August 2022

220804

ENERGIE-CHRONIK


Gasumlage beträgt vorerst 2,419 Cent pro Kilowattstunde

Die Trading Hub Europe GmbH (THE) gab am 15. August die Höhe der Umlage auf die Gaspreise bekannt, mit der ab 1. Oktober die Gasimporteure ihre Mehrkosten für die Ersatzbeschaffung von fehlenden russischen Gaslieferungen an die Endverbraucher weitergeben können. Sie beträgt 2,419 Cent pro Kilowattstunde bzw. 24,19 Euro pro Megawattstunde. Sie wird ab dem 1. Oktober 2022 auf alle Gasmengen erhoben, die aus dem Transportnetz ausgespeist werden. Stadtwerke und andere Zwischenhändler sind dann berechtigt, diese Umlage mit den Gasrechnungen an die Endverbraucher weiterzugeben. Die nun errechnte Umlagehöhe basiert auf Ansprüchen in Höhe von insgesamt 34 Milliarden Euro, die von insgesamt zwölf Importeuren geltend gemacht wurden. Diese sind allerdings in sehr unterschiedlicher Weise betroffen und könnten teilweise ohne weiteres auf eine derartige Finanzhilfe verzichten, was berechtigte Kritik ausgelöst hat (siehe 220803).

Die Neuregelung ist bis zum 1. April 2024 befristet und kann alle drei Monate den tatsächlich anfallenden Zusatzkosten für die Ersatzbeschaffung angepasst werden. Wie hoch diese sind, wird jeweils von der THE ermittelt, die ein Gemeinschaftsunternehmen der zwölf deutschen Fernleitungsnetzbetreiber ist und seit knapp einem Jahr die Rolle des "Marktgebietsverantwortlichen" für das gesamte deutsche Gasnetz übernommen hat (211010).

Die Mehrwertsteuer wird auch für die neue Umlage erhoben, sinkt aber für Gas generell von 19 auf sieben Prozent

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sprach Ende Juli von einer voraussichtlichen Mehrbelastung von 1,5 bis 5 Cent pro Kilowattstunde (220705). Die Umlage fällt somit geringer aus als zu befürchten war. Die 2,419 Cent pro Kilowattstunde sind freilich nur der Nettobetrag der Gasumlage, auf den noch die Mehrwertsteuer von 19 Prozent fällig würde, was 2,879 Cent ergäbe. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) bat deshalb in Brüssel um Erlaubnis, die Mehrwertsteuer in diesem Fall nicht erheben zu müssen. Die EU-Kommission stellte jedoch am 16. August klar, dass die europarechtlichen Vorgaben eine solche Befreiung nicht zulassen. Es sei allenfalls möglich, die Mehrwertsteuer für die Umlage bis auf fünf Prozent zu senken und die so erzielten staatlichen Mehreinnahmen den Gasverbrauchern nachträglich in geeigneter Weise wieder zukommen lassen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kündigte daraufhin am 18. August eine generelle Absenkung der Mehrwertsteuer für Gas von 19 auf auf sieben Prozent an, solange die Umlage erhoben wird.

Mediengetöse um angeblich falsche Entlastungsversprechungen des Bundeskanzlers

Mit diesem Schritt - so sagte Scholz laut einer regierungsamtlichen Mitteilung - "entlasten wir die Gaskunden insgesamt deutlicher, als die Mehrbelastung, die durch die Umlagen entsteht, beträgt". Das war mißverständlich formuliert, denn eigentlich wollte Scholz lediglich zum Ausdruck bringen, "dass den Gaskunden keine zusätzlichen Belastungen aus der obligatorischen Erhebung der Mehrwertsteuer auf die Gasumlagen entstehen", wie er bzw. seine Textschreiber an anderer Stelle korrekt formulierten. So aber provozierte dieser sprachliche Lapsus etliches Mediengetöse und trug der Regierung den Vorwurf ein, die Öffentlichkeit über die tatsächliche Mehrbelastung durch die Gasumlage täuschen zu wollen.

Habeck formulierte denselben Sachverhalt vorsichtiger

"Wir wollen nicht, dass die Menschen noch zusätzlich durch die Mehrwertsteuer auf die Gas-Umlagen belastet werden", hieß es dagegen in der Stellungnahme von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Da eine direkte Steuerbefreiung europarechtlich nicht in Frage komme, sei die Anwendung des schon bestehenden reduzierten Steuersatzes von sieben Prozent sinnvoll, damit nicht noch zusätzlicher Aufwand entstehe und die Senkung schnell bei den Verbrauchern ankomme. "Das kompensiert auch andere Kosten, die über höhere Umlagen anfallen“, hieß es dann in Habecks Stellungnahme. Der Begriff "Kosten" blieb dabei ebenfalls unpräzise, bezog sich aber nur auf sonstige Umlagen und Entgelte, die wie die jetzt neu eingeführte Gasumlage den Verbrauchern mit dem Arbeitspreis in Rechnung gestellt werden. Diese fünf anderen Posten sind aber vergleichsweise gering. Die Absenkung der Mehrwertsteuer könnte hier deshalb tatsächlich auch die Erhöhung der Netto-Mehrbelastung zumindest teilweise kompensieren.

