Dezember 2016 |
161211 |
ENERGIE-CHRONIK |
In Berlin regiert seit 8. Dezember eine Koalition aus SPD, Linken und Grünen, die im Landesparlament über 92 von 160 Sitzen verfügt. In ihrem Koalitionsvertrag haben die drei Parteien vereinbart, die Strom- und Gasnetze vollständig zu rekommunalisieren und eine Übernahme der Fernwärmeversorgung zumindest zu prüfen. Die neuen Berliner Stadtwerke sollen mit einem Eigenkapital von 100 bis 150 Millionen Euro ausgestattet werden und dauerhaft in öffentlicher Hand verbleiben. Ihre Gewinne werden "vollständig in die ökologische und soziale Umgestaltung der Berliner Energieversorgung reinvestiert". Die 1992 gegründet Berliner Energieagentur, die bisher zu jeweils einem Viertel vom Senat, der GASAG, Vattenfall und der KfW-Bank getragen wird, soll vollständig in Landesregie überführt werden.
"Mit einem landeseigenen Stadtwerk werden wir den Umstieg von klimaschädlicher Kohleverstromung auf saubere neue Energien für alle Berliner*innen attraktiv machen", heißt es im Text der Vereinbarung, der zumindest für die Anhänger*innen einer geschlechtsneutralen Schreibweise eine echte Sternstunde sein dürfte. "Ver- und Entsorgungsinfrastrukturen sind Teil der städtischen Daseinsvorsorge und gehören in öffentliche Hand. Insbesondere Berlins Energienetze sollen nicht länger Energiekonzernen gehören, sondern den Bürger*innen der Stadt, und sind am Ziel der Vollversorgung mit Erneuerbaren Energien auszurichten."
Da der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) und Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) ihre Posten behielten, sind keine großen Änderungen des bisher eingeschlagenen Kurses zu erwarten. Zuletzt war vorgesehen, die Stromnetzkonzession an die landeseigene Berlin Energie zu erteilen, die ihre Bewerbung auf den fachlich-technischen Beistand der E.ON-Tochter E.DIS stützen kann (160318). Ebenfalls mit Hilfe von E.ON will das Land Berlin die Mehrheit am hauptstädtischen Gasversorger GASAG übernehmen, bei dem der Verbündete mit 36,85 Prozent der größte Aktionär ist (160410).
"Die Koalition wird die Konzessionsverfahren nach Recht und Gesetz diskriminierungsfrei weiterführen", heißt es im Koalitionsvertrag. Unabhängig vom Ausgang der Verfahren erstrebe sie aber "eine 100-prozentige Rekommunalisierung des Stromnetzes zum Ertragswert". Das Stromnetz sei für die Gestaltung der Energiewende wichtig und biete "über die Bürgerbeteiligung und eine genossenschaftliche Beteiligung die aus Sicht der Koalition zu realisierende Möglichkeit, daß die Berliner*innen die Energiewende konkret mitgestalten können".
Die Koalition strebe auch eine vollständige Rekommunalisierung des Gasnetzes an, sofern "der Kaufpreis nicht über dem Ertragswert liegt, den das Gasnetz im Falle einer konsequenten Klimaschutzpolitik, die Berlin bis 2050 klimaneutral macht, noch hätte." Die GASAG soll dann von den derzeitigen Eigentümern übernommen werden und "als integriertes Unternehmen erhalten" bleiben. Die Zielsetzung, aus Berlin bis 2050 eine klimaneutrale Stadt zu machen, war im August noch von der alten Landesregierung beschlossen worden.
Bei der Fernwärme muß dagegen nach Ansicht der Koalition "sorgfältig
geprüft" werden, unter welchen Voraussetzungen eine Übernahme
sinnvoll sein könnte". Das Fernwärmenetz hat der Vattenfall-Konzern
zusammen mit dem Stromnetz erworben, als er sich vor 15 Jahren den kommunalen
Stromversorger Bewag einverleibte (011201). Trotz der
neuen eigentumsrechtlichen Verhältnisse kam es aber nicht zu einem Konzessionsvertrag.
Er hält das Fernwärmenetz deshalb für sein unbefristetes Eigentum.
Die Koalition will nun zumindest "das Berliner Straßengesetz nach
dem Vorbild Hamburgs novellieren um klarzustellen, daß gebietsübergreifenden
Sondernutzungen kein Ewigkeitsrecht zukommt". Ferner will sie "das
Fernwärmenetz regulieren". Bisher unterliegt die Fernwärme in
Deutschland nirgendwo einer Regulierung. Nach Ansicht des Bundeskartellamts,
das diesen Sektor beaufsichtigt, wäre eine solche Maßnahme auch nicht
sinnvoll.