April 2020

200402

ENERGIE-CHRONIK


Öl wurde trotz Opec-Förderbeschränkung noch billiger

Der Preis für Rohöl ist im April noch tiefer gesunken, nachdem er im März binnen 15 Tagen mehr als halbiert wurde (200302). Das verhinderte auch eine Förderbeschränkung nicht, die von den Opec-Mitgliedern und ihren Unterstützern am 10. April auf einer eilends einberufenen Video-Konferenz beschlossen wurde. Bis Ende des Monats sackte der Preis für ein Fass der Sorte Brent bis auf 20 Dollar ab. Für die Sorte WTI fiel der Schlusskurs am 20. April sogar auf minus 37,63 Dollar – ein absolutes Novum in der Geschichte der Ölförderung, in der negative Preise bisher unvorstellbar waren.

Russland und Saudi-Arabien hatten den durch Corona bewirkten Preisverfall absichtlich verstärkt


Die Preise für die Sorten Brent und WTI korrespondierten von Januar bis Anfang April mit einer Abweichung zwischen 1,35 bis 6,48 Euro pro Barrel. Dann wurde der Abstand mit bis zu 9,81 Dollar etwas größer. Am 20. April
war plötzlich sogar eine Zuzahlung von 37,63 Dollar pro Barrel WTI-Kontrakten erforderlich.

Auslöser des drastischen Preisverfalls waren Russland und Saudi-Arabien. Sie hatten Anfang März ihre Förderung eher noch ausgeweitet statt eingeschränkt, obwohl sich die Opec-Staaten zunächst darauf geeinigt hatten, bis zum Jahresende eine Million Barrel pro Tag weniger zu fördern. Die Opec wollte damit dem Preisrückgang entgegenwirken, der sich bereits abzeichnete, weil aufgrund der Coronavirus-Krise die Öl-Nachfrage zurückging. Allerdings machte sie zur Bedingung, dass die Beschränkung von Russland und anderen inoffiziellen Unterstützern der Opec mitgetragen würde. Dazu war aber Russland nicht bereit, worauf auch Saudi-Arabien umschwenkte und seine Förderung sogar um drei Millionen Barrel täglich erhöhte. Die weltweit zweit- und drittgrößten Ölförderer witterten eine Chance, die USA vom ersten Platz wieder zu verdrängen, weil sich die amerikanische Förderung per "Fracking" nur bei einem recht hohen Preis rentiert. Sie verstärkten so den Corona-Effekt noch enorm.

Opec-Abstriche an Förderung kamen zu spät und waren zu gering

Anfang April wurde es allerdings auch Russland und Saudi-Arabien ziemlich mulmig, und beide gaben sich wechselseitig die Schuld für den Preiskrieg. Zugleich unternahm die Opec neue Anstrengungen zu einer Förderbeschränkung. Als dann auch noch US-Präsident Trump ein Treffen mit Vertretern der Fracking-Industrie ankündigte, um über etwaige Staatshilfen zu sprechen, legte der Preise für das Barrel Brent, das am 31. März nur noch 22,74 Dollar kostete, bis 3. April auf 34,11 Dollar zu. Trump befeuerte diesen Anstieg zusätzlich mit einer seiner famosen Twitter-Botschaften, wonach er mit dem saudi-arabischen Kronprinzen Mohammed bin Salman telefoniert habe, der seinerseits mit dem russischen Präsidenten Putin gesprochen habe, was ihn zu der Hoffnung berechtige, dass beide die Ölförderung um 10 oder sogar 15 Millionen Fass täglich kürzen würden. Der Kreml dementierte und auch Saudi-Arabien wollte die Prognose so nicht bestätigen. Immerhin kam es dann aber zu zähen Verhandlungen, die zunächst am Widerstand Mexikos scheiterten, bis die USA sich bereit erklärten, für einen Teil der mexikanischen Förderkürzungen einzuspringen. Darauf ergab sich am 10. April doch noch eine Einigung, die laut Opec-Pressemitteilung so aussieht:

Die Einigung kam aber zu spät und war zu gering, um das weitere Abrutschen des Ölpreises aufzuhalten, zumal die Kürzungen erst ab 1. Mai in Kraft treten sollten und der Nachfrageschwund infolge der Corona-Krise sich stärker denn je bemerkbar machte. Der kurzfristige Anstieg bis auf 31,74 Dollar pro Barrel Brent ging deshalb schon vier Tage nach dem Beschluss wieder in Sinkflug über. Gegen Ende des Monats lag der Preis nur noch knapp über 20 Dollar.

Ausnahmesituation bewirkte Negativpreise für WTI

Für einen ganz besonderen Paukenschlag sorgte die Entwicklung der US-amerikanischen Ölsorte West Texas Intermediate (WTI). Normalerweise ist ihr Preis etwas niedriger als der für die Nordsee-Sorte Brent. Nun aber waren die für die Notierung maßgeblichen Mai-Kontrakte für WTI am 20. April (bzw. am 19. April New Yorker Zeit) kurzfristig überhaupt nichts mehr wert. Die Anbieter mussten sogar ein Aufgeld bis zu 40,32 Dollar pro Barrel zahlen, um sie überhaupt loszuwerden. Der Schlusskurs lag bei 37,63 Dollar. Einen solchen Vorgang gab es noch nie. Er erklärt sich daraus, dass der Handel mit Rohstoffen vor allem über Warentermingeschäfte abgewickelt wird. Die Negativpreise entstanden durch ein Zusammentreffen von Zeitdruck und übervollen Lagern am letzten Handelstag der Mai-Kontrakte. Anders als bei der Sorte Brent stellen diese Terminkontrakte bei WTI keine rein finanzielle Transaktion dar, sondern müssen physisch erfüllt werden. Da keine Speichermöglichkeiten mehr zur Verfügung standen, war es für die Anbieter die günstigere Lösung, sich dieser Kontrakte vor dem Ablaufdatum durch Zuzahlungen zu entledigen, anstatt sie per "roll over" auf den nächsten Future-Kontrakt zu überwälzen. Die Kontrakte für Juni, Juli und August wurden dagegen weiterhin zu Preisen über 20 Dollar gehandelt.

 

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