Februar 2016

160203

ENERGIE-CHRONIK


 


Zu den Geschädigten der spanischen Solarstrompolitik gehört die STEAG, die 2012 von der insolventen Solar Millennium AG (111213) deren 26-Prozent-Anteil am solarthermischen Kraftwerk Arenales erwarb und die Betriebsführung übernahm. Die Anlage in Andalusien erbringt mit 158 Reihen von Rinnenkollektoren, deren Spiegel dem Lauf der Sonne nachgeführt werden, eine elektrische Leistung von 50 MW. Zudem verfügt sie über einen Wärmespeicher, der auch nach Sonnenuntergang eine Stromproduktion ermöglicht. Es hätte sich um ein lukratives Geschäft gehandelt, wenn die Regierung nicht 2013 die Abschaffung der garantierten Einspeisungsvergütungen verfügt hätte. Nun mußte die STEAG 60 Millionen Euro in den Wind schreiben. Im Januar 2015 reichte sie deshalb Klage beim ICSID-Schiedsgericht in Washington ein.
Foto: STEAG

Spanien braucht enttäuschte Solaranleger nicht zu entschädigen

Der spanische Staat braucht zwei Firmen nicht zu entschädigen, die wegen der 2010 verfügten Kürzungen der Solarstromförderung mehr oder weniger große Einbußen erlitten haben. Dies ergibt sich aus der Entscheidung, mit der ein Schiedsgericht der Stockholmer Handelskammer (ICC) am 21. Januar die Klagen der niederländischen Charanne B.V. und der luxemburgischen Constructions Investments SARL zurückgewiesen hat. Es handelt sich um die erste Entscheidung in mehr als zwei Dutzend ähnlicher Verfahren, die geschädigte ausländische Unternehmen gegen die spanische Regierung angestrengt haben. Das spanische Ministerium für Industrie, Energie und Tourismus zeigte sich entsprechend begeistert und veröffentlichte den Schiedsspruch am 25. Januar im Wortlaut auf seiner Internetseite. Es ist aber keineswegs sicher, daß die anderen Verfahren auch so verlaufen werden.

Die beiden Kläger verfügen zusammen über 54,44 Prozent an der Groupo Isolux Corsan, einem auf den Infrastruktur- und Energiebereich spezialisierten Konzern, der über Spanien hinaus weltweit tätig ist. Nach Einschätzung des globalisierungskritischen Transnational Institute Amsterdam sind beides Briefkastenfirmen, die lediglich zu dem Zweck gegründet wurden, um als ausländischer Investor gegenüber dem spanischen Staat auftreten zu können.

Einspeisungsvergütung betrug bis zu 45 Cent pro Kilowattstunde für 25 Jahre Betriebszeit

Die jetzt ergangene Schiedsgericht-Entscheidung betrifft nur jene Abstriche an der Solarförderung, die zum Jahresende 2010 von der damaligen Regierung des Sozialisten Zapatero verfügt wurden. Bis dahin garantierte der spanische Staat für neue Solaranlagen eine Vergütung von 30 Cent pro Kilowattstunde. Für ältere Anlagen, die vor 2008 ans Netz gingen, wurden sogar 45 Cent pro Kilowattstunde gezahlt, und das für 25 Jahre Betriebszeit. Den letzteren wurde nun die garantierte Vergütung drei Jahre lang nur noch für eine bestimmte Menge von Kilowattstunden gewährt, die die erzeugten Strommengen keineswegs abdeckten, weshalb die Anlagenbetreiber genötigt waren, den Rest zum nicht kostendeckenden Marktpreis von rund sechs Cent zu verkaufen.


In der Nähe von Sevilla haben der spanische Erneuerbare-Konzern Abengoa und E.ON die beiden solarthermischen Kraftwerke Helioenergy 1 und 2 mit einer Leistung von jeweils 50 MW errichtet. Abengoa mußte Ende 2015 Insolvenz anmelden, wozu auch die Kürzung der Solarvergütungen beitrug. Zuvor hatte das Unternehmen Klage beim Schiedsgerichtshof in Den Haag erhoben, während E.ON vor das ICSID-Schiedsgericht zog.
Foto: E.ON

Seit 2014 gibt es nur noch eine staatlich festgesetzte Minimal-Rendite

Im Sommer 2013 beseitigte die Regierung des konservativen Ministerpräsidenten Rajoy das bisherige System der garantierten Vergütungen sogar ganz. Stattdessen wurde ab 2014 nur noch eine Verzinsung von 7,5 Prozent auf die Anfangsinvestition gewährt. Diese bemißt sich aber nicht nach den tatsächlichen Investitionen im Einzelfall, sondern ist ein staatlich festgelegter Durchschnittswert, der vielen Investoren die Bilanz verhagelte. Die Rechtsunsicherheit, die sich mit diesen rückwirkenden Gesetzesänderungen in dem EU-Land Spanien offenbarte, schreckte neue Investoren zusätzlich ab, weshalb die Errichtung von Solaranlagen in Spanien weitgehend zum Erliegen kam.

