Januar 2016

160103

ENERGIE-CHRONIK


 

 

Trotz des Preisdrucks stieg die Ölförderung der USA bis ins vergangene Jahr weiter an. Inzwischen zeigt die ganze Branche aber deutliche Bremsspuren. Amerikanische Banken bangen bereits um die Milliarden, die sie der Fracking-Branche geliehen haben.

Ölpreis noch immer auf Talfahrt – Frackern geht allmählich der Atem aus

Die seit Sommer 2014 andauernde Talfahrt der Ölpreise ist noch immer nicht zu Ende. Treibende Kraft ist dabei Saudi-Arabien. Als dominierendes Mitglied der Organisation erdölexportierender Länder (Opec) verhinderte das Land bisher eine Absenkung der weltweit hohen Förderquoten, denen eine gesunkene Nachfrage gegenübersteht. Saudi-Arabien ist zwar sicher nicht an niedrigen Ölpreisen interessiert. Es verfolgt aber das strategische Ziel, das relativ teure "Fracking" von Schieferöl zum Erliegen zu bringen. Dadurch würde die Rohöl-Förderung der USA wieder auf die konventionellen Ölvorkommen beschränkt, deren Ergiebigkeit seit den siebziger Jahren rückläufig war. Anstatt Marktanteile zu verlieren, könnten die Saudis und die Opec dann von einem erneut steigenden Ölpreis profitieren.

Fracking lohnt sich längerfristig nur bei hohen Ölpreisen


Der Opec-Korbpreis ist der Durchschnittspreis für die Ölsorten der 13 Mitgliedsländer der Organisation erdölexportierender Länder. Er gilt weltweit als Basiswert für alle anderen Ölsorten.

Saudi-Arabien und das von ihm initiierte Opec-Kartell verfügen über etwa 40 Prozent der weltweiten Erdölförderung und drei Viertel der bekannten Ölreserven. In der Vergangenheit konnten sie damit über eine gezielte Steuerung der geförderten Ölmengen die Preise am Weltmarkt bestimmten, wobei andere Förderer wie die USA, die Nordsee-Anrainer und Rußland mit relativ geringen Abweichungen folgten.

Das änderte sich ab etwa 2006, als die seit 1985 kontinuierlich gesunkene einheimische Förderung der USA wieder Auftrieb erhielt, weil immer größere Mengen an Schieferöl gefördert wurden, die den Rückgang der einheimischen Förderung mehr als kompensierten. Ermöglicht wurde dies durch den mittlerweile erreichten Rekordstand von mehr als 60 Dollar pro Barrel, der bis 2008 sogar die 100-Dollar-Grenze erreichte. Damit wurde die Erschließung von Schieferöl mittels der teuren (und umweltgefährdenden) "Fracking"- Technik, die sich sonst nicht gelohnt hätte, ein rentierliches Geschäft. Die USA produzierten nun sogar soviel Öl, daß ab 2010 die US-Sorte WTI deutlich billiger war als die Opec-Sorte Dubai Fateh, die bis dahin den unteren Rand der Preisgrenze markiert hatte (siehe Grafik).

Saudi-Arabien wirft gewissermaßen mit der Wurst nach dem Schinken, wenn es bewußt einen Ölpreisverfall herbeiführt, der durch das Mißverhältnis zwischen weltweitem Angebot und Nachfrage bewirkt wird. Sein strategisches Endziel ist, keine Marktanteile einzubüßen und die Preise wieder nach oben treiben zu können, sobald die Fracking-Konkurrenz erledigt ist. Gemeinhin werden etwa 50 Dollar pro Barrel als unterste Rentabilitätsgrenze für das Schieferöl-Fracking angesehen. Diese Grenze wurde erstmals im Januar 2015 und ab August dauerhaft unterschritten (150810). Seitdem ist der Ölpreis nochmals fast halbiert worden.

Trotzdem zeigte die hohe US-Förderung zunächst keine oder nur geringe Bremsspuren. Anscheinend haben die Fracking-Unternehmen die Dauer des weltweiten Nachfragetiefs, das vor allem vom Schwächeln der chinesischen Wirtschaft bestimmt wird, sowie die Ausdauer der Araber unterschätzt. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht wäre es nicht sinnvoll, eine mit großem Aufwand gestartete Fördertechnik nur deshalb zu stoppen, weil der aktuelle Marktpreis unter der langfristigen Rentabilitätsschwelle liegt. Das gilt aber nur für kurze Zeiträume. Auf längere Sicht führt eine nicht kostendeckende Förderung zwangsläufig in den Ruin. Das wissen auch die Araber und erklärt die Beharrlichkeit, mit der sie an der seit eineinhalb Jahren verfolgten Strategie zur Vernichtung der Fracking-Konkurrenz festhalten.

