April 2012 |
120413 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die Energie Baden-Württemberg (EnBW) wies auf ihrer Hauptversammlung am 26. April den Vorwurf zurück, mehr als 120 Millionen Euro für die Bestechung von russischen Geschäftspartnern ausgegeben und damit in den Sand gesetzt zu haben. Eine entsprechende Sichtweise der Dinge präsentierte vor kurzem der Russe Andrej Bykov, der angeblich von der EnBW für diesen Betrag mit "Lobbyarbeit" beauftragt wurde und nun die Zahlung vor Gericht einklagen will (120105). Eine Kleinaktionärin nutzte Bykovs Darstellung als Argument für ihren Antrag, dem EnBW-Vorstand die Entlastung verweigern: "Es besteht der dringende Tatverdacht, daß diesem dreistelligen Millionenbetrag keinerlei werthaltige wirtschaftliche Gegenleistung korrespondiert und es sich vielmehr um Korruption oder einen korruptionsähnlichen Vorgang handelt."
In seiner Stellungnahme zu den Gegenanträgen räumte der EnBW-Vorstand ein, daß mit Bykov in den Jahren 2005 bis 2009 mehrere Verträge abgeschlossen wurden. Der Russe sollte Lieferverträge für Uran vermitteln, ein Überwachungssystem für Nukleartransporte entwickeln und nuklearen Schrott aus dem stillgelegten Kernkraftwerk Obrigheim nach Rußland verbringen. Nachdem sich 2009 herausstellte, daß er den eingegangenen Verpflichtungen nicht nachkam, ergab eine von der EnBW eingeleitete Untersuchung, daß "frühere Organmitglieder von EnBW-Konzerngesellschaften" gegen die "Governance-Vorgaben" des Unternehmens verstoßen hätten. Es fand sich aber "weder ein Hinweis auf persönliche Bereicherung von Mitarbeitern oder Organen von EnBW-Konzerngesellschaften noch Hinweise auf die Beteiligung entsprechender Personen an Korruptionshandlungen".
Der Vorstand verwies ferner darauf, daß die diesbezüglichen Vorermittlungen der Staatsanwaltschaft bisher keinen strafrechtlichen Anfangsverdacht ergeben haben, der zur Eröffnung eines ordentlichen Ermittlungsverfahren führte. Laut FAZ (27.4.) hat der Rechtsstreit mit Bykov die EnBW bisher zwei Millionen Euro gekostet.
Das Kapitel "Thermoselect" ist - acht Jahre nach dem Rückzug der EnBW aus diesem Müll-Entsorgungskonzept - ebenfalls noch nicht ganz abgeschlossen. Wie aus dem Gegenantrag derselben Kleinaktionärin hervorging, hat am 16. Dezember 2011 in dritter Instanz das Schweizer Bundesgericht den im Jahr 2005 erklärten Rücktritt der EnBW vom Kaufvertrag über 25,1 Prozent der Aktien an der Thermoselect AG mit Sitz in Vaduz für ungültig erklärt. Die Aktionärin warf deshalb dem Vorstand vor, daß voraussichtlich "ein dreistelliger Millionenbetrag" auf die EnBW zukomme, für den keine Rückstellungen gebildet wurden.
Das ist aber nach Darstellung des Vorstands nicht zu befürchten: In seiner Stellungnahme zu den Gegenanträgen betont er, daß die Schweizer Gerichte lediglich die von der EnBW vorgebrachten Rücktrittsgründe als nicht ausreichend angesehen hätten. Als nächster Schritt sei deshalb eine Unternehmensbewertung der Thermoselect AG durchzuführen. Man habe dazu ein Gutachten in Auftrag gegeben, aus dem hervorgeht, daß die Thermoselect AG zu dem im Aktienkaufvertrag festgelegten Bewertungsstichtag keinen positiven Unternehmenswert aufwies. "Bei einem ordnungsgemäß durchgeführten Bewertungsverfahren" müsse die EnBW deshalb mit keiner Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Kläger Hans Günter Kiss rechnen.
Das Thermoselect-Projekt im Karlsruher Hafen war 1995 unter dem damaligen Badenwerk-Chef Gerhard Goll gestartet worden und sollte eine bei Verbania am Lago Maggiore errichtete Musteranlage erstmals im großtechnischen Maßstab verwirklichen (950217). In ein ungünstiges Licht rückte das Vorhaben erstmals, als die baden-württembergische CDU von der Lizenzgeberin Thermoselect S.A. nach Vertragsabschluß im Jahre 1995 eine Parteispende von 100.000 Mark erhielt (Goll gelangte als CDU-Politiker zu seinen Chefposten bei Badenwerk und EnBW). Wegen andauernder Probleme mit Technik und Rentabilität wurde das Projekt schließlich unter Golls Nachfolger Claassen gestoppt (040306).