die weitere Erhöhung der Energieeffizienz-Vorschriften für Neubauten. Außerdem wird sie auf europäischer Ebene nicht mehr den von der EU geplanten Sanierungszwang für einzelne Gebäude unterstützen. Dies gaben Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundeswohnungsbauministerin Klara Geywitz am 25. September bekannt. Anlass war ein "Wohnungsgipfel", zu dem sich das "Bündnis bezahlbarer Wohnraum" zum zweiten Mal im Bundeskanzleramt traf.

Neubau von 400.000 Wohnungen jährlich ist inzwischen illusorisch

Das im Koalitionsvertrag vorgesehene Bündnis hatte sich am 27. April 2022 auf Einladung der Bundesbauministerin konstituiert. Neben Vertretern des Bundes umfasst es solche der Länder, der kommunalen Spitzenverbände, der Wohnungs- und Bauwirtschaft, der Gewerkschaften, der Kirchen und zivilgesellschaftlicher Organisationen. Erklärter Zweck des Bündnisses war der im Koalitionsvertrag vorgesehene Bau von 400.000 Wohnungen jährlich, von denen 100.000 öffentlich gefördert sein sollten. Tatsächlich wurden 2022 aber nur 295.000 neue Wohnungen fertig, und für das laufende Jahr ist ein deutlicher Rückgang zu erwarten. Bei einem geschätzten Fehlbestand von rund 700.000 Wohnungen ist die Erreichung des gesteckten Ziels damit bis auf weiteres illusorisch geworden.

"Klimaneutrale Beheizung wird durch Gebäudeenergiegesetz sichergestellt"

"Angesichts der aktuell schwierigen Rahmenbedingungen in der Bau- und Wohnungswirtschaft durch hohe Zinsen und Baukosten ist die Verankerung von EH 40 als verbindlicher gesetzlicher Neubaustandard in dieser Legislaturperiode nicht mehr nötig und wird ausgesetzt", heißt es nunmehr in einem zehnseitigen Papier, in dem die Bundesregierung ihre neue Marschroute erläutert (PDF). Zudem werde mit der inzwischen erfolgten Verabschiedung des Gebäudeenergiegesetzes (230906) sichergestellt, dass ab 1. Januar 2024 in Neubauten klimaneutral geheizt wird. Bei den Verhandlungen über die EU-Gebäuderichtlinie (EPBD) werde sie sich zwar weiterhin "für anspruchsvolle Sanierungsquoten für den gesamten Gebäudebestand einsetzen, aber verpflichtende Sanierungen einzelner Wohngebäude ausschließen".

Viele Bauinteressenten überschätzten ihren finanziellen Spielraum

Als Ursache des stark rückläufigen Wohnungsbaues nennt die Bundesregierung "gestiegene Kosten für Baumaterialien in Folge des Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine, höhere Zinsen und fehlende Fachkräfte". Der wichtigste Faktor dürfte der an sich erfreuliche und notwendige Wiederanstieg der Zinsen sein. Zusammen mit den von der Bundesregierung gewährten Subventionen für die Effizienzstandards EH-55 und EH-40 ließ die langandauernde und gegen Null tendierende Niedrigzinsphase viele Bauherrn ihren finanziellen Spielraum überschätzen. Die von der vorherigen Bundesregierung ausgelöste Antragsflut für den längst etablierten Effizienzhaus-Standard EH-55 beanspruchte 5,4 Milliarden Euro, bevor die neue Regierung im Januar 2022 die Notbremse zog (220106). Fragwürdig war aber auch die anschließende Wiederaufnahme der Förderung energieeffizienter Gebäude auf Basis des höheren Standards EH-40, bei der die zur Verfügung stehende Milliarde binnen drei Stunden von der Antragsflut aufgezehrt wurde (220411). Solche Fehlanreize trugen dazu bei, dass nun trotz eines Überhangs von 880.000 bereits erteilten Baugenehmigungen neue Wohnprojekte nur sehr zögerlich in Angriff genommen werden.

Neue Sonderabschreibung setzt lediglich den Effizienzhaus-Standard EH-55 voraus

Der bei allen Neubauten praktisch gegebene Effizienzhausstandard EH-55 wird nun auch ausreichend sein, um in den Genuß einer neuen Sonderabschreibung im Wohnungsbau zu kommen. Sie ermöglicht es, im ersten Jahr sechs Prozent der Investitionskosten und in den folgenden Jahren jeweils sechs Prozent des Restwertes steuerlich geltend zu machen. Der Baubeginn muss zwischen dem 1.10.2023 und dem 30.9.2029 liegen. Diese "degressive AfA" ist Bestandteil eines "Wachstumsbeschleunigungsgesetzes", dessen Entwurf das Bundeskabinett am 30. August auf seiner Tagung im Schloß Meseberg beschloss und das im November vom Bundestag verabschiedet werden soll.

 

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