Ölpreisverfall trifft Rußland noch härter als die westlichen Sanktionen


Der Liter Diesel war im Januar schon für deutlich weniger als einen Euro pro Liter zu haben. Entsprechend sanken die Preise für Benzin. Es gibt Berechnungen, wonach der Ölpreisverfall allein den deutschen Verbrauchern im vergangenen Jahr eine Ersparnis von mehr als 10 Milliarden Euro beschert hat.

Auch für andere Ölproduzenten war der Preisverfall kein Grund, die Förderung zu verringern. Eher wurde diese noch ausgeweitet. Das gilt vor allem für Rußland, das neben Saudi-Arabien der größte Öl-Anbieter am Weltmarkt ist. Da die Staatseinnahmen größtenteils aus dem Verkauf der Rohstoffe Öl und Gas bestehen, wird der Kreml vom Preisverfall des Öls noch wesentlich härter getroffen als durch die Sanktionen wegen seiner Ukraine-Politik. Während der Euro Anfang Herbst 2015 noch für rund 50 Rubel zu haben war, kostete er Ende Januar 2015 fast 80 Rubel. Nach einer vorübergehenden Erholung kletterte der Wechselkurs im Januar 2016 bis auf fast 90 Rubel für einen Euro.

Schlimm ergeht es auch Staaten wie Venezuela, Nigeria und Angola, deren Staatseinnahmen in noch stärkeren Maße vom Ölexport abhängen. Sogar Saudi-Arabien, das von seinen Öleinnahmen bisher wie die Made im Speck leben konnte, mußte seine Staatsausgaben kürzen.

Iran kehrt an den Weltmarkt zurück

Neben dem Machtkampf mit den Fracking-Unternehmen gibt es einen weiteren Grund, weshalb Saudi-Arabien an einer Politik festhält, unter der es zumindest vorübergehend selber leidet: Es will seinem Erzfeind Iran den Wiedereintritt in den Klub der großen Ölexporteure so schwer wie nur möglich machen. Mitte Januar haben USA und EU die im Juli vereinbarte Kontrolle der iranischen Urananreicherung (150707) honoriert, indem sie die seit 2006 verhängten Sanktionen (060115) größtenteils aufhoben. Dazu gehört vor allem das Ölembargo, das bisher den Iran daran gehindert hat, seinen wichtigsten Exportartikel auf dem Weltmarkt abzusetzen. Vermutlich wird sich der Iran von den aktuell ungünstigen Umstände nicht davon abhalten lassen, nun wieder als Ölexporteur tätig zu werden, was den Preisdruck verschärft und verlängert.

Ölkonzerne schreiben Milliarden ab und entlassen Hunderttausende

Inzwischen geht es bei den Fracking-Produzenten sichtlich ans Eingemachte. Besonders betroffen sind aber auch konventionelle Ölproduzenten, die nun – wie bei der Nordsee-Ölsorte "Brent" – zu Kosten fördern, die über den Erlösen liegen. Allein das weltweit führende Bergbauunternehmen BHP Billiton hat 7,2 Milliarden Dollar abgeschrieben und im letzten Jahr die Zahl seiner US-Förderanlagen von 26 auf fünf verringert. Der Konkurrent Rio Tinto hat einen Gehaltsstopp für die Mitarbeiter und andere Einsparmaßnahmen verfügt. Amerikanische Banken bangen um über 40 Milliarden Dollar, die sie der Fracking-Branche geliehen haben. Der Shell-Konzern stoppte schon im Oktober vorigen Jahres die geplante Ausbeutung von Ölsand-Vorkommen in Kanada. Sein Gewinn schrumpfte im vergangenen Jahr von 14,9 auf etwa zwei Milliarden Dollar. Der Energiekonzern BP kündigte am 12. Januar den Abbau von weiteren 5000 Arbeitsplätzen an, was fast fünf Prozent seines Personalbestandes entspricht. Der österreichische Energiekonzern OMV mußte im vierten Quartal 2015 rund 1,5 Milliarden Euro abschreiben. Weltweit sollen die Ölfirmen schon Hunderttausende von Beschäftigten entlassen haben.

 

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