April 2018

180402

ENERGIE-CHRONIK


Gazprom muss der Ukraine 2,56 Milliarden Dollar zahlen

Der Gewinn des russischen Gaskonzerns Gazprom ist 2017 um ein Viertel gesunken. Wie er am 26. April mitteilte, wird er dem Staat und sonstigen Eignern nur noch 714,3 Milliarden Rubel ausschütten können. Das sind 237,3 Milliarden Rubel bzw. 3,4 Milliarden Euro weniger als im Vorjahr. Der Hauptgrund dafür seien fast 200 Milliarden Rubel an Rückstellungen wegen eines Urteils vom 28. Februar, mit dem Gazprom vom Stockholmer Schiedsgericht zur Zahlung von 2,56 Milliarden US-Dollar an den ukrainischen Gasversorger Naftogaz verpflichtet wurde.

Bei dem Streit vor dem Schiedsgericht der Stockholmer Handelskammer hatten Gazprom und Naftogaz riesige Schadenersatzansprüche an die jeweils andere Seite gerichtet. Sie reichten bis in die Zeit des 2014 gestürzten Janukowitsch-Regimes zurück, als Gazprom von der Ukraine aufgrund einer "take-or-pay"-Klausel in den Gaslieferverträgen hohe Strafzahlungen verlangte (131210). Insgesamt soll Gazprom 37 Milliarden Dollar gefordert haben, während sich die Gegenklage von Naftogaz auf 26,6 Milliarden Dollar belief. Zuverlässige Informationen gibt es nicht, da der Streit hinter verschlossenen Türen verhandelt wurde. Auch über den Ausgang des Verfahrens ließen die Betroffenen jeweils nur soviel verlauten, wie ihnen dienlich erschien.

Kreml will Entscheidung nicht akzeptieren und setzt auf neue Runde vor dem Schiedsgericht

Als Reaktion auf das Urteil beschloss Gazprom am 2. März, sämtliche Liefer- und Transitverträge Verträge mit der Naftogaz zu kündigen. Zur juristischen Durchsetzung dieser Kündigungen soll erneut das Stockholmer Schiedsgericht bemüht werden. Das Unternehmen sei nicht bereit, den jetzigen Spruch des Schiedsgerichts zu akzeptieren, sondern werde "seine Rechte mit allen gesetzlichen Mitteln schützen", erklärte der Vorstandsvorsitzende Alexej Miller. Er warf dem Schiedsgericht vor, es habe sich von einer "Doppelmoral" leiten lassen, indem es einen "asymmetrischen Beschluss" gefasst habe, der "das Gleichgewicht der Interessen" bei den bestehenden Liefer- und Transitverträgen mit der Ukraine außer Acht lasse. Gazprom sei nicht einverstanden damit, dass die wirtschaftlichen Probleme der Ukraine auf seine Kosten gelöst würden.

"An diesem Punkt sind die Verträge wirtschaftlich unrentabel und für uns nicht mehr tragbar", erklärte Miller laut Gazprom bei einem Arbeitstreffen mit dem russischen Ministerpräsidenten Medwedew am 13. März. Die Vertragsbeendigung werde wahrscheinlich eineinhalb oder zwei Jahre dauern. Ferner habe er gesagt: "Derzeit bestehen jedoch keine Risiken für den Transit von Gas nach Europa durch die Ukraine, sofern Naftogaz in der Ukraine nicht unberechtigterweise Gas entnimmt. Selbstverständlich erwarten wir, dass das Stockholmer Schiedsgericht das Interessenungleichgewicht zwischen den Parteien während des neuen Verfahrens beseitigen wird."

Naftogaz kann russische Fehlmengen durch EU-Importe ausgleichen

Zugleich weigert sich Gazprom, die vom Schiedsgericht angeordnete Wiederaufnahme von Lieferungen an die Ukraine zu befolgen. Naftogaz bezeichnete dies als Vertragsverletzung, zumal das Gas bereits im voraus bezahlt worden sei. Die EU-Staaten müßten nun "eigene Schlußfolgerungen hinsichtlich der Zuverlässigkeit eines Geschäftspartners ziehen, der eine Rechnung ausstellt, dafür die Zahlung erhält und die Lieferung verweigert". Ferner müßten sie prüfen, ob es wirklich sinnvoll sei, einen solchen Geschäftspartner durch die Erlaubnis zum Bau der Gas-Pipeline Nord Stream 2 zu stärken.

Am 3. März teilte Naftogaz mit, dass die russische "Erpressung" fehlgeschlagen sei: Dank zusätzlicher Gasimporte aus der EU sei es möglich, die fehlende Menge von täglich 18 Millionen Kubikmeter Gas auszugleichen, die Gazprom an die Ukraine hätte liefern müssen. Damit sei es auch gelungen, den vertraglich vereinbarten Pipelinedruck aufrechtzuerhalten und das ukrainische Fernleitungssystem voll funktionsfähig zu erhalten. Zuvor hatte die Naftogaz mit dem polnischen Erdgasversorger PGNiG, der ihr bereits über eine Milliarde Kubikmeter zulieferte, einen weiteren Vertrag geschlossen.