Januar 2015 |
150117 |
ENERGIE-CHRONIK |
Der Hersteller einer dubiosen Vorrichtung zur Energieeinsparung, die angeblich bei Heizungsanlagen eine Verbesserung des Wirkungsgrads um sechs Prozent ermöglicht, muß es sich gefallen lassen, daß dieses Erzeugnis als "groß angelegter Schwindel", "Scharlatanerieprodukt" und "Betrug" charakterisiert wird. So entschied am 16. Dezember der Bundesgerichtshof. Er verwarf damit ein Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt, das diese Kritik nicht von der grundgesetzlich garantierten Meinungsfreiheit gedeckt sah. Stattdessen hatten die Vorinstanzen eine "unzulässige Schmähkritik" unterstellt, die auch eine Kreditgefährdung nach § 824 BGB darstelle. Es sei dem Kritiker darum gegangen, das Unternehmen in den Augen der Kunden herabzusetzen. Er habe damit das "Persönlichkeitsrecht" verletzt, das auch einer juristischen Person zustehe. Das Oberlandesgericht hatte sogar die Zulassung der Revision verweigert, "weil die Entscheidung auf einer Würdigung von Tatsachen im Einzelfall unter Zugrundelegung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Meinungsfreiheit beruht und der Sache auch sonst keine grundsätzliche Bedeutung zukommt".
Das sah die höchstrichterliche Rechtsprechung freilich ganz anders, wie schon daraus hervorgeht, daß der Bundesgerichtshof der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgab und dem Kläger Prozeßkostenhilfe gewährte. Mit dem jetzt ergangenen Urteil machen die Karlsruher Richter deutlich, daß die Meinungs- und Pressefreiheit einen wesentlich höheren Rang besitzt als das Interesse von Unternehmen, ihre mehr oder weniger seriösen Geschäfte unbehindert von Kritik betreiben zu können. Und diese Klarstellung war auch dringend erforderlich. Zum Beispiel hatte der dubiose Stromanbieter Flexstrom ebenfalls auf seine angeblich verletzte "Unternehmenspersönlichkeit" gepocht, als er Ende 2012 seine Anwälte in Marsch setzte, um eine unliebsame Notiz in der ENERGIE-CHRONIK zu unterdrücken (130401).
Im vorliegenden Fall klagte ein Unternehmen, das unter dem Markennamen "Ecojet" Magnete anbietet, die eine Energieeinsparung bewirken sollen, wenn sie an Heizungsleitungen geklemmt werden. Angeblich funktioniert die Energieeinsparung per "Kernspinresonanz". Die Firma wirbt auch mit etlichen Kundenreferenzen, wonach die Einsparung tatsächlich zu beobachten gewesen sei. Zum Teil stammen diese Referenzen von Personen, die als Diplom-Ingenieure zeichnen und somit über physikalische Grundkenntnisse verfügten müßten. Die Auseinandersetzung fing damit an, daß der Physiker und Ingenieur Thomas Berger aus Kassel im Juni 2011 einen Firmenkunden anschrieb, der dem Hersteller als Referenz diente, und von ihm wissen wollte, wie er die Messung der angeblichen Effizienzsteigerung durchgeführt habe. Schließlich sei die "vom Hersteller herbeigezerrte wissenschaftliche Begründung der angeblichen Wirkung der Magnete völliger Unsinn".
Besonders bedenklich am weiteren juristischen Gang der Dinge war, daß das Landgericht und das Oberlandesgericht gar nicht klären wollten, ob der Vorwurf der Scharlatanerie zutraf, obwohl Thomas Berger dazu physikalische Gutachten und ein Warnschreiben des Bayerischen Landesamtes für Umwelt vorlegte. Im Urteil des Bundesgerichtshofs wird dagegen festgestellt, daß seine pointiert vorgetragene Meinungsäußerung sehr wohl sachlich fundiert war:
"Denn danach sind die von der Klägerin mit dem Versprechen der Energieeinsparung bei dem Betrieb von Heizungsanlagen vertriebenen Magnete wirkungslos. Die angeblich energieeinsparende Wirkung der Magnete ist tatsächlich nicht gegeben. Etwaige Energieeinsparungen nach dem Einbau eines Magneten sind auf eine beim Einbau des Magneten erfolgte Wartung und Reinigung der Heizungsanlage zurückzuführen. Die von der Klägerin durchgeführten, eine Effizienzsteigerung belegenden Messungen sind nicht aussagekräftig, da sie nicht unter standardisierten Bedingungen und von objektiven Dritten durchgeführt worden sind. Die zur Bewerbung der Magnete vorgebrachte wissenschaftliche Erklärung der angeblichen Wirkungsweise trifft nicht zu; der als Beleg für die Wirkung der Magnete hergestellte Bezug zur Kernspinresonanz ist frei erfunden und dient der bewußten Täuschung potentieller Kunden."
Vor dem letztendlichen Erfolg beim Bundesgerichtshof bekam Thomas Berger freilich in voller Härte eine bornierte Rechtsprechung zu spüren, die ihm unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000 Euro oder Ordnungshaft bis zu einem halben Jahr untersagt hatte, das windige Produkt weiterhin als "großangelegten Schwindel", "Betrug" oder "Scharlatanerieprodukt" zu bezeichnen. Zuerst verurteilte ihn die Justiz zu zehn Tagen Ordnungshaft, weil er die inkriminierten Äußerungen nicht vollständig aus dem Internet gelöscht habe. Die saß er auch ab. Auf Betreiben des Herstellers folgte eine weitere Verurteilung zu hundert Tagen Ordnungshaft, die er im September vorigen Jahres anzutreten gehabt hätte. Diese Haft wollte sich Berger nicht antun. "Ich bin deshalb seit September auf der Flucht im Ausland", läßt er auf seiner Internet-Seite wissen.