Juli 2011 |
110713 |
ENERGIE-CHRONIK |
E.ON verhandelt derzeit mit der ungarischen Regierung über den Verkauf des Gashandels und des Speichergeschäfts an den staatlichen Stromkonzern MVM. E.ON Földgáz Trade und E.ON Földgáz Storage sind die größten Gashändler bzw. Speichernetzbetreiber des Landes. Sie waren 2006 für rund 450 Millionen Euro vom ungarischen Energiekonzern MOL gekauft worden. Außerdem hatte E.ON Schulden in Höhe von rund 600 Millionen Euro übernommen. Eigentlich wollte der Konzern damals das komplette Gasgeschäft von Mol kaufen (041103), war aber von der EU-Kommission daran gehindert worden, auch in die Bereiche Gaserzeugung und -transport einzusteigen (050705, 060113).
Auch bei einem Verkauf des Gasgeschäfts bliebe der E.ON-Konzern einer der wichtigsten Stromanbieter Ungarns. Erst vor ein paar Wochen nahm er bei Györ ein neues GuD-Kraftwerk in Betrieb, mit dem er seine bislang geringfügige Eigenerzeugung deutlich erhöhen kann. Foto E.ON
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Wie die deutschsprachige ungarische Internet-Zeitung "Pester Lloyd" am 18. Juli berichtete, geht es bei den Verhandlungen im wesentlichen um den Preis: MVM soll zuletzt 800 Millionen Euro geboten haben, während E.ON 1,2 Milliarden verlangt. Der Verkauf erscheine den E.ON-Strategen als das kleinere Übel, nachdem sie ebenso Verluste machen würden wie der Voreigentümer MOL. Einer der Gründe sei die gesunkene Nachfrage infolge der Wirtschaftskrise. Letztendlich sei es aber die staatliche Preisreglementierung gewesen, die E.ON das erhoffte Gasgeschäft in Ungarn verdorben habe.
Wörtlich hieß es im "Pester Lloyd":
"Mit ihren preisdiktatorischen Maßnahmen hat die Regierung E.ON letztlich sturmreif geschossen, ein Verkauf scheint den Konzernstrategen das kleinere Übel, ist aber letztlich auch ein Abgesang an ein langfristiges Engagement in Ungarn. Offenbar rechnet in der Konzernzentrale niemand mit einer baldigen Rückkehr der Orbán-Regierung zum Mainstream, der die Kunden den Energiekonzernen relativ bereitwillig ausliefert. Das Kapital zieht also weiter, während sich Orbán in seiner Pose als Befreiungstheologe feiern lässt. Letztlich ändert sich zwar der Eigentümer, doch nicht das Quasi-Monopol. Daher sollte der Aufschrei der Apostel des Neoliberalismus auch ausbleiben, immerhin konnte man in Europa im Energiesektor noch nie von einem freien Markt sprechen."
Im Mai hatte sich bereits der russische Gas- und Ölförderer Surgutneftegas aus dem ungarischen Energiekonzern MOL wieder zurückgezogen, nachdem es ihm nicht gelungen war, als größter Aktionär des Unternehmens eine maßgebliche Rolle zu spielen (110513). Auch dies geschah unter dem Druck der konservativen Orbán-Regierung, die erklärtermaßen wieder nach staatlicher Kontrolle von strategisch wichtigen Branchen strebt. Die russischen Aktien an MOL besitzt jetzt der Staat. Es wird bereits darüber spekuliert, ob es zu einer Zusammenlegung von MVM und MOL zu einem von der Regierung protegierten Energiekonzern kommt. In Brüssel verfolgt man die Entwicklung mit großem Argwohn, zumal der ungarische Staatshaushalt zum guten Teil aus EU-Geldern besteht.
Nach der Abgabe des Gasgeschäfts bliebe der E.ON-Konzern noch immer einer der wichtigsten Stromanbieter des Landes, der fast 2,5 Millionen Kunden versorgt (beim Gas sind es etwas mehr als eine halbe Million). Selbst erworben hat E.ON nur den Regionalversorger EDASZ (020412). Die beiden Regionalversorger DEDASZ und TITASZ wurden schon Mitte der neunziger Jahre von anderen deutschen Energieversorgern gekauft (951202) und sind dann über die Ruhrgas bzw. das Bayernwerk in den Besitz des Konzerns gelangt.
E.ON Hungária erlangte so beim Strom ungefähr 45 Prozent des Verteilermarktes (030709). Der Anteil an der Stromerzeugung war dagegen bisher mit zwei Prozent sehr gering. Das hat sich nun um ein paar Prozentpunkte verbessert: Am 27. Juni nahm die E.ON Hungária in Gönyü (bei Györ) ein neues GuD-Kraftwerk mit einer Leistung von 433 MW in Betrieb. Die Baukosten wurden mit 400 Millionen Euro beziffert.