Dezember 2018 |
181207 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die EU-Kommission hat am 7. Dezember den deutschen Übertragungsnetzbetreiber TenneT verpflichtet, die Kapazitäten für Stromimporte aus Dänemark dauerhaft auf 1.300 MW zu erhöhen. Diese Mindestübertragungsleistung muss in den nächsten sechs Monaten sichergestellt sein. Sie darf nur unterschritten werden, wenn die Redispatch-Möglichkeiten oder andere Hilfsmittel zur Vermeidung von Netzüberlastungen nicht ausreichen. Außerdem muss im Zuge von zwei Leitungsprojekten, die bis 2020 bzw. 2022 fertiggestellt sein sollen, die garantierte Kapazität pro Stunde bis 1. Januar 2026 auf 2625 MW angehoben werden.
Die Kommission hatte im März dieses Jahres eine förmliche Untersuchung eingeleitet, ob die von TenneT vorgenommene Beschränkung der Stromübertragungskapazitäten von Westdänemark nach Deutschland gegen die EU-Kartellvorschriften verstößt. Sie hegte den Verdacht, dass die tatsächlich verfügbaren Kapazitäten größer sind und ausländische Stromerzeuger bei der Nutzung des deutschen Stromnetzes benachteiligt würden. Tennet legte daraufhin ein Verpflichtungsangebot vor, mit dessen jetzt erfolgter Annahme das Verfahren beendet ist. Die Verpflichtungen gelten für neun Jahre. Ihre Einhaltung wird von einem Treuhänder überwacht. Falls das Unternehmen dagegen verstoßen sollte, droht ihm eine Geldbuße von bis zu zehn Prozent seines weltweiten Jahresumsatzes.
Die Verpflichtung bedeutet, dass Tennet künftig Stromflüssen aus
Dänemark auch dann den Vorrang einräumen muss, wenn das Netz im
norddeutschen Raum durch starke Windstromeinspeisung voll ausgelastet
ist und deshalb keine zusätzlichen Kapazitäten für Stromimporte zur
Verfügung stehen. TenneT wird künftig in solchen Situationen erst
sämtliche Redispatch-Möglichkeiten ausschöpfen müssen – und dazu
gehört das Abregeln von Windkraftanlagen – , bevor die zugesicherte
Mindestübertragungsleistung unterschritten werden darf. Praktisch läuft
die von der EU-Kommission erzwungene Regelung also auf das vermehrte
Abschalten von Windkraftanlagen hinaus. Die dadurch anfallenden
Entschädigungen für die Betreiber der EEG-Anlagen werden über die
Netzentgelte auf die Stromverbraucher abgewälzt. Im Jahr 2017 beliefen
sich die Kosten für dieses sogenannte Einspeisemanagement (181208) auf 610 Millionen Euro. Hinzu
kamen knapp 392 Millionen Euro für den Redispatch mit konventionellen
Kraftwerken, so daß die Redispatch-Kosten insgesamt eine
Milliarde Euro erreichten (181202).
Eine Erhöhung der
grenzüberschreitenden Kapazitäten, wie sie jetzt Dänemark mit Hilfe der
EU-Kommission durchgesetzt hat, verstärkt diese Belastung. Betroffen
sind vor allem Haushalte und
andere Niederspannungskunden. Die Alternative wäre die Aufteilung
Deutschlands in zwei Strompreiszonen. Wie bei der soeben erfolgten
Auftrennung der deutsch-österreichischen Stromhandelszone (181003) würden
dadurch die Redispatch-Kosten sinken und die Netzentgelte entlastet.
Den Nutzen hätte aber wahrscheinlich nur die Masse der
Kleinverbraucher. Dagegen lehnen Industrie, Branchenverbände,
Netzbetreiber,
Stromhändler und Börse
eine weitere Parzellierung des Strommarktes strikt ab. Und da sie näher
am Ohr
der Bundesregierung sitzen, hat diese im November 2017 eine Änderung
der Stromnetzzugangsverordnung beschlossen, die durch den neu
eingefügten § 3a
ausdrücklich eine "einheitliche Stromgebotszone"
innerhalb Deutschlands vorschreibt (171101).
Die Industrie ist als Mittel- oder Hochspannungskunde von den
Netzentgelten ohnehin weniger betroffen. Vor allem werden ihr extrem
hohe Netzentgelt-Nachlässe bis zu neunzig Prozent gewährt, die
ebenfalls zu Lasten der Kleinverbraucher gehen (180514).
Für industrielle Großverbraucher ist deshalb die mögliche
Netzentgelt-Entlastung durch Vermeidung von Redispatch eine
vernachlässigbare Größe. Ein viel gewichtigerer Faktor ist aus ihrer
Sicht der leichte Anstieg
der Strompreise, der bei einer weiteren Aufteilung in zwei
nationale Strompreiszonen südlich der Main-Linie zu erwarten wäre.