März 2019

190307

ENERGIE-CHRONIK


Putin nahm Siemens-Gasturbinen auf der Krim in Betrieb

Der russische Präsident Wladimir Putin eröffnete am 18. März auf der Insel Krim zwei Elektrizitätswerke, die mit Siemens-Gasturbinen ausgerüstet wurden, obwohl dies gegen die Sanktionsbeschlüsse verstieß, welche die EU am 18. Dezember 2014 verhängte, nachdem Russland die zur Ukraine gehörende Halbinsel unter Bruch des Völkerrechts besetzt und seinem Staatsgebiet zugeschlagen hatte (140304). Die Inbetriebnahme der beiden Elektrizitätswerke war Bestandteil der Feierlichkeiten, mit denen der Kreml den fünften Jahrestag der gewaltsamen "Wiedervereinigung" mit der Krim inszenierte. An der Zeremonie zur Eröffnung des Werks in Sewastopol nahm Putin persönlich teil. Die zweite Anlage in der Regionalhauptstadt Simferopol eröffnete er per Videokonferenz.

Täuschungsmanöver war von Anfang an leicht erkennbar

Die vier Gasturbinen wurden im März 2015 von der Technomexport (TMP), einer Tochter des russischen Staatskonzerns Rostec, bei Siemens bestellt. Angeblich waren sie für den Bau eines neuen Kraftwerks auf der Halbinsel Taman bestimmt, die östlich der Krim zum südrussischen Festland gehört. Mit Blick auf die EU-Sanktionsbeschlüsse ließ sich Siemens im Liefervertrag zusichern, daß die Stromerzeugung des Kraftwerks nicht zur Versorgung der Krim verwendet werden dürfe. Allerdings handelte es sich dabei von Anfang an um ein leicht erkennbares Täuschungsmanöver. Auch am angeblichen Bestimmungsort Taman hätten die Gasturbinen letztendlich der Stromversorgung der Krim gedient, da schon damals ein Seekabel durch die Straße von Kertsch geplant war (151106), das Ende 2015 mit 400 MW in Betrieb ging und im Mai 2016 auf 800 MW erweitert wurde.

Siemens hat alle Alarmzeichen ignoriert, bis die Turbinen ausgeliefert waren

Siemens muss sich ferner vorwerfen lassen, auch sonst alle Alarmzeichen ignoriert zu haben, bis die Anlagen ausgeliefert waren. Als russische Medien nach dem Vertragsabschluß berichteten, dass auf der Krim zwei neue Kraftwerke gebaut und mit Siemens-Turbinen ausgerüstet würden, fand der Konzern dies zwar irritierend, konnte aber angeblich keine stichhaltigen Anhaltspunkte für diese Nachricht entdecken. Er wurde nicht einmal stutzig, als auf der Krim in Sewastopol und Simferopol die Bauarbeiten für die Gaskraftwerke begannen, während auf Taman überhaupt nichts zu sehen war. Im Juni 2016 fiel das Potemkinsche Dorf ganz in sich zusammen, weil die Ausschreibung für Taman mangels Angeboten abgesagt wurde (170704).

Bundesregierung begnügte sich mit erlogener Zusage Putins

In ähnlicher Weise ließ sich die Bundesregierung düpieren und von Siemens einbinden, um drohende Sanktionen seitens der EU-Kommission abzuwenden. Sie warnte zwar im September 2016 den Kreml vor einer Verlagsverletzung. Der damalige Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) begnügte sich dann aber mit einer offensichtlich erlogenen Zusicherung des Kremlchefs Putin, dass die Turbinen nicht für die Krim bestimmt seien.

Siemens will Russland-Geschäft weiter ausbauen

Vollends zur Farce gerieten die Klagen, die Siemens anschließend vor russischen Gerichten anstrengte und die erwartungsgemäß abgewiesen wurden. Das pflichtgemäße Lamento über die Vertragsverletzung wurde dem Konzern von russischer Seite nicht weiter übel genommen. Laut FAZ (19.3.) sind die Geschäftsbeziehungen nach wie vor gut. Im Dezember habe der Russland-Chef von Siemens, Alexander Liberow, sogar über Pläne zur weiteren Intensivierung berichtet. Neben der Lieferung von Schnellzügen für den staatlichen Bahnkonzern RZD sei an die Ausweitung des Geschäfts mit Gasturbinen des Typs SGT5-2000E gedacht, wie sie jetzt auf der Krim in Betrieb genommen wurden und wie sie Russland selber nicht herzustellen vermag: Die SGT5-2000E gilt als robusteste Gasturbine der Siemens-Palette. Sie kann mit einer großen Bandbreite von hoch- bis niederkalorischen Brennstoffen befeuert werden und sogar während des laufenden Betriebs von Erdgas zu Öl bzw. umgekehrt wechseln. Die Leistung beträgt bis zu 187 MW.

Kooperationsabkommen mit chinesischem Hersteller von Gasturbinen

Siemens hat seit geraumer Zeit Absatzprobleme im einst florierenden Geschäft mit Kraftwerksturbinen, weshalb es in diesem Bereich zu einschneidenden Personalkürzungen kam. Begründet wurden sie mit dem "Strukturwandel bei der fossilen Stromerzeugung" bzw. dem Vormarsch der erneubaren Energieträger. Der Siemens-Vorstandsvorsitzende Joe Kaeser warf in diesem Zusammenhang der deutschen Politik vor, dass sie mit der Förderung der Solarenergie vor allem Arbeitsplätze in China geschaffen habe (171103).

Inzwischen setzt der Siemens-Konzern selber auf den chinesischen Markt, um sein schwächelndes Turbinengeschäft noch möglichst profitabel verwerten zu können. Im März unterzeichnete er in Peking ein weitreichendes Abkommen mit dem chinesischen Kraftwerksbauer United Heavy-Duty Gas Turbine Company (UGTC), dem er technologischen Beistand bei der Entwicklung großer Gasturbinen leisten wird. Im Gegenzug erhofft er sich kurzfristig Aufträge für die eigenen Gasturbinen und einen verbesserten Zugang zum chinesischen Markt. Am 26. März wurde diese Kooperation auch offiziell mitgeteilt und durch ein Partnerschaftsabkommen mit der State Power Investment Corporation Limited (SPIC) auf andere Energiebereiche wie die Digitalisierung von Kraftwerken oder die Enwicklung von Strom-zu-Gas-Projekten erweitert. Wenn der vereinbarte Technologietransfer Früchte trägt, dürfte es für Siemens auf dem Weltmarkt allerdings noch enger werden. Längerfristig ist sogar ein Rückzug aus dem Turbinengeschäft vorstellbar.

 

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