Juli 2014 |
140710 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität in Lübeck ermittelt gegen den Prokon-Gründer Carsten Rodbertus wegen Verdachts der Insolvenzverschleppung. Wie der Insolvenzverwalter Dietmar Penzlin am 15. Juli mitteilte, geht sie außerdem weiteren Verdachtsmomenten nach. Dazu gehört, daß es sich bei der grundlegenden Finanzierungsstruktur von Prokon um ein Schneeballsystem gehandelt haben könnte. Das im Bereich Erneuerbare Energien tätige Unternehmen hatte 75.000 Kleinanleger mit sogenannten Genußscheinen geködert, auf die es eine Verzinsung von acht Prozent gewährte (130805). Das so eingesammelte Kapital von zuletzt 1,35 Milliarden Euro wurde aber zum großen Teil gar nicht in Windparks investiert, sondern zur Schuldentilgung verwendet (140209).
Nach Angaben des Insolvenzverwalters hat Rodbertus ungeprüft unbesicherte Kredite in Millionenhöhe vergeben. Hierdurch sei den Genußsrechtsinhabern schwerer Schaden zugefügt worden. Im Jahresabschluß 2012 seien erhebliche Teile des Anlagevermögens falsch ausgewiesen worden, weshalb er voraussichtlich für nichtig erklärt werden müsse. Auch der Abschluss für das Geschäftsjahr 2013 werde wegen dieser Mängel nicht mehr ordnungsgemäß testiert werden können.
In seiner Mitteilung an die Prokon-Gläubiger warnte der Insolvenzverwalter vor Falschdarstellungen, mit denen sich Rodbertus Vollmachten von den Genußrechtsinhabern zu erschleichen versuche, um auf der bevorstehenden Gläubigerversammlung das vorgesehene Sanierungskonzept zu kippen und die Bestellung eines neuen Insolvenzverwalters zu erreichen. Beispielsweise gehe er mit der irreführenden Frage "Sind Sie für die Sanierung oder für die Zerschlagung?" auf Stimmenfang.
Auf der Gläubigerversammlung, die am 22. Juli unter Leitung des Amtsgerichts Itzehoe in einer Hamburger Messehalle stattfand, bezifferte der Insolvenzverwalter die Schulden von Prokon mit knapp 1,6 Milliarden Euro. Die Vermögenswerte beliefen sich dagegen nur auf eine Milliarde. Er gehe davon aus, daß die Anleger bis zu 60 Prozent ihres Kapitals verlieren würden. Er wolle jedoch versuchen, das Kerngeschäft mit Windparks zu erhalten und den Gläubigern anbieten, ihre Ansprüche als Eigenkapital einzubringen.
Gleich zu Beginn der Gläubigerversammlung hatte das Amtsgericht die Rodbertus zuzuordnenden Stimmen für nichtig erklärt, weil ein Geschäftsführungsorgan nicht zugleich die Genußrechtsinhaber vertreten könne. Rodbertus und seine Helfer hatten die Vollmachten von angeblich mehr als 15.000 Anlegern eingesammelt. Sie wären aber in jedem Falle unterlegen, da sowohl der Verein "Freunde von Prokon" als auch zwei Aktionärsschutzvereinigungen den Insolvenzverwalter unterstützten.
Die Gläubigerversammlung war die größte, die es je in Deutschland gegeben hat. Nach Angaben des Vereins "Freunde von Prokon" waren 28.425 Stimmberechtigte entweder persönlich oder per Vollmacht vertreten. Real erschienen seien rund 8.000 Gläubiger. Dabei hätten die Vereinsmitglieder rund die Hälfte des anwesenden Kapitals von 853 Millionen Euro repräsentiert.