Die Gasspeicher-Umlage ist vorerst vierzigmal geringer als die Umlage für die Ersatzbeschaffung

Das gilt vor allem für die neue Gasspeicherumlage nach § 35e des Energiewirtschaftsgesetzes, die der Bundestag am 7. Juli mit anderen gesetzlichen Änderungen beschloss (220705). Sie wird ebenfalls ab 1. Oktober erstmals erhoben, ist aber mit 0,059 Cent pro Kilowattstunde vorerst rund vierzigmal geringer als die Umlage für die Ersatzbeschaffung. Mit dieser Umlage sollen Kosten gedeckt werden, die dem Marktgebietsverantwortlichen THG durch die ihm auferlegte Verpflichtung entstehen, für die rechtzeitige Füllung der deutschen Gasspeicher zu sorgen (220504, 220708). Ob der nun festgelegte Satz dafür ausreicht, wird sich allerdings erst noch herausstellen müssen.

"Bilanzierungsumlage" steigt von null bis auf 0,57 Cent/kWh

Hinzu kommen vier weitere Umlagen und Entgelte, die es prinzipiell bereits gab, bisher aber teilweise mit null angesetzt waren. Finanzielle Bedeutung erlangt nun vor allem die Umlage zur Deckung der Kosten für Regelenergie: Diese "Bilanzierungsumlage" steigt für SLP-Kunden von 0 auf 0,57 Cent/kWh und für RLM-Kunden von 0 auf 0,39 Cent/kWh. Das "Konvertierungsentgelt" für die Umwandlung von L-Gas zu H-Gas (160802) beträgt unverändert 0,045 Cent/kWh, während die "Konvertierungsumlage", die bisher mit null beziffert war, erstmals mit 0,038 Cent/kWh zu Buche schlägt. Außerdem steigt das "VHP-Entgelt" für die Nutzung des virtuellen Handelspunktes beim Marktgebietsverantwortlichen THE von 0,0001 auf 0,000148 Cent/kWh. Insgesamt ergibt sich so neben der neuen Gasumlage von 2,419 Cent eine zusätzliche Belastung um bis zu 0,7 Cent pro Kilowattstunde durch weitere Umlagen und Entgelte.

Das ursprünglich vorgesehene Umlage-Verfahren hätte die Verbraucher einseitig und unzumutbar belastet

Die neue Gasumlage stützt sich auf den § 26, der dem Energiesicherheitsgesetz (EnSiG) Anfang Juli eingefügt wurde (220705), sowie auf die "Verordnung über einen finanziellen Ausgleich durch eine saldierte Preisanpassung", die auf dieser Grundlage von der Bundesregierung erlassen und am 8. August im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wurde (HTML). Sie ergänzt bzw. ersetzt die in § 24 weiterhin enthaltenen "Preisanpassungsrechte bei verminderten Gasimporten", die erst wenige Wochen zuvor dem Energiesicherheitsgesetz eingefügt wurden, um die höheren Kosten der Ersatzbeschaffung entlang der Lieferkette weitergeben zu können. Diese Regelung erwies sich dann aber schnell als sozial ungerecht und politisch untauglich, da die großen Energiekonzerne keineswegs gleichmäßig von der Vorenthaltung russischer Gaslieferungen betroffen sind. So verbuchten RWE und Shell im ersten Halbjahr 2022 sogar ungewöhnlich hohe Gewinne. Der am stärksten auf russische Gaslieferungen angewiesene Importeur Uniper musste dagegen von der Bundesregierung mit einem 15-Milliarden-Kredit vor dem Bankrott gerettet werden (220702). Auch im August hat Uniper weiterhin täglich bis zu 100 Millionen Euro für teure Ersatzkäufe verbrannt. Unter diesen Umständen hätte eine Preisanpassung, welche die besonders hohen Kosten von Uniper oder anderen in Bedrängnis geratenen Importeuren einfach entlang der Lieferkette weiterreicht, einen Teil der Verbraucher in unzumutbarer Weise besonders stark belastet.

Die "saldierte Preisanpassung" nach § 26 EnSiG vermeidet diesen Fehler, indem sie die Kosten für die Ersatzbeschaffung von vertragswidrig vorenthaltenen russischen Gaslieferungen auf alle Gasverbräuche aus dem deutschen Netz umlegt - unabhängig davon, ob diese Gasmengen aus Russland, Norwegen, den Niederlanden, Dänemark, Großbritannien oder der inländischen Förderung stammen. Die Importeure müssen dabei die Verluste, die ihnen aus der Ersatzbeschaffung entstehen, bis Ende September selber tragen. Erst für solche russischen Lieferungen, die vor dem 1. Mai 2022 vertraglich vereinbart wurden und ab 1. Oktober 2022 ausfallen, können sie die Differenz zwischen Bezugspreis und Kosten der Ersatzbeschaffung erstattet bekommen - aber auch dann nur bis zu 90 Prozent.

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