September 2017 |
170904 |
ENERGIE-CHRONIK |
An anderen Landesgrenzen innerhalb des kontinentaleuropäischen Verbundsystems (blau) gibt es schon seit längerem Phasenschieber, mit denen unerwünschte Stromflüsse abgeblockt werden können (rot). Nun werden solche Anlagen auch an den Verbindungen des deutschen Netzes mit Tschechien (Hradec) und Polen (Krajnik, Mikulova) errichtet. Als Folge drückt noch mehr Strom auf die innerdeutschen Netzengpässe. Quelle: ENTSO-E
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Der tschechische Übertragungsnetzbetreiber CEPS teilte am 22. September mit, daß nunmehr im Umspannwerk Hradec alle vier Phasenschieber-Transformatoren in Betrieb sind. Damit kann er noch wirksamer die vagabundierenden Ströme abblocken, die bisher wegen der Engpässe im deutschen Übertragungsnetz über Tschechien nach Süddeutschland oder Österreich flossen. Zugleich nimmt die Belastung des innerdeutschen Stromtransportnetzes ein Stück weiter zu (170104).
"CEPS verhindert nicht, daß Strom durch unser Übertragungsnetz fließt", wurde in der Mitteilung betont. "Es geht vielmehr um die sichere Übertragung einer maximalen Strommenge, ohne daß dadurch die Zuverlässigkeit der tschechischen Stromversorgung beeinträchtigt wird."
Die Maßnahme erfolgte in Abstimmung mit dem ostdeutschen Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz, der ENTSO-E in Brüssel und der europäischen Regulierungsbehörde ACER in Ljubljana. Die Gesamtkosten betrugen 1588 Millionen Kronen, was ungefähr 60 Millionen Euro entspricht.
Die Phasenschieber-Transformatoren begrenzen die Stromflüsse auf der grenzüberschreitenden Leitung, die vom Umspannwerk Röhrsdorf in Sachsen nach Hradec führt. Diese 380-kV-Leitung verfügt über zwei Stromkreise mit einer Kapazität von jeweils 1320 MW, die seit 2011 immer wieder überlastet waren, weil in Norddeutschland erzeugter Strom über Tschechien nach Süden floß. Dasselbe Problem ergab sich auch bei den Kupplungen mit dem polnischen Netz, weshalb dort auf beiden Seiten der Grenze ebenfalls Phasenschieber installiert wurden bzw. noch errichtet werden (120102, 140811, 160307).
In Hradec werden pro Stromkreis jeweils zwei Phasenschieber mit einer Scheinleistung von 850 MVA verwendet. Sie ermöglichen eine Phasenverschiebung zwischen minus 32 Grad und plus 32 Grad, wodurch die übertragene Wirkleistung um bis zu 900 MW reduziert werden kann. Zwei der vier Transformatoren wurden bereits zu Anfang dieses Jahres in Betrieb genommen (170104). Laut CEPS konnte so im ersten Halbjahr an insgesamt 73 Tagen ein zu hoher Stromfluß begrenzt werden. Am stärksten seien die Phasenschieber am 6. Juni gefordert worden, als auf dem Balkan und in Tschechien gleichzeitig ein Stromdefizit auftrat, das eine kritische Netzsituation zur Folge hatte. Aber auch da habe habe man die Regelmöglichkeit nicht bis zum Anschlag nutzen müssen. Eine Phasenwinkelverschiebung von 23 Grad habe ausgereicht.
Auf deutscher Seite will der Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz im Umspannwerk Röhrsdorf ebenfalls zwei Phasenschieber mit jeweils 1200 MVA und einer Phasenwinkelverschiebung um bis zu 20 Grad in Betrieb nehmen, um die Leitung nach Hradec entlasten zu können. Ihre Inbetriebnahme wurde für 2017 angekündigt. Bisher sind sie aber noch nicht fertiggestellt. Im Zusammenhang damit ist der geplante Ausbau der rund hundert Kilometer langen 380-kV-Leitung von Röhrsdorf nach Remptendorf zu sehen, deren Belastbarkeit um gut vierzig Prozent erhöht werden soll. Mit der Erweiterung dieser Leitung könnte der im Nordosten Deutschlands aus Braunkohle oder Wind erzeugte Strom ab Röhrsdorf besser über das innerdeutsche Netz abfließen.