Installierte Kraftwerks-Kapazitäten übersteigen Jahreshöchstlast um das Doppelte

Hauptgrund für die Zurücknahme der versprochenen Einspeisungsvergütungen war sicher das Milliardendefizit in der Staatskasse. Außerdem scheint man es aber auch für opportun gehalten zu haben, die Solarstromerzeugung zu bremsen, obwohl oder gerade weil diese in Spanien besonders ergiebig ist: PV-Module liefern hier weitaus mehr Strom als etwa in Deutschland, und für die solarthermische Stromerzeugung mittels Rinnenkollektoren und Wärmespeichern sind die Voraussetzungen ebenfalls sehr günstig. Der Anteil der Erneuerbaren an der spanischen Stromerzeugung stieg deshalb von 2005 bis 2014 von 19,1 auf 37,8 Prozent. Das hat freilich auch zum Anstieg der Kraftwerkskapazitäten auf rund 100 Gigawatt beigetragen, während für die Jahreshöchstlast nur 44 Gigawatt benötigt werden. Ein weiterer Ausbau der erneuerbaren Stromquellen hätte somit die Stillegung konventioneller Kraftwerke unumgänglich gemacht.

Ausländische Investoren machen Verletzung der Europäischen Energiecharta geltend

Von der spanischen Justiz dürfen sich die betroffenen Unternehmen keinen großen Beistand erhoffen. Am 13. Januar hat der Verfassungsgerichtshof sogar die 2013 verfügten Kürzungen für rechtens erklärt. Ausländische Betroffene berufen sich deshalb auf die Investitionsschutzbestimmungen der Europäischen Energiecharta von 1994 und machen von der Möglichkeit Gebrauch, die Regierung vor dem ICSID-Schiedsgericht bei der Weltbank zu verklagen. Die spanischen Firmen haben diese Möglichkeit nicht. Sie setzen vor allem auf den Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg oder den Internationalen Gerichtshof in Den Haag. Dazu gehört der große spanische Konzern Abengoa, der gemeinsam mit E.ON zwei solarthermische Kraftwerke in Andalusien errichtet hat und auch wegen der Kürzungen in Schieflage geraten ist.

Nur zwei der drei Schiedsrichter hielten die Vorgehensweise der Regierung für rechtens

Die jetzt bekanntgewordene Entscheidung ist die erste in einem ganzen Rattenschwanz von Verfahren, die vor allem beim ICSID-Schiedsgericht der Weltbank in Washington angestrengt wurden. Sie betrifft, wie schon erwähnt, nur die Abstriche von 2010 und nicht die noch gravierenderen Kürzungen von 2013. Sie ist auch für andere Schiedsgerichte nicht bindend. Außerdem hielten nur zwei der drei Richter die Vorgehensweise der spanischen Regierung für rechtens: Die Juristen Alexis Mourre (Großbritannien) und Claus von Wobeser (Mexiko) vertraten die Auffassung, daß die Kläger die Abstriche hinnehmen müßten, weil sie vorhersehbar gewesen seien. Der Argentinier Guido Tawil verfaßt dagegen ein Minderheitsvotum, wonach Spanien klar gegen den Energiechartavertrag verstoßen hat: Ein Investor müsse darauf vertrauen können, daß das Rechtssystem so bleibt, wie es bei Vornahme der Investition gegolten hat, und nicht nicht rückwirkend geändert wird. Ein Staat dürfe zwar im öffentlichen Interesse einen Systemwechsel einleiten, müsse dann aber den Betroffenen eine angemessene Entschädigung gewähren.

 

 

Noch ein Millionengrab: Die drei "Andasol"-Kraftwerke vor der Kulisse der Sierra Nevada in der Provinz Granada. Sie waren die größte Hinterlassenschaft der Solar Millennium AG, die 2011 Pleite machte (111213). Die Anlagen wären aber durchaus rentabel zu betreiben gewesen. Die Stadtwerke München kauften sich deshalb mit 48,9 Prozent bei Andasol 3 ein, während RWE und RheinEnergie 25,1 Prozent übernahmen. Die restlichen 26 Prozent teilten sich Ferrostal und Kleinanleger. Wegen der starken Abstriche an der Solarförderung mußten die Stadtwerke München 2013 auf ihre Beteiligung 64 Millionen Euro abschreiben, während es bei Rheinenergie und RWE jeweils etwa 17 Millionen Euro gewesen sein dürften. Der Fall Andasol 3 wird nun ebenfalls vor dem ICSID-Schiedsgericht verhandelt werden.

Foto: SWM

Anwälte nutzen die Gelegenheit zur Werbung für Schiedsgerichte

Die beteiligten internationale Anwaltskanzleien nutzten die Gelegenheit, um für sich und derartige Schiedsverfahren zu werben: Die Sozietät Herbert Smith Freehills ließ wissen, daß sie dem Königreich Spanien in diesem Streit zum Sieg verholfen habe. Die Sozietät Clifford Chance, welche die unterlegenen Parteien vertreten hat, wertete den Ausgang des Verfahrens als Beleg dafür, daß solche Schiedsgerichte nicht immer investorenfreundlich urteilen würden. Der Schiedsspruch könne deshalb in der momentanten Diskussion um die Einführung solcher Schiedsgerichte im Transatlantischen Handels- und Investitionsabkommen (TTIP) zur "Versachlichung" beitragen.

Für die beteiligten Juristen geht es um viel Geld, das sie ganz unabhängig vom Ausgang der jeweiligen Schiedsgerichtsverfahren beanspruchen können. Beispielsweise müssen die beiden Kläger, die jetzt unterlegen sind, allein der spanischen Regierung 1,3 Millionen Euro Anwaltskosten erstatten.